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Fates Warning, Wastefall, Fragile Madness   20.02.2005   Athen, Gagarin 205
von CSB

Fates Warning in Athen? Hat CrossOver jetzt einen Auslandskorrespondenten oder war da Einer tatsächlich so verrückt, den Herren um Jim Matheos nach Hellas nachzureisen, da diese sich dieses Jahr nicht in Deutschland blicken ließen? Weder noch. Während eines zweiwöchigen Aufenthalts in der griechischen Hauptstadt wollte ich es mir natürlich nicht entgehen lassen, die vielgepriesene hellenische Metalszene in Augenschein zu nehmen und so war meine Freude groß, als ich bei einem netten Bummel durch die Stadt ein Plakat der amerikanischen Progmetalinstitution entdeckte. Zu meinem Erstaunen genügte dann auch eine Mail an den Herrn Ludwig, welcher es tatsächlich fertig brachte, mich auf die Gästeliste des Athener Szeneclubs Gagarin 205 zu bringen. So stand dem Abenteuer also nichts mehr im Wege.
Besagte Lokalität scheint für Konzerte mittelgroßen Rahmens wie geschaffen. Durch ein intelligentes Stufensystem und mehrere Ebenen hatte so ziemlich jeder der ca. 600 zahlenden Gäste freie Sicht auf die mehr als geräumige Bühne. Weniger erfreulich allerdings die Getränkepreise - 5 Euronen für einen halben Liter Gerstensaft ist angesichts der allgemeinen Preislage in der Stadt aber noch nicht mal unverschämt. (Ein freundlicher Metalhead, den ich darauf angesprochen hatte, wies mich vehement darauf hin, dass Kleine, also 0,4 L nur 4 Steine kosten und ich hätte ja auch gut lachen, ich, der ich aus dem "Land Of Beer" käme...). Aber auch ohne oder zumindest im Vergleich mit deutscher Säufermentalität reduziertem Alkoholgenuss feierten die Griechen wie das Böse. Wer das "Alive In Athens"-Triple von Iced Earth schon mal gehört hat, der kann vielleicht in etwa ermessen, was bei einem Metalevent in Hellas Sache ist ... Davon profitierten selbstverständlich auch die lokalen Supportbands in nicht unerheblichem Maße, welche beide einen mehr als soliden Eindruck hinterließen.
Leider kamen wir etwas verspätet an, so dass Fragile Madness sich bereits ihrem Setende näherten, aber die anderthalb Songs, welche wir noch mitbekamen, ließen auf niveauvollen Progmetal irgendwo zwischen Dream Theater und älteren Angra schließen. Mit Letzteren verband sie vor allem der stilvolle Percussioneinsatz, wobei der Trommelboy nach seinem Einsatz den Rest des Songs wild headbangend, aber ansonsten beschäftigungslos in der Mitte der Bühne zubrachte. Fragile Madness wurden jedenfalls frenetisch abgefeiert und hätten nach Meinung der agilen Fans ruhig noch einige Zugaben zum Besten geben können, die angesichts der folgenden Bands aber natürlich unterblieben.
Wastefall hatten zwar keinen Percussionisten, aber dafür einen Geiger, der seinen Platz auf der Bühne zwischen seinen restlichen "traditionellen" Bandkollegen aber ebenso vehement einforderte. Dummerweise hatten die Athener über den gesamten Set hinweg mit argen Soundproblemen zu kämpfen, so dass sich die Wirkung ihres teilweise extrem vertrackten, teils sehr epischen Progmetals nicht ganz hundertprozentig entfalten konnte. Auch die Publikumsreaktionen waren diesmal etwas weniger ausgelassen (aber noch immer weitaus besser als bei manchem deutschen Progkonzert), was vielleicht auch daran gelegen haben könnte, dass es Wastefall mit dem Gefrickel ein wenig zu arg trieben, was bisweilen ein wenig zu Lasten der Songstruktur ging und außerdem das Erscheinen der amerikanischen Heroen, wegen deren die metalverrückten Athener immerhin 28 Euro hinblättern mussten, immer näher rückte.
Allerdings war noch ein wenig Geduld vonnöten. War die Umbaupause zwischen den Supportbands von atemberaubender Schnelligkeit vorbeigezogen, so schien sie nun endlos kein Ende zu nehmen, da ein Teil des Soundchecks von den Roadies noch einmal wiederholt werden musste. Man wollte wohl auf Nummer Sicher gehen, denn die heutige Show war nicht nur das erste Athen-Gastspiel der Amis seit Ewigkeiten, sondern sollte darüber hinaus auch noch für eine DVD festgehalten werden, was angesichts des nicht enden wollenden Jubels, mit dem Fates Warning auf der Bühne begrüßt wurden, definitiv keine schlechte Idee war. Und bei "One" brach dann auch der Wahnsinn aus. Sänger Ray Alder war aufgrund der Lautstärke, mit dem die Athener den nicht gerade vor Eingängigkeit strotzenden Opener der "Disconnected"-Scheibe mitsangen, teilweise kaum noch zu verstehen ("You sing better than me - really!"). Ein Umstand, welcher sich auch bei "A Pleasant Shade Of Grey Pt. III" und "Life In Still Water" kaum ändern sollte. Die Begeisterung kannte einfach keine Grenzen. Und es konnten einem wahrhaft die Augen feucht werden mit welcher Perfektion der Fünfer neue und alte Klassiker runterzockte, und besah man sich die Spitzenmannschaft, die da auf der Bühne stand, konnte die Qualität des Gebotenen kaum verwundern. Zu Wundergitarrist Jim Matheos und Sangesgott und Sympathikus Ray Alder gesellten sich Spocks Beard-Drummer (und Neusänger) Nick Di Virgilio, welcher den tourmüden etatmäßigen Trommler Mark Zonder äußerst kompetent vertrat, Neu-Irokese und Armored Saint-Basser Joey Vera und als zweiter Gitarrist Frank Aresti, der bis zum "A Pleasant Shade Of Grey"-Album fester Bestandteil von Fates Warning gewesen war. Diesem "Who Is Who" des Progmetals (wobei Armored Saint natürlich nicht zwingend diesem Sektor zugerechnet werden können) gelang es dabei aber nicht nur, technisch Hochwertiges abzuliefern, sondern auch und vor allem atmosphärisch Akzente zu setzen, was insbesondere den neuen Songs "Simple Human", "Heal Me" und dem emotionalen Höhepunkt des Abends, dem fragilen "Another Perfect Day", zugute kamen, die angesichts der etwas klinischen Produktion des aktuellen Albums "FWX" live erst ihre volle Wirkung entfalten konnten. Beeindruckend auch die herzzerreißende Melancholie, mit der Ray Alder und etwa 600 Fans "Quietus" aus dem "Ivory Gate Of Dreams"-Opus einleitenden. So massiv und dennoch eindringlich erlebt man Musik selten. Ein Grund mehr, diesen schon ewig nicht mehr bewusst gehörten Klassiker mal wieder heraus zu kramen.
Jener Hammertrack war es dann auch, der die zweite Sethälfte einleitete, die darüber hinaus noch einiges mehr zu bieten hatte, sei es das megavertrackte "A Pleasant Shade Of Grey XI" (das natürlich trotzdem jeder mitsang oder zumindest physisch nachvollzog; ein junger Grieche neben mir schlug sich vor Begeisterung bei jedem Break auf die Brust - ein Wunder, dass er das Konzert überlebt hat ...), der "Parallels"-Klassiker "The Eleventh Hour" und das den regulären Set beschließende "Monument", das sich seinen Namen wahrhaft verdiente.
Selbstverständlich ließen sich die Griechen den relativ frühen Abgang ihrer Helden nach ca. 75 Minuten nicht gefallen und holten "FATES, FATES, FATES" mit ebendiesem Schlachtruf zurück auf die Bretter, welche allerdings gleich noch einen Keyboarder mitbrachten, der die Prog-Supergroup wie kein zweiter ergänzte und komplettierte. Kevin Moore, seines Zeichens früherer Tastendrücker bei Dream Theater, enterte die Bühne und die Fans gerieten völlig aus dem Häuschen (logisch) ... Trotzdem wurde es bei "Still Remains" zum ersten Mal ein bisschen ruhiger, denn alle lauschten voller Andacht und Ergriffenheit dem ca. 10minütigen Übersong von "Disconnected", nur um danach noch lautstärker die zweite Zugabe zu fordern, welche mit dem etwas lahmen "Nothing Left To Say" allerdings ein wenig enttäuschend ausfiel, denn irgendwie hatte man doch insgeheim auf einen Klassiker der John Arch-Phase wie "The Apparition" gehofft. Aber auch ohne die ganz frühen Glanztaten gab es wohl kaum einen, der den Konzertsaal verdrossen verließ, denn man war Zeuge eines außergewöhnlich starken und beeindruckenden Auftritts einer Band geworden, die sich trotz der vier Gastmusiker als Einheit präsentiert hatte und auch 20 Jahre nach ihrer Entstehung noch neue und überraschend starke Akzente setzen kann, anstatt sich wie viele ihrer früheren Weggefährten auf einmal eingefahrenen Lorbeeren auszuruhen und sich ewig zu wiederholen.
So mussten auch wir wieder von dannen ziehen, in der unsteten Hoffnung, noch eins der öffentlichen Verkehrmittel für unsere Zwecke nutzbar zu machen. Schade, ich wäre gerne noch ein wenig verweilt bei diesen freundlichen, enthusiastischen und unkomplizierten hellenischen Metalheads.

Setlist Fates Warning:
Intro (Disconnected Part I)
One
A Pleasant Shade Of Grey III
Life In Still Water
Simple Human
Heal Me
Pieces Of Me
Face The Fear
Quietus
Another Perfect Day
A Pleasant Shade Of Grey XI
The Eleventh Hour
Point Of View
Through Different Eyes
Monument

Still Remains
Nothing Left To Say



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