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von rls

J.B.O.: United States Of Blöedsinn   (Blanko Musik/BMG)

Die Rosa Armee Fraktion schlägt ein weiteres Mal zu und eckt in gewohnter Weise hier und da an. Nachdem man es sich vor einigen Jahren schon mit der Unterwelt verscherzte (remember die T-Shirts "Satan ist doof"?), wird's auf der neuen CD "United States Of Blöedsinn" gar politisch: Man macht sich die schon jahrhundertealten spalterischen Tendenzen im bayrischen (Ex-)Königreich zunutze und ruft kurzerhand die titelgebenden "United States Of Blöedsinn" ins Leben, vergibt auch gleich die ersten Orden dieses Landes (welche selbstredend den vier J.B.O.-Protagonisten theirselves verliehen wurden) und verkündet die Gründung dieses neuen Staates auf eine Pressekonferenz an Sender von Weltgeltung wie RDL Frangn oder Contra8. Inwieweit der Blöedsinn als befriedendes Allheilmittel dieser unserer Welt tauglich ist, darf zwar bezweifelt werden, da es im restlichen Deutschland nach wie vor Sendungen Marke "7 Tage 7 Köpfe" gibt, aber falls sich der Raum Nürnberg/Fürth/Erlangen in Zukunft tatsächlich zu einer humoristischen Hochburg entwickeln sollte, Lebkuchen anstatt einer braunen plötzlich eine rosa Glasur bekommen und das Reichsparteitagsgelände zur Kulisse für die mit Dieter Hildebrandt wiederbelebten "Scheibenwischer"-Sendungen wird, kann man ja nochmal über die These der United States Of Blöedsinn mit Rock'n'Roll als Religion nachdenken. Religion kommt auch an anderen Stellen der 13 regulären Songs vor; so verbraten die Franken gleich im Opener "Glaubensbekenntnis" alle möglichen liturgischen Elemente in Umdeutung auf den Rock'n'Roll - es wird also der heilige Cozy Powell angefleht, er möge für uns trommeln (was der zu spät Geborene ja immerhin noch auf Göttergaben wie MSGs "One Night At Budokan" oder Rainbows "On Stage" nachhören kann), wir werden (mit Unterstützung durch die Wacken-Chöre, die man sich von Subway To Sally ausgeliehen haben dürfte) mal eben an den Rock'n'Roll verheiratet, und die These vom Heavy Metal als eingeborenem Sohn des Rock'n'Roll weist sogar musikgeschichtliche Relevanz auf, auch wenn hier mit Judas Priest und Iron Maiden die Geburtshelfersituation strukturell bedingt etwas umgedeutet werden mußte (Black Sabbath paßten offenbar nicht ins Konzept). Der bekanntermaßen doofe Satan bekommt in Song zwei auch mal wieder sein Fett weg - in "Satan ist wieder da" kommt er nach diversen Erdenausflügen wieder in die Hölle zurück. Dort hat ihn, wie wir von Rex Gildo wissen, Franz Josef Strauß ausgezeichnet vertreten und gleich noch ein paar Reformen eingeführt, die dem Schwefligen zum Verhängnis werden, da er sich eigentlich sicher ist, daß es in Satans Hölle keine Fallgruben gibt. Selbiger Song ist eine von diesmal nur zwei Coverversionen auf der CD (und dazu einer, dessen Originalinterpret meinem musikalischen Gedächtnis entfallen ist); die zweite stellt eine im Vergleich mit dem Original textlich noch stärker polygam orientierte Version von "Tutti Frutti" dar. Soll heißen: J.B.O. haben diesmal überdurchschnittlich viele Eigenkompositionen abgeliefert und musikalisch nochmal gehörig an Power zugelegt, so daß ein Song wie "Gänseblümchen" brutales Aggro-Riffing und treibende Schlagzeugparts zu einem Ergebnis verknüpft, das man sonst eigentlich eher von Bands wie Pantera oder Machine Head erwartet. Besagtes "Gänseblümchen" (übrigens auch als Single ausgekoppelt) offenbart allerdings auch eine Schwäche der CD, denn diesem Song (der Aggro-Part ist mit einem romantischen Liebestext verbunden, der kammermusikalisch orientierte Mittelteil dagegen mit einem Splattertext, welchselbiger im Hidden Track wortlos noch verstärkt wird) fehlt die Eleganz, mit der beispielsweise Die Ärzte ähnliche Musik-Text-Konfliktsituationen behandelten (man erinnert sich immer wieder gern an die fröhlichen "Ich will sterben"-Singalongs auf "Planet Punk"). Auch "Ich will ein neues Ich" und "Katastrologie" hauen einen nicht unbedingt vom Hocker, wenngleich einige gute Ideen verbraten wurden, die aber nicht die ganzen Songs tragen können. Und drei Selbstbeweihräucherungshymnen (neben dem Titeltrack noch "The Kickers Of Ass", zu den denglischsten Tracks der CD zählend, sowie "J.B.O. wird niemals sterben") sind irgendwie auch eine zuviel, wenngleich man so die Auswahl hat, welche man live intonieren möchte (wobei zu befürchten ist, daß dadurch die geniale Adaption von Manowars "Carry On" verdrängt wird), und alle drei streng genommen alles andere als schlecht sind. Erstaunlicherweise sind es aber die psychotischen Tracks, die der Band am besten gelungen sind - Bassist Ralph Bach steuerte das drogengeschwängerte "Voll im Arsch" bei, bei dem nicht ins Gewicht fällt, daß er nicht der weltbeste Sänger ist, und das Interludium "Im Ideenladen" bringt ein Bandmitglied zu Gehör, das in ebenjenem Laden eine Kiste alter Ideen im Sonderangebot für einen Euro pro Stück erwirbt, die dann prompt im regulären Abschlußtrack "Das vokuhilische Pendel" verwurstet werden, das mit herrlich pseudophilosophischen Texten der Marke "Meter, Zentimeter, Millimeter / Teer, Zentiteer, Militär / Gott Vater, Gott Sohn, Godilla" aufwartet und musikalisch einen partiell eher collagenhaften Charakter besitzt. Sauber und fett produziert, bleibt nach Anhören der CD trotzdem der Wunsch offen, daß die eine oder andere Idee noch konsequenter hätte umgesetzt werden können, das eine oder andere Riff nicht ganz so bekannt klänge und eine der Selbstbeweihräucherungen noch einer der aus der Vergangenheit bekannten und beliebten kongenialen Coverumsetzungen hätte weichen können. Den Anstoß dazu gibt die Band eigentlich selbst, indem am Ende des Leerlaufs im Hidden Track noch die bitterböse Oomph!-Anspielung "Beckstein, Beckstein, alles muß versteckt sein" geflüstert wird. Da wäre also noch mehr drin gewesen, wiewohl "United States Of Blöedsinn" auch im Jetztzustand zweifellos im oberen Bereich der Skala anzusiedeln ist.
Kontakt: www.blankomusik.de, www.jbo.de

Tracklist:
Glaubensbekenntnis
Satan ist wieder da
Gänseblümchen
Katastrologie
United States Of Blöedsinn
Ich will ein neues Ich
The Kickers Of Ass
Tutti Frutti
Voll die Weisheit
Voll im Arsch
J.B.O. wird niemals sterben
Im Ideenladen
Das vokuhilische Pendel
Hidden Track



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