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Gothic Christ II mit Virgin Black, Dead Turns Alive, Exaudi   05.06.2003   Leipzig, Rabet
von rls

Erfreulicherweise scheint sich diese Veranstaltung tatsächlich zum Dauerauftrag zu entwickeln: Auch anno 2003 luden die Jesus Freaks Leipzig am Donnerstag vor dem Wave Gotik Treffen ein, um die christliche Abteilung der schwarzen Szene vorzustellen. Man hatte zudem aus einigen organisatorischen Schwierigkeiten des Vorjahres gelernt; so gestaltete sich beispielsweise die Gigdurchführung bedeutend zügiger, so daß die letzte Band nicht wie im Vorjahr erst 1.30 Uhr die Bühne verließ - immerhin befand sich auch arbeitende Bevölkerung im Publikum. Die großen Zuschauerumwälzbewegungen des letzten Jahres bekam man mit dem Erheben eines moderaten Eintritts von 5 Euro ebenfalls erfolgreich in den Griff.
Nachdem 50% von Exaudi letztes Jahr als Zuschauer anwesend waren, standen diesmal 100% Exaudi als Opener auf der Bühne, sofern man Co-Sängerin Virginie nicht als festes Mitglied wertet. Die lag diesmal allerdings krank im Bett, und so strich die Band ihre Passagen ersatzlos, Thoralf allein den Gesang überlassend, den er wieder in bewährter Weise zwischen tiefem Klargesang und mäßig extremem Gebrüll anlegte. Die Dresdner konnten ihren Gothic Metal diesmal in einem sauberen Soundgewand darbieten und wußten einmal mehr mit intelligentem Songwriting zu überzeugen, worunter sich mit "Das Schloß" und besonders dem extrem schleppenden "Suche nach Licht" auch wieder feinste Kost für die Doom-Liebhaber fand. Das Material des letzten Demosilberlings dagegen blieb komplett außen vor. Neu-Keyboarder Tobias hat sich schon gut in die Formation eingefügt, könnte für meinen Geschmack musikalisch aber durchaus noch etwas mehr aus sich herausgehen und variabler agieren, was nach wie vor auch für Drummer Andreas gilt. Trotzdem ein gutklassiger Gig der Landeshauptstädter, der zudem über weite Strecken headbangkompatibel blieb, was für angenehme Luftbewegung im sehr überhitzten Saal sorgte.
Dead Turns Alive bewirkten anschließend bei Teilen des Publikums eher das Gegenteil, denn mit der teils angedüsterten Elektronikmucke konnten nur wenige der Anwesenden etwas anfangen. Wäre unser Spezialist für solche Klangerzeugung Mike Langer vor Ort gewesen, hätte dieser vielleicht eine detailliertere Einschätzung geben können als ich. Die Sinnhaftigkeit einer Livedarbietung solcher "Bands" erschließt sich dem rockmusikgeübten Betrachter sowieso nur schwer - wenigstens glaube ich bemerkt zu haben, daß zumindest der Leadgesang live war und nicht vom Band kam. Wofür dagegen die beiden Gestalten rechts und links des Sängers (die eine in eine Art Müllsack meets Weltraumanzug, die andere in einen Schlafrock gehüllt) zuständig waren, konnte ich nicht ermitteln; zumindest der eine machte den Eindruck, als ob er mittels eines Sequenzers von Zeit zu Zeit für eine Klangerzeugung verantwortlich sei. Musikalisch allerdings wurde ich phasenweise mit Grausen an die (pflichtschuldig vor dem redaktionsinternen Weiterverteilen einmal durchgehörte) aktuelle CD "White Lights" von T.O.Y. erinnert (sowas wie De/Vision für Arme oder manchmal gar an bitterste Stunden der NDW reminiszierend). Nachdem von den ersten sechs Songs fünf mehr oder weniger gleich geklungen hatten, verließ ich, meine Rezensentenpflichten hintan stellend, fluchtartig den Saal. Wie gesagt: Einigen wenigen im Publikum gefiel's offenbar (man hörte dünnen Applaus zwischendurch) - mir nicht.
Für den Headlinerposten hatte man wie schon im Vorjahr eine ausländische Band verpflichtet und wie seinerzeit mit Morphia diesmal mit Virgin Black ebenfalls einen ausgezeichneten Griff getan. Für die Australier war es ein ganz besonderer Gig, nämlich ihr erster auf europäischem Boden überhaupt. Und was für einer! Die Ausnahmestellung des Fulltime-CD-Debüts "Sombre Romantic" im Düstermetalsektor ist ja bereits im CD-Review angeklungen, und meine Bedenken ob der Liveumsetzbarkeit dieser phasenweise fast kontemplativen Tracks zerstreute die Band schon in den ersten Minuten. Während der ruhigen und orchestralen Parts herrschte eine fast knisternde Spannung in der Luft, die sich dann in wohldosierten Metalparts gewitterartig, aber doch immer noch sanft entlud. Dazu dann noch die Wärme von Samantha Escarbes wunderbaren Gitarrenleads und der ausziselierte mehrstimmige Gesang - das reichte als Zutatenliste für einen Zaubergig eigentlich schon aus. Na gut, einen brillanten Sound braucht man noch - den hatten Virgin Black aber auch. Sie spielten fast das komplette Album durch, dazu noch einen Track vom Ende Juli erscheinenden neuen Album "Elegant ... And Dying" und zwei ältere Songs. Wenn der neue für das nächste Album repräsentativ sein sollte, steht uns da ein erneuter Oberknaller ins Haus. Personell hat sich nichts geändert, obwohl man schon zweimal hinschauen mußte, um den Bassisten zu identifizieren, der anstelle einer Glatze jetzt eine veritable Langhaarfrisur trug. Eine große Bühnenaction benötigten Virgin Black nicht, um die Zuhörer in ihren Bann zu ziehen - die simple Präsenz reichte aus, und die in den Ansagen deutlich werdende bescheidene Fast-In-Sich-Gekehrtheit in Kombination mit etwas trockenem Humor von Sänger/Keyboarder Rowan rundete das Ganze perfekt ab. Ein Gig der Kategorie "Was zum Erzählen für die Enkel" und zugleich ein würdiger Abschluß für Gothic Christ II (trotz der meines Erachtens fehlbesetzten Dead Turns Alive).



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