www.Crossover-agm.de VIRGIN BLACK: Sombre Romantic
von rls

VIRGIN BLACK: Sombre Romantic   (Massacre Records)

Daß Australien in puncto düsteren Metals keinesfalls eine einzige Einöde ist, weiß man spätestens seit Paramaecium. Nun kommen Virgin Black mit ihrem Fulltime-Debüt daher und unterstreichen diese These ein weiteres Mal. Dabei sollte man den Terminus "Metal" aber etwas mit Vorsicht gebrauchen – er weckt sonst Erwartungen, die Virgin Black trotz doppelt besetzter Gitarrenfraktion weder erfüllen können noch wollen. Der klassische Saitenstreicher auf dem Cover ist schon ein erstes Indiz dafür, daß es auf "Sombre Romantic" phasenweise sehr orchestral oder auch einfach nur gotisch-düster zugeht, wozu Rowan Londons meist pathetisch-flächiger Gesang sein Scherflein beiträgt. Orff-verdächtige Gesangsbögen in "Walk Without Limbs" scheinen auf den ersten Hör ein weiteres Zeichen darzustellen – der Rest des Songs unterstreicht, daß sie es nicht sind und daß Virgin Black innerhalb ihres Klanguniversums machen, was sie wollen: Elektrobeats und ein monotones Riff, dessen Tonfolge auch von den Keyboards verarbeitet wird, schaffen ein völlig unkategorisierbares Stück Musik. Natürlich kann man vom Gesamtbild her Saviour Machine heranziehen – aber trotz ebenfalls nicht gerade unopulenter Ausgestaltung ist "Sombre Romantic" keineswegs so dicht inszeniert wie beispielsweise die "Legend"-Saga. Natürlich kann man auch die Leadgitarren mit My Dying Bride vergleichen – das Bemerkenswerte an diesen bittersüßen, kalt-warmen Doom-Harmonien ist im Falle von Virgin Black, daß sie von einer Frau gespielt werden. Und noch bemerkenswerter, ja, in einer Gothic- oder Gothic Metal-Band nahezu ein Novum: diese Frau namens Samantha Escarbe hält sich von jeglichen Gesangsmikros fern! Dafür kennt sie vielleicht Empyrium – die wunderbaren Nicht-nur-Akustikgitarren in "Museum Of Iscariot" (ein Kleinepos in drei Teilen) rufen bei mir nämlich ähnliche Emotionen hervor wie die auf "Songs Of Moors And Misty Fields". Das Stichwort "Emotionen" ist übrigens ein ausgezeichnetes, denn damit ist die komplette Dreiviertelstunde durchsetzt, aber nicht überfrachtet (letztgenannten Fakt mögen einige Nörgler anders sehen). Erheblichen Anteil daran hat Rowans Gesang, der sich indes nicht selten vom hauptsächlich eingesetzten klagenden Stil entfernt und selbst vor blackmetallischem Gekreisch nicht haltmacht (der Anfang von "Drink The Midnight Hymn" könnte gar von Cradle Of Filth stammen, der Song wechselt aber bald in näherliegende Gefilde über). Aber auch sein Tastenspiel fügt sich gekonnt in die Emotionenerzeugerkreise Virgin Blacks ein. Und was für eine Wärme Celli erzeugen können (egal ob sie natürlichen oder synthetischen Ursprungs sind – zu präferieren wären im Zweifel natürlich erstgenannte, die ich auch auf "Sombre Romantic" wähne, dies indes nicht mit fixierten Informationen untermauern könnend), wissen wir auch nicht erst seit gestern. Kälte gibt’s auch, wenn sie denn dem Song nützt, und so lebt "Lamenting Fire" vom Gegensatz zwischen ruhigen Parts mit Elektrodrums und fettem, natürlichem Gothic Metal, bevor das Solo diverse Einzelkomponenten der genannten Parts kombiniert und in einer wunderbaren Gitarrenmelodie gipfelt. Auch die anderen Songs strotzen nur so vor Einfallsreichtum (man achte mal auf die sitarartige fallende Quarte in "Weep For Me", einem kurzen instrumentalen Interludium, das Anathema in ihrer Frühzeit bestimmt mit Kußhand auf eine ihrer Platten übernommen hätten), und ich hätte mich hier auch gerne noch über den vermuteten lyrischen Einfallsreichtum dieses christlich spiritualisierten Quintetts ausgelassen, wenn man mir denn mal noch ein Textblatt spendiert hätte. Aber was nicht sein soll, soll halt nicht sein. Letzten Endes kann ich nach einer zweistelligen Anzahl an Durchläufen nur einen kleinen Negativaspekt festzurren: Einige Stilbrüche innerhalb der Songs sind etwas arg rauhbeinig ausgefallen und reißen einen unsanft aus den Armen des Gottes der Liebe, in die man sich soeben hineinbegeben wollte. Aber spätestens die einfach nur noch schönen Sologitarren im abschließenden "A Poet’s Tears Of Porcelain" versöhnen einen endgültig und lassen "Sombre Romantic" zum Pflichtprogramm auch für der metallischen Muse sonst wenig zugeneigte Musikliebhaber werden.
Kontakt: www.massacre-records.com



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