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Wacken Open Air 2004   05.-07.08.2004   Wacken
von CSB und MiB

Nachdem ich im letzten Jahr auf der Autobahn Richtung Metalmekka Wacken düste und mich gefragt hatte, was wohl die unbedarften Norddeutschen und Urlauber denken mögen, wenn es auf den Raststätten nur so wimmelt voller Haare, war ich dieses Jahr auf die Schienen der deutschen Bahn angewiesen. Von Leipzig bis Hamburg gibt es nichts Aufsehenerregendes zu berichten, aber in Altona angekommen, war die Regionalbahn Richtung Itzehoe dann doch fest in Händen der Krawallbrüder und -schwestern aller Länder, und so wurde erstmal fröhlich angestoßen, aus allen Taschen traten plötzlich kleine und mittelgroße CD-Player zutage und die Amtssprache war auf einmal angelsächsisch. Mir und meinen beiden Schachtbrüdern aus dem Erzgebirge saßen drei blutjunge Mexikaner gegenüber, die extra wegen Europas größtem Metaljahrmarkt eingeflogen waren und unentwegt headbangten, während sie jede Silbe von diversen Exodus-, Death Angel- und Grave Digger-Klassikern mitgrölten. Ein paar einsame, völlig unbeteiligte Fahrradwanderer schauten verwundert ... Nun gut, irgendwann waren wir dann auch da und ich musste, nachdem der Wacken-Shuttlebus uns bis direkt vors Festivalgelände gefahren hatte und ich eine ca. 3 Kilometer lange Wanderung zum Presseschalter auf mich nehmen musste, weil ein netter Securitymensch mich nicht reinlassen wollte, leider feststellen, dass besagter Schalter erst am nächsten Morgen öffnen würde und ich doch so auf den Campingplatz käme, na das ging ja gut los ... Mein Ärger steigerte sich noch, als am darauffolgenden Tag ca. 1,5 h in brütender Hitze vor jenem Container verbrachte, das hätte man wirklich besser lösen können. Auf dem Rückweg fiel uns dann noch 'ne frisch gekaufte Palette Bier runter, was jetzt aber wirklich nicht an der Organisation lag und eigentlich auch niemanden interessiert ... Trotz allen Ärgers überwog selbstverständlich die Freude auf die große Jubiläumsparty, das Wacken Open Air ging schließlich in die 15. Runde, und die Veranstalter hatten einige große Namen verpflichtet, um der hohen Erwartungshaltung der wieder zahlreich (über 50000) erschienenen Metalheads gerecht werden zu können. Neben meiner Wenigkeit wird diesmal auch Michael Bruns (immer kursiv) berichten.
Ja, ganz richtig, ein neues Gesicht, denn dieser Bericht hier ist gewissermaßen mein CrossOver-Einstand. Für mich lief die Anreise deutlich weniger problemlos: Obwohl wir zu viert im Auto saßen, wurden nur drei Tickets kontrolliert, und meins eben nicht ;-) So konnte ich am nächsten Morgen (also 4 Stunden später, hehe) ganz gemütlich zum Presseschalter pilgern (die Strecke könnte wirklich kürzer sein), wo auch ich circa eineinhalb Stunden warten musste. Was solls, es war mein erstes Mal Wacken, und es war ja nicht nur schlecht ... Nun also zum wirklich wichtigen:

Donnerstag - 1. Festivaltag

Die Bühne
Der Donnerstag hatte für mich persönlich nicht all zu viel zu bieten. Zodiac Mindwarp stattete ich einen Höflichkeitsbesuch ab, aber der altmodische Heavyrock irgendwo zwischen Motörhead und Saxon bewog mich eher, den Metalmarket aufzusuchen und mich mit lange gesuchten Kleinoden einzudecken. Motörhead allerdings war dann Pflichtprogramm. Zwar gehören Lemmy und seine Mitstreiter nicht gerade zu meinen absoluten Favoriten, aber gesehen haben sollte man die dennoch mal, dachte ich mir, schließlich stehen dort wahre Legenden auf der Bühne. Doch diese entpuppten sich leider als ziemlich langweilige und furchtbar routinierte Legenden. Motörhead rissen einfach ihre Standardshow ab, ohne Überraschungen, ohne Lust, ohne großartige Kommunikation. Böse sein konnte man ihnen trotzdem nicht und Knaller wie "Killed By Death", "Ace Of Spades" oder der Sex Pistols-Kultsong "God Save The Queen" wurden einmal mehr gnadenlos abgefeiert. Insgesamt aber eher eine Enttäuschung.
Motörhead

Man mag von den Böhsen Onkelz halten, was man will. Auch der Auftritt der Band auf dem diesjährigen Wacken Open Air hatte seine Gegner (und da zähle ich mich durchaus dazu) und seine Befürworter. Wie auch immer, was man der Band auf jeden Fall hoch anrechnen muß, ist die Show, die von vorne bis hinten eine Ode an die Fans war. Die Onkelz hatten die Fans mit Songs wie "Narben" gut im Griff, auch wenn es leider immer noch ein paar Ewiggestrige gibt, die meinen, "Sieg Heil" wäre ein Teil der Bandtexte. Für Nicht-Onkelz-Fans war der Donnerstag-Abend zwar eher langweilig, aber irgendwem muß es gefallen haben, denn die Band hat eine halbe Stunde mit dem Geben von Zugaben verbracht, bevor die Fans "ihre Onkelz" entlassen haben. Der letzte Festivalauftritt vor der endgültigen Bandauflösung sollte etwas ganz besonders sein, und das ist es, zumindest für Onkelz-Fans, auch geworden. Alle anderen können beruhigt schlafen, wenn sie sich die knapp 3 Stunden nicht gegeben haben.
Das Finale: Die Böhsen Onkelz
Die erwarteten Zwischenfälle, die beim Aufeinandertreffen gewaltbereiter Onkelzfans mit friedliebenden aber besoffenen Metallern vorprogrammiert schienen, blieben aber gänzlich aus. Glücklicherweise hatten die Veranstalter mitgedacht und den nur für Donnerstag angereisten Onkelzanhängern einen eigenen Campingplatz zur Verfügung gestellt.

2. Festivaltag - Freitag
Am zweiten Tag sollte es nun richtig losgehen. Ab Mittag war endlich auf allen Bühnen volles Programm und die ersten Highlights ließen auch nicht lange auf sich warten.
Arch Enemy am Freitagnachmittag waren eine der wenigen Bands, die mich zur Black Stage locken konnten. Ganz einfach deswegen, weil ich gespannt war, ob Frontbrüllwürfel Angela Gossow live genauso ein Organ hat wie auf Platte. Und tatsächlich: Offene Mäuler und Kopfschütteln überall. Diese Frau singt ungefähr so, als wenn sich Dani Filth 'ner Geschlechtsoperation unterzogen hätte, und Gesangsunterricht bei Anders Friden von In Flames genommen hätte. Kein Wunder, dass vor der Bühne bald ein amtlicher Moshpit entstand, der die dargebotenen Songs wie z.B. "Instinct" dankend aufnahm. Als dann der durch Viva plus-Spätsendungen bekannt gewordene Song "We Will Rise" ertönte brachen auch die letzten Dämme, und die Band, die den ganzen Gig über sehr tight und spielfreudig agierte, konnte wieder einmal zeigen, daß Metal mit weiblichen Vocals nicht nur Nightwish heißen muss.
Nachdem ich mir ebenfalls einen Eindruck von den Livequalitäten der Erzfeinde gemacht hatte, spurtete ich noch schnell mal hinüber zur Partystage, wo zeitgleich die Multi-Kulti-Truppe von Dionysus spielte. Den White Metallern unter uns dürfte Sänger Olaf Hayer (auch Luca Turilli) durch seine Mitwirkung bei der kultigen (und leider bisher einzigen) Treasure Seeker-Platte "A Tribute To The Past" eigentlich ein Begriff sein. Geboten wurde dann typischer, sehr kompetent vorgetragener Melodic-Powermetal im Helloweenstil, der stellenweise durchaus begeistern konnte. Aber obwohl ich noch nie einen Song der Finnen/Schweden/Deutschen gehört hatte, kam mir doch alles seltsam bekannt vor ...
Gleich danach kamen Andy B. Franck und seine Mannen von Brainstorm auf die (True-Metal-)Bühne, und legten einen Hammer nach dem anderen hin. Egal ob "The Leading", der Überhit "Hollow Hideaway" oder "Blind Suffering", der Schwaben-Fünfer führte die Fans durch eine von vorne bis hinten energiegeladene Show, bei der Mister Franck auch gleich noch seine außergewöhnliche Entertainer-Begabung beweisen konnte. Dass Brainstorm eine Band sind, die trotz wahnsinnigen Erfolgs kein bisschen abgehoben sind, bewies sich auch an diesem Nachmittag, denn die Band hatte sichtlich Verständnis für die Fans, die in der glühenden Hitze mit der Kondition zu kämpfen hatten. Da kam die Abkühlung aus dem Wasserschlauch gerade recht. Als Zugabe gabs dann noch die Deutschland-Premiere des Schlager-Covers "Amarillo", der zum Abschluss nochmal richtig Partylaune verbreiten konnte. Brainstorm haben sich an diesem Nachmittag wohl einige neue Fans gemacht, jedenfalls hieß es von all jenen Umstehenden, die die Band noch nicht kannten: "Mann, die gehen ja echt voll ab!"
Auch für mich waren Brainstorm zusammen mit Nevermore eindeutig DIE Band des Festivals. Ich hatte die Pause zwischen den Pflichtbands Brainstorm und Grave Digger genutzt, um der Pressekonferenz meiner einstigen Lieblingsitaliener Rhapsody beizuwohnen, auf der v.a. Gitarrist und Songwriter Luca Turilli in oberkultigem Italoenglisch hervorstach und sehr sympathisch und freundlich wirkte. Ganz anders Sänger Fabio Lione, die fleischgewordene Arroganz, der sich seinem unbestreitbaren Talent ein wenig zu sehr bewusst war. Wichtiges wurde nicht besprochen und nach 20 Minuten war die Sache auch schon wieder vorbei, dafür durfte die Pressemeute aber mal ins neue Album reinhören - klingt recht vielversprechend, wird aber sicher nicht an die ersten beiden Scheiben rankommen.
Nach der Umbauphase rief Chris Boltendahl von Grave Digger die "Rebellion" aus, und man kann sich vorstellen, dass nicht wenige dem Ruf folgten und das Festival-Gelände in ein True-Metal-Schlachtfeld verwandelten, das gerade groß genug war, um dem "Battle Of Bannockburn" Platz zu bieten. Mit "Excalibur" konnte die Schlacht nur gut ausgehen, auch wenn die Fans danach ein bisschen verschwitzt waren. Daher forderte Chris Boltendahl die "Schlauch-Crew" auf, nochmal ordentlich Gas zu geben - echte Fanfreundlichkeit! Mit "Rheingold" und "Valhalla" gab es nur zwei Songs vom aktuellen Album, ansonsten bewegte sich die Setlist vor allem zwischen "Tunes of War" und "Excalibur", bevor mit dem abschließenden "Heavy Metal Breakdown" ein Song ertönte, der aber ohnehin Pflicht auf jedem Grave Digger-Konzert ist. Wieder einmal ein saustarkes Konzert einer über jeden Zweifel erhabenen Band.
Die letzten Schlachtgesänge waren vor der Mainstage kaum verhallt, da stand ein paar Meter weiter schon Herr Timo Kotipelto auf der Matte, seines Zeichens ehemaliger und möglicherweise zukünftiger (wer blickt da schon durch) Sänger von Stratovarius, um seinen Fans den gutklassigen Melodic Metal (wie sollte es anders sein) seiner beiden Soloalben um die Lauscher zu knallen. Das Songmaterial hat zwar bei weitem nicht solche Klasse wie das seiner Hauptband, aber unterhaltsam war es alle mal, was uns der stimmgewaltige Finne bot. Besonders Songs wie das richtig schön groovende "Waiting For The Dawn" oder das neue "Sees Of Sorrow" stachen heraus. Außerdem gabs für die zahlreich erschienenen Stratofans noch "S.O.S." (von "Destiny"), das Timo den Pyros widmete, die ihn vor 3 Jahren an selbiger Stelle beinahe seine Hand kosteten. Toller Auftritt, der mit einer genialen Coverversion von Queensryches "I Don't Believe In Love", an der sich Geoff Tate wahrscheinlich die Zähne ausgebissen hätte, gekrönt wurde.

Dio
Nun folgte auch schon der freitägliche Co-Headliner in Gestalt von keinem Geringeren als Ronnie James Dio, welcher seinen anderthalbstündigen Set dann auch passenderweise mit "King Of Rock'n'Roll" eröffnete. Diesen Titel kann sich der sympathische Lockenkopf zu Recht an den Hut schreiben, singt er doch mit bald 60 immer noch jeden Jungspund unter den Tisch, wuselt über die Bühne wie kein dritter (der zweite heißt Andy B. Franck und singt bei Brainstorm, s.o.) und hat so ganz nebenbei einige der größten Klassiker des Hardrocks verbrochen, die selbstverständlich den Großteil seines Auftritts einnahmen. Schon das folgende epische "Sign Of The Southern Cross" sorgte für Jubelstürme, genauso wie "Man On The Silver Mountain", "Stand Up And Shout", "Holy Diver", "Long Live Rock`N'Roll", das superatmospärische "Don't Talk To Strangers" und, und, und ... Für Songs neueren Datums war da natürlich nicht viel Platz, da war das Drumsolo wichtiger, und mal ehrlich - die Leute lieben Dio doch nur wegen seiner Klassiker. Der "Alte" machte seine Sache mehr als gut, aber kann es vielleicht doch sein, das sich der traditionelle Metal bzw. Hard Rock so langsam aber sicher totläuft? Es ist doch eigentlich ein Armutszeugnis, dass die Veranstalter des größten Metalfestivals Europas auf Bands wie Saxon, Motörhead, Doro/Warlock oder eben Dio setzen, die schon weit über 20 Jahre in der Szene rumgeistern und ihren Zenit eigentlich längst überschritten haben, weil jüngere erfolgreiche Bands in diesem Sektor fehlen, die in der Lage wären, ein solches Festival zu headlinen. Ich hoffe jedenfalls sehr, dass sich dieser Trend nicht fortsetzt, denn mit 70 werden es selbst Dio oder Lemmy nicht mehr machen und dann wird sich zeigen, ob die Kutte überlebt. Aber vielleicht sehe ich auch alles zu schwarz und sicher ist diese gewisse Antiquiertheit auch ein Markenzeichen des Metal. Abwarten!
Am Ende des DIO-Gigs, den ich ansonsten leider nicht sehen konnte, geschah etwas völlig Unerwartetes: Niemand geringeres als Joey de Maio von Manowar betrat die Bühne, um dem Altmeister höchstpersönlich den "Lifetime Achievement Award" für sein Lebenswerk zu verleihen. Leider konnte ich dem nicht allzulange beiwohnen, denn Eläkeläiset wollte ich dann doch nicht verpassen, denn die wurden mir als Humppa-Metal-Kapelle ähnlich wie Finntroll oder Ensiferum vorgestellt. Machen wir es kurz: Völlig falsch. Mit Metal haben die Finnen nun wirklich gar nichts am Hut. Eläkeläiset sind irgendwie volkommen eigenständig. Ein Schlagzeug, ein Bass und 4 Sänger, die die ganze Zeit über an einem Tisch sitzen, jeder mindestens einen halben Kasten Bier vor sich, sind nicht unbedingt das, was man auf einem Festival wie Wacken erwartet. Daher gibts erstmal skeptische Blicke aus dem Publikum. Als die Finnen dann aber loslegen und ihre A Capella- bzw. Volksmusik-mäßigen Coverversionen von altbekannten Hits wie "Smoke On The Water", "Living On A Prayer", "Run To The Hills" oder "We Are The Champions" zum besten geben, kennt das Publikum kein Halten mehr und folgt den Mannen auf der Bühne, die übrigens allesamt aussehen wie Hausmeister Krause, blindlings durch ein wirklich eigenartiges Konzert. Eläkeläiset wären die ideale Vorband für die nächste J.B.O.-Tour. Die muß man einfach mal gesehen haben!

Doro
Mich zog es dann erst zu Doro wieder vor die Mainstage und nicht nur ich war überrascht, als ich auf dem Weg dorthin auf einmal "Fear Of The Dark" zu hören bekam, gesungen von Ex-Maiden-Fronter Blaze Bayley. Unterstützt wurde er von einem ziemlich mächtigen Orchester, das sehr angenehm abgemischt war und dem Song wie auch allen folgenden mit ein paar dezenten Bläsereinsätzen einiges an Pepp verlieh. Bald kam auch Frau Pesch hinzu, die mit "I Rule The Ruins" gleich den ersten Warlock-Hit anstimmte. Natürlich kam auch ihr Solomaterial nicht zu kurz, und so konnte vor allem das tränentriefende "Für Immer" mit Orchesterbegleitung noch einiges an Schmachtfaktor zulegen. Später kam auch Blaze Bayley wieder und schmetterte uns noch "The Trooper" und aus seiner Maidenzeit "Man On The Edge" entgegen. Auch Savatage-Gitarrist Chris Caffery war bei einigen Songs mit von der Party und eigentlich sollte auch Udo Dirkschneider auf der Bühne stehen, um mit seiner Reibeisenstimme Doro beim Priestklassiker "Breaking The Law" zu unterstützen, doch das schaffte diese auch allein ganz gut, denn der Ex-Accept-Fronter war dummerweise verhindert. Dafür wird der Gute auf dem in diesen Tagen erscheinenden Album "Classic Diamonds" zu hören sein, welches die blonde Doro mit besagtem Orchester aufgenommen hat und quasi als kleiner Trost für alle durchgeht, die die tolle Wackenshow verpasst haben. Gratulation an Frau Pesch und alle, die an diesem aufwändigen Projekt mitgewirkt haben. Es sorgte für ein Abwechslung und Farbe im sonst so beinharten Wackenalltag :-). Die darauffolgende Warlock-Reunion habe ich dann zugunsten eines warmen Schlafsacks verpasst ...

3. Festivaltag - Samstag
Der Samstag begann für mich mit Bal Sagoth, die um 12 Uhr mittags doch schon den einen oder anderen aus den Zelten locken konnten. Mit neuen Drummer und vor allem strotzend vor Selbstbewußtsein begeisterten die britischen Epic-Black-Gothic-Irgendwas-Metaller mit kraftstrotzenden Songs, die einen guten Querschnitt durch die bisherigen 4 Alben boten. Vor allem das von Keyboards dominierte "Atlantis Ascendant" und das wechselhafte "The Splendour Of A Thousand Swords Gleaming Beneath The Blazon Of The Hyperborean Empire Part II" (Was für ein Songtitel, nich wahr?) sorgten für ordentlich Laune, und auch die Ankündigung, dass im Herbst ein neues Album erscheinen würde (von dem es auch schon einen Song zu hören gab) machte Hoffnung auf eine grandiose Tour, die laut Fronter durch ganz Europa und Amerika gehen wird ("und wenn das nicht reicht, hängen wir noch Südamerika, Australien oder sogar Japan dran ...").
Nachmittags um 5 Uhr zog es mich dann zur W.E.T.-Stage, wo um die Zeit Supersoma auftraten, und da die Jungs aus meiner Heimatstadt Mönchengladbach kommen, sah ich es schon fast als meine Pflicht an, deren Gig zu sehen. Und ich sollte nicht enttäuscht werden. Auch wenn sich nur 30-40 Nasen vor der Bühne trafen, lieferte die Band, die vor allem durch ihren hyperaktiven Fronter lebt, eine verdammt energiegeladene Show. Mit ihrem Mix aus Doom Metal und Stoner Rock, der ganz schön abging, konnten Supersoma immerhin einen Moshpit von 4 (!!!) Leuten auslösen, was bei den paar Zuschauern ein gutes Zehntel war. Leider hatten Supersoma stellenweise ein paar Soundprobleme, so gingen die Gitarren bei ansonsten guten Songs etwas unter. Die Jungs haben übrigens noch keinen Plattendeal, soweit ich weiß. Wird allerdings verdammt nochmal Zeit!
Für mich gings erst mit Death Angel so richtig los und Sänger Mark und seine Gang zeigten den in der Hitze brütenden Fans, wo ihre Grenzen lagen - und dabei war es erst früher Nachmittag, aber nach einer Stunde allerfeinsten BayArea-Thrashs, in der Knaller wie "Thicker Than Blood" oder "Stop" zum Zuge kamen, waren nämlich auch die allerletzten reif für die Insel. Was für ein Comeback!
Und mit Anthrax gings gleich munter thrashig weiter und das zahlreich erschienene Publikum rastete erneut vollkommen aus. In punkto Power und Liveintensität macht den New Yorkern ohnehin kaum jemand was vor, was sich in Hits der Marke "Caugh In A Mosh", "Indians" oder dem absoluten Megahit "Antisocial" wieder mal eindrucksvoll bewies. Anthrax sind schon irgendwie ein Phänomen, einerseits vollkommen old-school und doch irgendwie zeitgemäß und modern, ohne sich irgendeinem Trend anzubiedern. Nur wenigen Bands gelingt dieser Spagat.
Und Nevermore gehören definitiv auch dazu! Wie hatte ich mich auf die Amis gefreut und als die Nebelschwaden sich lichteten und die Band um Mr. Charisma himself, Warrel Dane die Bühne betrat, gab es kein Halten mehr. "Seven Tongues Of God" hieß der überraschende Opener und ganz Wacken glich einem Tollhaus. Weiter gings mit "This Sacrament" und "Enemies Of Reality" und es war schon beeindruckend, mit wie viel Energie die Jungs aus Seattle ihr Best Of-Programm runterrissen. Das war Dramatik und Power pur! Und Mr. Dane war wirklich unglaublich. Allein seine Präsenz und seine Ansagen verursachte Gänsehaut am laufenden Band, die dann spätestens bei "The Heart Collector" nicht mehr zu bändigen war. Dieser Song, gesungen aus tausenden Kehlen, war für mich das absolute Highlight des gesamten Festivals und trieb wohl nicht nur mir beinahe Tränen in die Augen. Nach dieser genialen Verschnaufpause war es dann an der Zeit für den kollektiven Ausraster in Gestalt des, ähm, etwas ungewöhnlichen Simon & Garfunkel-Covers "The Sound Of Silence". Sehr schade, dass dann nach "The River Dragon Has Come" schon wieder Schluss war. Ein denkwürdiger Auftritt ...
... nach dem ich eigentlich eine ausgedehnte Pause vonnöten gehabt hätte, aber so grausam kann Wacken sein - auf der Partystage spielten Thunderstone, die ich keinesfalls verpassen wollte. Und das wäre auch fatal gewesen, denn die Finnen hatten sich gegenüber ihrem letzten Auftritt in Wacken erheblich verbessert und rissen eine Show der Extraklasse runter. Man merkte ihnen den Spaß jedenfalls deutlich an und belohnt wurden sie von einem überdurchschnittlich großen Publikum, dass Kracher wie "Until We Touch The Burning Sun", "Break The Emotion" (vom aktuellen Album) oder "Father And Sun" und "Let The Demons Free", an denen sich Stratovarius wohl mittlerweile die Zähne ausbeißen würden, mächtig abfeierte. Toll!
Von dieser Form waren Helloween weit entfernt. Es war zwar schön, die deutschen Metalveteranen endlich mal live zu sehen, aber wirklich mitreißend waren die Kürbisköpfe nicht, da konnten auch Uraltklassiker wie "Starlight", "Keeper Of The Seven Keys" oder "Eagle Fly Free", mit denen Andi Deris stimmlich ohnehin so seine Schwierigkeiten hatte, nichts ändern. Da funktionierten die neueren Sachen wie "Hey Lord" oder "If I Could Fly" schon wesentlich besser. Was sich außerdem als extrem störend erwies, war der vollkommen durchgeknallte Michael Weikath, der mit seinen grenzdebilen Ansagen mehr als lächerlich wirkte und den sympathischen Deris mehr als einmal in Verlegenheit brachte, weil dieser ständig versuchen musste, den Auftritt zu retten. Zum Abschluss kam dann auch noch der "Special Guest" zum Zuge, obwohl eigentlich jeder wusste, wer das nur sein konnte. Klar, Gammastrahl Kai Hansen enterte die Bühne und zusammen schmetterte man den Publikumsliebling "Future World" ins Auditorium, das sich mit kollektivem Mitbrüllen artig bedankte.

Saxon
Und dann kehrten die Sachsen zurück. Nach ihrer unvergesslichen und auf DVD festgehaltenen Show 2001 schickten sich Saxon an, ihren großartigen Triumph zu wiederholen. Ob ihnen das gelungen ist, wage ich nicht zu beurteilen, da ich vor drei Jahren nicht anwesend war, aber besonders vom Hocker gerissen haben mich die Briten nicht, was wohl daran liegt, dass mir eigentlich nur die ganz großen Hits wie "Princess Of The Night" "Wheels Of Steel" und "Denim And Leather" (bei welchem auch Destructions Schmier und Chris Caffery mitposen durften) so richtig geläufig sind und mein Interesse einfach ein anderes war wie das der ca. 30000, die Saxon nach allen Regeln der Kunst abfeierten. Und objektiv gesehen kann man den 5 alten Herren kaum einen Vorwurf machen. Sie machten eine zweistündige glänzende Show, spielten eine völlig veränderte Setlist im Gegensatz zu ihrer Hallentournee und schafften es immerhin, ein seit drei Tagen völlig übermüdetes, durchgängig besoffenes und mittlerweile stimmloses Publikum noch einmal so richtig mitzureißen. Respekt
Um 00:15 Uhr war es dann endlich soweit: Schandmaul betraten die Party-Stage und legten los. Thomas Lindner, Sänger der Truppe, mußte dann doch eingestehen, dass man vor dem Auftritt ein bisschen Bammel hatte, denn schließlich gehören Schandmaul mit ihrem schelmischen Folk Rock nicht unbedingt zu dem, was 45.000 Metaller hören wollen. Trotzdem legte der sympathische Sechser ein Höllentempo vor, sodass Songs wie "Teufelsweib", "Walpurgisnacht", "Hexentanz", "Sichelmond" oder "Herren der Winde" die Fans, die doch sehr zahlreich erschienen waren, nicht nur zum Mit-Singen, sondern auch zum Pogen (Echt wahr!) animieren konnten. Aber Schandmaul haben noch weit mehr drauf als geradeaus zu dudeln. Instrumentals der Marke "Sturmnacht" (fungierte diesmal als Opener) und Gänsehaut-Balladen wie "Kalte Spuren" oder "Sonnenstrahl" schaffen die richtige Atmosphäre, um ein Konzert unvergesslich werden zu lassen. So unvergesslich, dass Schandmaul gerne nächstes Jahr wieder kommen dürfen.
Als letzte Band des Festivals standen J.B.O. auf dem Programm. Tja, was soll man sagen, wenn die Erlangener Blödelbarden schon mit "Verteidiger des Blödsinns" starten, können sie eigentlich nicht mehr viel falsch machen. Und so war es dann auch. Mitsingen tun sowieso alle, wenn Vito & Co "Die Schlümpfe" loslassen, und wenn dann noch Luciano Pavarotti aka Hannes in Verkleidung die Bühne betritt, bleibt kein Auge mehr trocken, vor allem wenn dieser mit der Band "Highway To Hell" spielt, freilich erst nach der Erklärung, dass das hier ein Metal-Festival sei und keiner hier Opern hören will. Vom neuen Album gabs neben der leider sehr schwachen Single "Gänseblümchen" mit "Glaubensbekenntnis" das ultimative ebensolche für Rock'n'Roller. Als Vito den letzten Mitsing-Teil des diesjährigen Wacken Open Air ankündigte, war allen ein wenig schwermütig ums Herz, doch es hätte keinen besseren letzten Song geben können als "Ein Fest", denn das war es wirklich.

Metaller aller Länder, vereinigt euch!

Fazit: Meines Erachtens ist es den Veranstaltern auch dieses Jahr wieder gelungen, den Fans aus aller Welt ein Festival der Superlative ohne größere organisatorische Pannen zu kredenzen. Das Billing war stark (wenn auch längst nicht so gut wie in den Vorjahren, aber das ist vielleicht Geschmackssache), der Sound vor den Bühnen meist gut bis sehr gut, auch die soundtechnische Abstimmung mit Party- und Blackstage war dieses Jahr deutlich besser gelöst. Darüber hinaus traf die Entscheidung, insgesamt weniger Bands zu holen und dafür mehr Spielzeit zu geben, auch überwiegend auf Zustimmung, und so spielten auch schon die namhafteren Nachmittagsbands bis zu einer Stunde (z.B. Anthrax, Nevermore), anstatt diese wie bisher mit 35-45 Minuten abzuspeisen. Sehr negativ fiel eigentlich wie jedes Jahr die allgegenwärtige Abzocke auf, angefangen beim Bier für 3 Euro (ein Maß kostete gar 7 Eier), das Minifestivalbändchen für 2,50 oder der Toilettenbesuch für den selben Preis. Das ist einfach kein Metal mehr, dieser Wucher! Zu bemängeln war außerdem die Wasserversorgung auf den Campingplätzen, die über die üblichen und verständlichen Engpässe hinaus mehr als lückenhaft war. Teilweise standen die dürstenden Metaller 24 Stunden in brütender Hitze ohne Wasser da. Vielleicht sollten die Veranstalter doch wieder ein wenig kürzer treten und sich weniger um die Einnahmen als um die Fans kümmern, die dieses Festival schließlich so groß gemacht haben. Trotz aller Kritikpunkte werde ich wohl auch nächstes Jahr bei der 16. Auflage des Wacken Open Air dabei sein, denn dieses Festival ist und bleibt (hoffentlich) Kult!

Originalversionen der Fotos: www.metaltix.de






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