www.Crossover-agm.de
Up From The Ground-Festival   27.-28.08.2004   Gemünden am Main
von ta

Ein musikalischer Gewittersturm fegte über das idyllisch im Tal und am Main gelegene Gemünden hinweg, so dass es bald einer Bestätigung glich, als am zweiten Tag tatsächlich der Himmel seine Schleusen öffnete und zweitausend Headbanger unter Wasser setzte: Das achte Up From The Ground hatte geläutet und wer nicht dabei war, ist selbst schuld, denn hier wurde der extreme Metal heiß und heftig geschmiedet.
Ein gutes Festival beginnt mit guten Rahmenbedingungen: Der Campingplatz liegt direkt vor dem Konzertgelände (keine langen Laufstrecken), Beginn war an beiden Tagen nicht vor 11 Uhr (keine kurzen Nächte), das Billing umfasste den gepflegten Metzelunderground ebenso wie hochkarätigen und einigermaßen populären Ballerstoff der Marke Kataklysm und Malevolent Creation (keine Langeweile), die Campingplatz-Einlasser gehörten zu den feinsten Gestalten Gemündens (Prost nochmal), Ticket-, Verpflegungs- (Nudelpfanne für drei, Bier für zwei Euro) und Merchandisepreise (das offizielle Festival-T-Shirt gab es für zehn Euro, auch die sonstigen Leibchen bewegten sich im preislich gesenkten Rahmen) lassen so manch anderen Event hierzu gleich viel weniger attraktiv erscheinen und auch die illustre Fanschar verhielt sich ganz dem Anlass gemäß, wie sich im weiteren Verlauf dieses Berichts noch zeigen wird. Dafür erst einmal und gleich zu Beginn herzlichste Glückwünsche an die Buben von Final Breath, besonders Heiko und Jörg, welche diesen Event organisatorisch betreut haben.
Der schreibende CrossOver-Abgesandte hatte zum Einstieg alles falsch gemacht: Glasflaschen im Kofferraum, Folge: das Auto durfte nicht mit aufs Campinggelände. (Kam diese Auflage eigentlich von der Stadt oder vom Veranstalter?) Ein benutzungsinkompatibles Zelt eingepackt, Folge: Rennerei noch am Abend des Anreisetags (der Vorabend des Festivalbeginns), Erstehen einer echten Mistkrücke im ortsansässigen Supermarkt, Folge davon wiederum: Einregnen bei Nacht. What a shame! Doch dies nur zur Einstimmung.
Vom Besonderen ins Allgemeine: Ein Metal-Festival ist ja im Normalfall ein Doppelevent: Tagsüber wird auf dem Konzertgelände gefeiert und gebechert, bis man aufgefüllt bis an den oberen Halsrand ist. Nächtens wird auf dem Campingplatz gefeiert und weitergefläschelt, bis man überläuft. Das Up From The Ground hielt dieser wahren Bewährungsprobe des echten Metallers ganz fabelhaft stand, wovon sich der um Klarheit des Urteils bemühte CrossOver-Abgeordnete natürlich nicht hat mitreißen lassen.

Freitag:
The Crestfallen kommen aus Nürnberg und durften den ganzen Reigen um vierzehn Uhr dreißig eröffnen. Vor der Bühne tummelte sich bereits eine kleine Schar Langhaariger und buhlte um die Gunst des Headbangergottes, auf der Bühne schrie Sänger Andreas Ibba intensiv, teilweise beinahe Disbelief-mäßig in den Mittagshimmel und wurde von seiner Band mit melodischem Death Metal unterstützt. Flotte Thrash-Einschübe und Düsterheimriffs (also keine In Flames-Solierereien) machten spieltechnische Unkoordiniertheiten locker weg, der Gastauftritt von Final Breaths Eumel kam auch gut und der nicht wirklich ausdifferenzierte Sound störte die Wenigsten. Also: Gelungener Auftakt.
Slayer haben wegweisende Thrash-Alben geschrieben. Davidian sind offenbar fleißig dabei, diese Alben noch einmal zu schreiben, was mich an dieser Stelle jedoch wenig störte. Die Band verursacht jedenfalls viel Wind auf den Brettern und erweist sich damit als bühnenreif, das Liedgut knallt ordentlich vor den Latz, nur mit Sänger Chris Prendergast weiß ich überhaupt nichts anzufangen. Der trägt zwar ein Vader-Shirt spazieren, klingt aber wie alte Metallica mit zuwenig Luft. Das mag Absicht sein, scheint mir aber ein wenig an der Intensität des Bandsounds zu kratzen. Wesentlich energischer wirken da die gut gebrüllten Backings der Saitenfront, welche sich spieltechnisch topfit präsentiert. Mindestens per Internet dürfte das Album "Abuse Of Power" erhältlich sein.
Runamok reimt sich auf Schweinerock. Dieser hier stellt eindeutig die härteste Variante jenes Genres dar, weil er mit knochentrockenen Metalriffs aufwartet und teilweise ein ordentliches Tempo auffährt. Außerdem ist Sänger/Leadgitarrist Fabian Schwarz ein lustiger Kerl und Runamok können mit ordentlicher, einer Black Metal-Band zu Ehren gereichenden Bühnendekoration (Pentagramm und Ziegenkopf schwarz auf rotem Hintergrund) einige Augen auf sich ziehen. So richtig der Knüller sind die auf Dauer dann doch etwas eintönigen Songs zwar nicht und ein paar Gitarrensoli weniger schaden sicherlich auf längere Sicht kaum, aber als willkommene Abwechslung auf einem überwiegend das harte Areal beackernden Festival wurden die Jungs dankbar aufgenommen.
Bei Schistosoma ist das Auditorium schon beachtlich angewachsen. Die spielen groovigen Death Metal mit viel Doublebassdrums und ein paar modernen Anklängen, haben außerdem einen Bassisten, der mit Dreadlocks und New Metal-Posing erst auf den zweiten Blick hier hinpasst. Die ganze Chose erinnerte mich nicht selten an Brainfaq, auch wenn ich fast nicht glaube, dass einer der Beteiligten mit diesen vertraut war. Sogar die Texte bedienen sich angeblich gelegentlich der deutschen Sprache, wovon freilich bei dem Gebrüll nichts zu merken war.
Cryptic Wintermoon wurden gefeiert wie Helden. Der neuzeitliche Mischmasch aus Keyboard-Black-, Semi-Thrash- und traditionellen Heavy Metal-Elementen mit gekreischten Vocals läuft bei mir auf Platte überhaupt nicht gut rein, sorgte aber live für eine Menge Energie. Das Corpsepaint hat die Band ja schon vor geraumer Zeit abgelegt, einige Grimmigkeit und etwas Evil-Gehabe ist Sänger Ronny aber noch geblieben. Gegenpol ist Gitarrist Micha, der permanent grinst wie ein Honigkuchenpferd und sich sichtbar über die Publikumsreaktionen freut, dies ganz im Gegensatz zu Keyboarderin Daniela, welche der gesamten Show stoisch aus einem offenbar nicht sonderlich interessanten Paralleluniversum heraus beiwohnt. Außerdem erhält die Band den hiermit eingeführten CrossOver-Award für ein paar der beknacktesten Songtitel des Festivals. Highlight: "666 Supersatan". (Dann müssen wir aber parallel auch den CrossOver-Award für die besten Songtitel einführen. Kandidatenvorschläge: "667 - The Neighbor Of The Beast" oder das bereits in CSBs Cosmic Ballroom-Rezi gelobte "Don't Let The Devil Rock Your Boat If You Don't Even Know How To Swim" - Anm. rls)
Dew Scented waren der Hammer! "Unconditioned", "Inwards", "Bitter Conflict", "Cities Of The Dead", "Acts Of Rage" (Tödlich!) und "Soul Poison" mähten alles nieder, was nicht ohnehin beim Bangen zusammenbrach oder sich im überaus gewalttätigen Moshpit zu Brei wursten ließ. Da wird permanent auf Uptempo gethrasht und jeder Beteiligte erreicht dabei spieltechnisch Slayer-Niveau, schafft es aber dennoch, die Rübe zu schwingen, dass der Nacken kracht. Der den ausgefallenen Uwe Werning ersetzende Aushilfsdrummer von Obscenity - der Name ist mir gerade entfallen - sorgte für einige heruntergeklappte Kinnladen und die natürliche und dadurch überaus sympathische, jedoch niemals publikumsanheuchelnde Art von Schreihals Leif Jensen, der wirklich mit den Leuten kommuniziert und mit diversen Frage-Antwort-Spielchen ("Wer ist hier Thrasher?", "Wer hat uns schonmal live gesehen?") die Stimmung beständig am Kochen hält, setzte dem Ganzen die Krone auf. Nachdem ein Fan sich über den Fotograben auf die Bühne gekämpft hat und nur durch zwei Mann wieder von selbiger entfernt werden kann, erlaubt sich der Sänger einen Aufruf zu mehr Friedlichkeit. Dass ein Wikinger mit Brustwarzenpiercing ins Moshpit hineinrammelte und selbiges mit blutigem Busen wieder verließ, war dann aber offenbar trotzdem nicht vermeidbar. Wie heißt es doch bereits an anderer Stelle: Good Friendly Violent Fun. Ohne Zweifel.
Brillierten Dew Scented noch mit einem tadellosen Sound, erwischte es die sympathischen Hessen von Disbelief gleich mehrfach. Abgesehen davon, dass das Soundbild den ganzen Gig lang für den auf einigen schrägen Akkorden aufgebauten Sound des Quintetts viel zu undifferenziert klang, fiel gleich mehrere Male die Gitarre von Oliver Lenz aus und "No Control" musste ab der Hälfte auch noch ohne den durch Mark und Bein gehenden Brüllgesang von Karsten "Jagger" Jäger auskommen, weil das Mikrophon ermüdet war. Dem (noch nüchternen Teil vom) Publikum war der Ärger jedoch deutlicher anzusehen als der Band, welche permanent die Rübe schwang, obwohl der Langhaaranteil durch die neuerworbene Fleischmütze von Gitarrist Jan-Dirk Löffler inzwischen auf zwei Fünftel (Basser Joe Trunk und eben Jagger) gesunken ist. Dampframmen der Marke "To The Sky", "Ethic Instinct", "Misery" (Heul ...) oder "God Given" hätten wahrhaft bessere Begleitumstände verdient und ließen die Macht, welche diese Band auf CD gebannt entfalten kann, hier vermissen. Ein nicht mehr ganz in dieser Welt weilender Metallerhaufen ließ es sich trotzdem nicht nehmen, das Dew Scented-Moshpit weiterzuführen, auch wenn man dabei mehr lag als stand, und spätestens mit der Feuerspuckeinlage beim vorletzten Song "Infected" war dann doch fast alles wieder gut. Der rechte Spucker sah mir übrigens ganz nach Frank Albrecht vom Rock Hard aus. Das kann aber auch ein Irrtum sein.
Die Feuerspuckeinlage hatten auch Agathodaimon in ihr Set eingebaut. Ebenso wurden allerdings die Soundprobleme übernommen, so dass zeitweilig die gesamte PA (!) ausfiel und sich das wirklich zahlreiche Publikum mit dem Monitorsound von der Bühne begnügen musste. Dass zudem das Keyboard nur schwer und eine Gitarre nach einer Weile gar nicht mehr zum Laufen gebracht werden konnte, sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt. Doch das Quintett ließ sich nicht unterkriegen, rammelte gut über die Bühne (besonders Basser Eddie, in authentisches Achtzigeroutfit gekleidet, bangte wie eine Rübensau) und peitschte den m.E. ja eigentlich zum Sterben langweiligen Gothic/Black/Kleister-Mischmasch relativ tight in die Menge. Gitarrist Sathonys wirkt mit Kilometermatte und Black Metal-Posing sogar einigermaßen charismatisch und der einzig gute mir bekannte Song der Band, "Cellos For The Insatiable", hat zum Glück nicht gefehlt, während die Künstlichkeit und das Gedudel von "An Angels Funeral" und "Serpents Embrace" uns beinahe in die Flucht geschlagen hätten.
Zu Naglfar wurde gebangt bis in die letzte Reihe. Die ständigen "Naglfar"-Chöre sprachen zudem Bände, wenn es darum geht, zu bestimmen, ob die skandinavischen Blackies ihrer Co-Headliner-Position gerecht werden konnten. Die Antwort kann nur lauten: Und wie! Tight wie eine Maschine, intensiv und äußerste extensiv rollte der unzweifelhafte True Black Metal der Band über die Köpfe des tosend lauten Auditoriums, das bei "Blades" kein Halten mehr fand, hinweg. Trumpf der Band ist Sänger Jens Rydèn mit seinem Spagat aus wie ein Vieh bangendem Publikumsanimateur und dem Bandsound gemäßen Bösewicht mit Funkelaugen und Kreischansagen. Was bei Agathodaimons Akaias noch etwas albern wirkte, überzeugte hier auf ganzer Linie.
Und doch straften Malevolent Creation alle Anwesenden Lügen, welche glaubten, dass hier nichts mehr draufzusetzen wäre. Die Florida-Death-Allianz bot das Brutalste, was am Wochenende von dieser Bühne krachte. Kein Song vom anderen unterscheidbar, die Doublebass knattert permanent, die Blasts dreschen alles weg und vor der Bühne schraubt man sich systematisch die Köpfe ab. Einige Zuschauer (u.a. meine Wenigkeit) stehen nach der Hälfte des Sets nur noch apathisch da und lassen sich von dieser musikalischen Gewalt im Nichtstun vermöbeln, was immer noch anstrengend genug ist. Der kurzhaarige Sänger Kyle Simmons sieht mit Schnurbart, Bierbauchansatz und Straßenklamotten ja eigentlich aus wie Müllerersterstocklinks, mutiert aber auf der Bühne bestialisch evil zum Tier, brüllt sich die pechschwarze Seele aus dem Leib und versieht Songs wie "Multiple Stab Wounds", "Blood Brothers" oder "The Will To Kill" mit titelgemäß äußerst geschmackvollen Ansagen, um "the fuckin' circle pit" bzw. die "kill-zone" weiter anzustacheln. Wäre auch nur ein Beteiligter seinen Aufforderungen gefolgt, hätte neben dem Kranken- wohl auch der Leichenwagen vorbeischauen müssen. Vollkommen Unglaubliches leistete Schlagzeuger Dave Culross, dessen präzises Geknüppel - von unglaublichen Affentempobreaks durchsetzt - eine Augen- und Ohrenweide sondersgleichen war. Da störte es auch wenig, dass sein Drumsound weitaus transparenter als das Klangbild der Gitarren tönte.
Wer dannach die Ohren noch nicht voll hatte, konnte sich die Australier von Hobbs' Angel Of Death mit ihrem Slayer meets Motörhead-Mix (so klangs von weitem) anschauen. Wir gehörten nicht dazu. Entschuldigung dafür.

Samstag:
Eine empirisch erprobte Theorie: Die undankbarste Position, welche eine Band auf einem Festival einnehmen kann, ist jene an erster Stelle am zweiten Festivaltag. Im Normalfall ist ein Drittel des Publikums wach, aber verkatert und auf dem Campingplatz, ein weiteres Drittel liegt noch schnarchend darnieder, in der Regel auch dies auf dem Campingplatz, ein Sechstel interessiert sich nicht die Bohne für die Band und bleibt auf dem Campingplatz und das verbliebene Sechstel steht vor oder in Nähe der Bühne und bietet von allen Schattierungen etwas: Begeisterung, Interesse, Gefälligkeit, Gleichgültigkeit, Abwesenheit, Hangover (auch er gehört in diese Reihe), Ablehnung. Mittlere Position nahm das am Samstagmorgen vor der Bühne verharrende Publikum zu 96,586% ein, als Lunatic Dictator mit ihrem zugegebenermaßen stumpfen (nicht darum gleich niveaulosen), mittelschnellen und eigentlich ja recht effektiven Death Metal den Tag begrüßten. Die Banger ließen sich am Ende an genau drei Fingern abzählen, der Rest reagierte mit beeindruckender Apathie auf die Animationsversuche von Sänger Thomas "Tommel" Klinger und vergaß zu einem großen Teil sogar, bei Songende wenigstens kurz bestätigend zu klatschen. Ein paar Überraschungen oder ein Schlagzeuger aus Fleisch und Blut (L.D. arbeiten mit Drumcomputer) hätten hier von musikalischer Seite vielleicht für ein wenig Aufmunterung sorgen können, aber insgesamt ist die kaputte Stimmung eindeutig auf Publikumsseite zu lokalisieren. Die Band strengt sich nämlich redlich an und Tommel gefällt sich nach einer Weile im Faxenmachen, nimmt die verkorkste Situation damit von ihrer humorvollen Seite, was seitens der Anwesenden peu a peu mit etwas mehr Beteiligung honoriert wird, womit wir in unserer obigen Reihe einen Schritt zurück gehen können. Zu einer anderen Uhrzeit hätte mich ein fettes Moshpit angesichts des eingängigen Stoffs von Lunatic Dictator nicht überrascht, hier war mehr nicht zu erwarten gewesen.
Wesentlich mehr war dann schon bei Gorilla Monsoon los, was überrascht angesichts der Tatsache, dass man musikalisch zu den Außenseitern des Festivals gehörte, denn geboten wurde Stoner Rock der Kyuss-Art, welcher mit Crowbar-ähnlichem Gesang, ultrafetten Doomriffs der Sabbath'schen Schule und vereinzelten Doublebassparts um fünfzigtausend Grade Heavyness erhöht wurde, was die Headbanger auf der noch grünen Wiese auch recht schnell mitbekamen. Das mächtig versiffte, bekiffte und knochenharte Gesamtbild verteilte sich auf einen sehr agilen Basser, der sich glatzkopfschwingend über die Bühne arbeitete, einen tighten und äußerst lebendigen Drummer, einen Gitarristen in Cannibal Corpse-Shirt und einen Sänger, der nicht nur mächtig nach Wüste aussah und mit Jack Sabbath ein exorbitantes Pseudonym zur Schau trägt, sondern auch Texte skandierte, die sich permanent mit diversen Drogenbeschaffungsproblemen zu befassen scheinen. Gestern zu Disbelief gab es noch fette Gründampfschwaden in den hinteren Reihen zu erschnuppern, heute blieben diese seltsamerweise aus, obwohl sich eine passendere Gelegenheit wohl kaum finden ließe. Auffällig war natürlich, dass sich der gesamte Teil des Publikums, der nicht auf den ersten Blick als Death Metal-Hörerschaft erkennbar ist (ein eher geringer Teil) gerade jetzt in den vorderen Reihen bemerkbar machte. Mit einem fetten Grinsen, versteht sich.
Das Cryptopsy-Clone Death Reality, das ich gerne mal wieder gesehen hätte, hatte zwei seiner vier genetischen Daten zuhause gelassen und entschloss sich, so dann lieber doch nicht aufzutreten. Gorilla Monsoon durften daher sogar eine Zugabe spielen.
Guerilla waren mir bis dato völlig unbekannt, was wirklich eine Schande ist. Vor der Bühne ist es gerammelt voll und die Kölner werden gefeiert, als ob es kein Nachher gäbe. Alles ist voller Banger und die ersten Bierbecher schwirren durch die Lüfte. Vor uns versucht man(n) schwankend, das Frühstück wieder rauszulassen (was freundlicherweise nicht funktionierte), aus den Boxen hingegen springt ganz kerzengerader, teilweise sogar recht origineller Thrash mit Death Metal-Versatzstücken und wenigstens partiell spanischen Texten, gekoppelt an diverse spanische Ansagen. Die Hälfte der Band trägt übelste Kommunistenshirts, Zusammenspiel und Auftreten verdienen das Prädikat "wertvoll", der Sound ist grandios und irgendwann kommt sogar der Sänger von den Death-Sickos Jack Slater - nunmehr glatzbeköpft - auf die Bühne, um ein wenig mitzukeifen. Die Überraschung des Festivals! Super! Unbedingt mal bei www.guerilla-metal.com vorbeischauen!
Blo.Torch hatten es hernach doppelt schwer: 1. Guerilla wurden frenetisch gefeiert und es war fraglich, ob man die Stimmung aufrecht erhalten konnte. 2. Justament fing es an, heftig zu regnen. Schon bald lagen die ersten Leute mehr oder weniger freiwillig auf dem schlammigen Boden und vor der Bühne befanden sich nur geschätzte einhundert Mann, die allerdings ordentlich abbangten zum einfachen, flotten und gut gespielten Death Metal der Niederländer, der mit thrashigem Riffing an einigen Stellen aufwartet und gekoppelt an die engagierte Liveshow der Band ("Fuck The Rain!") ein größeres Publikum ziehen würde, wenn nicht die Himmelflut so viele in die Zelte getrieben hätte.
Aber auch wir flüchteten anschließend feige ins Auto und kamen erst wieder, als der Regen vorbei war und Undertow schon gespielt hatten. Ärgerlich, aber wahr. Noch einmal Entschuldigung.
Der Boden glich inzwischen einer einzigen Schlammwüste und noch immer trauten sich genug Leute nicht vor die Bühne, so dass Burden Of Grief mit ein paar hundert Zuschauern vorlieb nehmen mussten. Sie konzentrierten sich auf die eher schnelleren Songs ihres Repertoires, so dass der melodische Death Metal des Quintetts relativ heftig aus den Röhren bretzelte. Allerdings waren die Gitarristenabteilung Busch/Hanfland und der Schlagzeuger alles andere als mit Lust bei der Sache, obwohl das Publikum artig am Bangen und Schreien war. Abgefeiert wurde besonders das Maiden-Cover "Aces High", und Bassgrinsebacke Dirk Bulmann, unermüdlicher Hauptakteur auf der Bühne, feierte mit.
Mit Vendetta konnte ich weniger warm werden. Dass diese die Achtziger verinnerlicht haben, hätte man auch ohne einen Blick auf die Bühnenmusiker feststellen können, denn was zu hören war, klang mächtigst nach Speed Metal der alten Schule. Etwas unsicher und auch gar nicht gut bei Stimme wirkte Mikrophonist Mario. Was soll ich sagen, nach einer Weile fand ich mich schon bei den umliegenden Merchandise-Ständen wieder. Neben den fairen Preisen an jenen Ständen war sicherlich bemerkenswert, dass sich auf dem Gelände einiges an Musikern tummelte und sich ungezwungen mit den Fans unterhielt. Zudem gab es Autogrammstunden en masse und diverse Spontanverlosungen der Marke "Wer ein Slayer-Shirt trägt, gehe an Stand xy" oder "Der verdreckteste Besucher gewinnt am Stand yz ein CD-Paket", woraufhin sich tatsächlich ein beinharter Metaller in den Schlamm plumpsen lässt und Haare, Körper und Kleidung von oben bis unten derart einsaut, dass er sich als braune, glänzende Masse wieder erhebt. Nicht schlecht.
Vollkommen jenseits meines Geschmacksbereichs bewegen sich Desaster. Seit diese Corpsepaint durch natürliche Hautfärbung und keifiges Gekreische durch kreischiges Gebrülle ersetzt haben, ist das schwarzmetallische Moment der Band gänzlich verschwunden und man rumpelt anno 2004 Thrash von anno 1987, der mich und Jonas nur anödet, während große Teile des Publikums die Band bei Songs wie "Teutonic Steel", "Metalized Blood" oder dem Razor-Cover "Cross Me Fool" geschlossen abfeiern. Sänger Sataniac (in einer christlichen Band hieße er Godist oder Jesutian) hat ordentlich aufgetankt, liefert einiges an wirren Blicken und fliegt gegen Ende des Gigs auch mal auf die Schnauze, zeigt ansonsten ordentlich Oberarmmuskel. Very Metal eben.
Suidakra waren für Mnemic eingesprungen, welche kurzfristig abgesagt hatten und gehörten ungeachtet meiner pessimistischen Erwartungen zu den wirklich umfeierten Bands des Festivals. Die ganze Band zeigt sich dementsprechend hochmotiviert, bangt inklusive des Drummers kollektiv ab und rammelt über die Bühne, dabei das Instrumentarium fehlerfrei bearbeitend. Besonders der neue Leadgitarrist ist technisch voll auf der Höhe und blickt eigentlich nur sporadisch auf sein Griffbrett, und Arkadius (voc, git) feuert unermüdlich das gutgestimmte Publikum an. Nur: Passen zu Heavy-Power-Folk-Black-Metal denn rotgefärbte oder hochgegelte Haare bzw. Flammenhemden? Offenbar ja. Ein wahrhaft königlicher Triumphzug. Und Zugaberufe ertönen auch. Erfüllt werden können sie jedoch nicht.
Final Breath anschließend dürfen im Billing - abgesehen vom Heimvorteil - soweit oben stehen, weil sie Veranstalter des ganzen Festivals sind. Denn eigentlich ist der Status der Thrash-Band mit todesbleiernen Einflüssen in Gesang und Riffing außerhalb des Frankenlandes (Festivalmotto: Metalfranken strikes back!!!) noch nicht derart hoch. Hier hat sich jedoch viel Mensch eingefunden, um vor der Bühne auszuklinken und die Luftgitarre zum aggressiven und von Drummer Heiko auf den Punkt genau zusammengehaltenen Material in Grund und Boden zu schrubben, welches ich dermaßen schnell gar nicht in Erinnerung hatte. Eumel versucht erst gar nicht, den bösen Watz zu simulieren und grinst sich - von einer Seite der Bühne zur anderen rennend - durch den Ballergig, während die Saitenfraktion noch sehr in ihr Spiel vertieft ist und dementsprechend etwas steif wirkt. Lust gemacht auf das im Oktober erscheinende Album "Let Me Be Your Tank", welches - angesichts der Geschosse, die bereits hier vorgestellt wurden - wohl ein mächtig bösartiger Kotzbrocken werden dürfte, hat der Gig allemal.
Zum mit Black Metal-Cantus versehenen Gothic Metal von Graveworm kann man sich auf Platte ganz wunderbar langweilen. Warum die Band trotzdem als vorvorletzte des gesamten Festivals die Bühne betreten konnte, machte nicht nur der enorme Publikumszuspruch, sondern vor allem der Auftritt des Sextetts, bei dem sich die Geschlechterverteilung auf ein unfaires 5:1 (mit der bildhübschen Keyboarderin Sabine Mair auf rechter Seite) eingefahren hat, deutlich: Hier wurde gebangt bis zum Umfallen, und schwindlig werden würde dem, welcher sich nicht beteiligte, was das Publikum jedoch zu Hundertscharen tat. Der am Anfang noch schwammige Sound besserte sich zusehends und am Ende stimmte eigentlich alles bis auf ein paar schlagzeugbedingte Timingschnitzer. Anstelle des vom Publikum geforderten Maiden-Covers "Fear Of The Dark" gab es R.E.M.s "Losing My Religion" im schwarzmetallischen Gewand zu hören. Was auf Platte vermutlich einer Vergewaltigung gleichkommt, sorgte live für ordentlichen Jubel. Fazit: Ehrenmedaille für tolles Stageacting und Headbangerrekord.
Auf dem vor dem Headlinerdoppel noch einmal schnell verpflegungstechnisch eingeschlagenen Weg zum Auto und zurück begegnen ausschließlich nicht mehr fahr-, im Regelfall auch nur noch schwer lauftüchtige Gestalten und vor den blauen Plastiktoiletten hat es sich ein langhaariger Trupp bequem gemacht, der um die Gunst der anwesenden Frauen (die ja die einzigen sind, die sich noch in die verpesteten Dixies trauen) wirbt, dies mit ebenso unkomplizierten wie eindeutigen Mitteln: Hose runter, Unterhose runter, baumeln lassen, rumschreien. Wieviel Erfolg die zuvorkommenden Herren damit hatten, konnte bis Redaktionsschluss nicht ermittelt werden. Anderswo steht man am Wegesrand und versucht, gerade zu pinkeln und/oder zu erbrechen, was sich als nicht ganz einfach erweist. Aus allen Konzerten und Festivals, die ich bisher besucht habe, würde das UFTG nach entsprechenden Statistiken wohl mit dem höchsten Promilledurchschnittswert hervorgehen. Ein wahres Volksbesäufnis. Liegt vielleicht an dem bayrischen Flair. Auch Metal ist eben Kultur. Da hätte eben nur noch eine Eingangsrede von Edmund S. gefehlt, der ja auch Kulturveranstaltungen wie diverse Ritterfestspiele mit seiner Präsenz beglückt. Doch wo war der? Nicht eingeladen?
Die "Huren aus Dänemark", Illdisposed, ersatzweise für Ektomorf (nicht Stoiber) eingesprungen, waren nicht die ersten groovigen Death Metaller auf diesem Event, aber die besten. Sogar bei schnellen Songs entwickelt die Band einen unnachahmlichen Drive allererster Güteklasse und pumpt ordentlich Blei von der Bühne. Zu einer konventionellen Death Metal-Show lassen die allesamt kurzhaarigen Kerls aber ihren Auftritt nicht werden, was namentlich der kräftige Sänger souverän verhindert. Der hat zwar die Top-Stimme des ganzen Up From The Ground-Grunzer-Arsenals (grollende Untiefen ...), gleitet aber über die Bühne, als stände er auf selbiger mit Fettes Brot und hält vor jedem Song prinzipiell deutsche Ansprachen, die nicht nur ob ihrer kauzigen Akzentuierung, sondern besonders aufgrund ihrer irrwitzigen Inhalte für einiges an Grinsen im Publikum sorgen. Da schwadroniert er über den Death Metal-Kampf zwischen Dänemark und Schweden (Sieger: Illdisposed), lässt die Fans über die Zugabe abstimmen ("Schnell oder langsam? Also schnell."), gibt vor "Kokaiinum" bedenklich Einblicke in die bandinterne Stimulanzieneinfuhr und bringt die erquickte Headbangermeute der ersten Reihen bei Vorstellung seiner Truppe tatsächlich dazu, auf den Gitarristen gemünzte "Der Meier, der Meier, der hat ja keine Eier"-Chöre anzustimmen. Dass sich "Wake Up Dead", "Reversed", "Submit", "We Lie In The Snow" und wie sie nicht alle heißen auch ganz orthodox bei heftigem Mattengeschwinge und vermindertem Auffassungsvermögen genießen lassen, war mit einem Blick in die Meute gleichsam bewiesen. Ich bin entzückt. Und damit nicht alleine.
Es gab vermutlich keinen Metaller mit Festivalticket, der beim Auftritt von Kataklysm nicht anwesend gewesen wäre. Die vielberufenen Erfinder des Hyperblast spielten auf dem diesjährigen Up From The Ground ihren einzigen Open Air-Auftritt 2004 und promoteten dabei natürlich gleichzeitig ihre neue, mir kompositorisch zu simpel und produktionstechnisch zu steril geratene Platte "Serenity In Fire", die mit u.a. "The Ambassador Of Pain", "As I Slither" oder "For All Our Sins" (als offizieller Beendigung des Sets) auszugsweise vertreten war. Hinzu gab es "Epic"- ("Manipulator Of Souls" als Opener) und "Shadows And Dust"-Gebrösel ("Shadows And Dust" gleich hinterher) sowie diverse ältere Songs aus "Temple Of Knowledge"-Zeiten, die mir live sogar besser gefallen als das neue Material, obwohl ich im CD-Format bisher nicht viel mit ihnen anfangen konnte. Das liegt vor allem daran, dass hier nicht die Blasts auf überschnell getrimmt wurden, so dass am Ende die Bassdrum Viertel schlagen muss, damit die Band nicht rauskommt. Neuzugang Martin Maurais drischt wie nach drei Kannen Kaffee, erreicht aber sein hohes Tempo nicht nur durch beinahe meditative Konzentration, sondern vor allem, weil seine Snare derart getriggert ist, dass vermutlich eine Ameise beim bloßen Darüberlaufen einen Blast härtester Sorte durch die PA jagen würde, was sich besonders beim kurzen, direkt in "The Resurrected" übergehenden Schlagzeugsolo andeutete. Aber das ist Geschmackssache und soll keine direkte Kritik sein. Der Auftritt als ganzer liegt ganz klar im mehr als grünen Bereich. Besser kann der Sound vermutlich nicht sein (sieht man von einem defekten Tomkabel, das bei jedem Break für Störgeräusche sorgte, einmal ab), besonders die Midtempoparts walzen alles nieder, das Publikum übertrifft sich nach Graveworm noch einmal im Abschädeln, Stephane (bass) und J-F (git) stehen dem in nichts nach und nur Maurizio am Gesang wirkt ein wenig müde, stachelt den Headbangerpulk aber immer wieder mit der blendenden Aussicht, möglicherweise auf der nächsten Kataklysm-DVD, welche in Planung ist, zu sehen zu sein, zu neuen Höchstleistungen an. Erst nach zwei Zugaben und fünfundsiebzig Minuten lässt man die Band von der Bühne. Vor uns furzt jemand vor Freude so stark, dass wir fast umfallen. Danke dafür. Und damit zurück in die Zivilisation.



www.Crossover-agm.de
© by CrossOver