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Brain:FAQ, Sacrificium   02.11.2002   Chemnitz, ZV-Bunker
von rls


Da muß man sich zeitnotbedingt schon mal drauf verlassen, daß Konzerte im ZV-Bunker eh nie pünktlich losgehen, läuft dementsprechend erst eine reichliche halbe Stunde nach Anstoßzeit ein und stellt fest, daß man das Vorprogramm doch schon zu wesentlichen Teilen verpaßt hat - auch wenn sich dieses etwas anders gestaltete als geplant. Die Reichenbacher Death Metaller Artless hatten nämlich krankheitsbedingt kurzfristig absagen müssen, und es gelang nicht mehr, einen "richtigen" Ersatz herbeizuzitieren. Statt dessen enterten kurzerhand die Burgstädter Advice die Bühne, von denen der größte Teil der Musiker im Publikum anwesend war, und hobelten drei Exempel Deutschpunk herunter, nachdem bereits eine All-Star-Band auf der Bühne gestanden hatte: Patrick (dr, Ex-Overhead), Martin (b, Strange Ahead, Ex-Pious Chaotz), Oliver (g, My Darkest Hate, Sacred Steel - kein Witz, der fuhr tatsächlich die Tour als Gast mit) und Claudio (v, Sacrificium) intonierten ein Werk aus der Kompositionsgeschichte der Ramones und setzten ihr Schaffen nur deshalb nicht fort, weil Claudio nach diesem Song seinen Ausstieg ankündigte und niemand aus dem Publikum seine Stelle einnehmen wollte (obwohl noch einige Sangesleute anderer Bands anwesend waren).
Für Sacrificium hätte die laufende Tour eigentlich zur Promotion des neuen Longplayers dienen sollen, doch der war schlicht und einfach nicht rechtzeitig fertiggeworden, was bei Claudio zu einer Art Standardansage führte: "Der nächste Song ist auch auf unserem neuen, bald erscheinenden Album ..." Hatte der baumlange Ex-Leistungsschwimmer auf der Extol-Tour und beim Lord'sParty-Gig anno 2001 aufgrund einer Handverletzung nicht Gitarre spielen können (Christian von Acoustic Torment war als Ersatz eingesprungen), so hat er den Sechssaiter mittlerweile gänzlich abgegeben und nimmt nur noch den Posten am Frontmikro ein. Dabei merkte man ihm im Vergleich zu 2001 eine deutlich gewachsene Routine an (seine bewegungstechnischen Freiheiten nutzte er ebenfalls weidlich aus und war der Bangaktivste auf der Bühne), nur an seinen Ansagen muß er noch etwas feilen, denn die kommen etwas zu zurückhaltend aus ihm raus, und da ist es schwer, ein Publikum zu packen (wenn die erste Reihe nicht gerade zur Hälfte aus CrossOver-Redakteuren besteht, die die Band eh schon kennen und schätzen :-)), obwohl das Auditorium insgesamt doch gut mitging. Claudios Gitarrenverpflichtungen übernahm übrigens eine recht hübsche Dame namens Ulrike Uhlmann, die nicht allzu lange vor der Tour eingestiegen war und deshalb zum Stageacting nichts weiter beitrug, sondern sich aufs korrekte Spielen konzentrierte (was sie in solider Weise bewältigte). Der Rest der Band bewegte sich auf gewohnt hohem Niveau quer durch das hauptsächlich neueren Datums entstammende Material, das eine weniger doomige Death Metal-Ausrichtung des neuen Albums vermuten läßt, auch wenn die Geschwindigkeit von "Paupers Grave" (an zweiter Stelle intoniert) eine Art Obergrenze für Sacrificium darzustellen scheint. Besagtes "Paupers Grave" sollte der einzige Track vom "Mortal Fear"-Demo bleiben - meinen Immer-noch-Favoriten "Psalm Of An Unborn" hatte man leider aus der Setlist gekickt (auf der laufenden Tour muß er die Tage zuvor aber noch erklungen sein, wurde mir berichtet), aber "Zustand: Tot" kommt ihm langsam gefährlich nahe und wird ihn nach intensiver Beschäftigung mit der Konserve vielleicht sogar mal ablösen. Ohne eine Zugabe kamen Sacrificium nicht von der Bühne - die aber mußten sie wieder mal ohne Olivers Gitarre zu Ende spielen, welche ihren Geist unterwegs aufgab, was sie auf dieser Tour nicht zum ersten Mal tat und auch schon auf erwähntem Lord'sParty-Gig getan hatte. Die etwaigen künftigen zweiten Gitarristen von Sacrificium können sich ja schon mal drauf einstellen ...
Die neue CD von Brain:FAQ namens "Nutze die Zeit" war im Gegensatz zu der von Sacrificium rechtzeitig fertiggeworden, so daß der Deklaration dieses Gigs als CD-Release-Party nichts im Wege stand. Dies führte dazu, daß sich unter den knapp 200 Anwesenden auch diverse Bandmitgliederelternteile befanden, welche mit Äußerungen wie "Doch, der Robert, der kann auch richtig singen" für Heiterkeit unter den Umstehenden sorgten. Die Stollberger lieferten jedenfalls wieder mal einen sehr energiegeladenen Gig ab (es herrschte nicht wenig Bewegung auf der Bühne), der zumindest im ersten Teil an manchen Stellen aber leicht zerfahren wirkte. Das dürfte eine einfache Ursache haben: Das Material des neuen Longplayers, auf das man sich anfangs konzentrierte, hat in puncto Sperrigkeit ein gutes Stück zugelegt, weist viele Tempowechsel auf und schaufelt sich nur selten so konsequent und alles plattwalzend nach vorn wie noch der größte Teil des älteren Schaffens. Moshen im 5/8-Takt stellt bei ungenügender Werkkenntnis (und die war logischerweise beim Großteil des Auditoriums gegeben) halt eine akute Schwierigkeit dar. Generell moshkompatibel ist der Neo Thrash der Erzgebirgsbewohner natürlich immer noch, aber die frenetischsten Publikumsreaktionen ernteten erwartungsgemäß (noch) die alten Klopfer (von denen "Niemand" leider durch Abwesenheit glänzte, aber beispielsweise "Explode" völlig abräumte). Brain:FAQ verzettelten sich allerdings auch in den komplexeren Strukturen nicht, spielten gut zusammen, sangbrüllkreischten sehr variabel und hatten wieder einige hymnische Refrains am Start, die man auch im alkoholisierteren Zustand noch hätte mitskandieren können. Wie schon Sacrificium zuvor beschränkten sie sich auf eine kurze Message (dafür war Bassistin Silvia zuständig) und ließen ansonsten positive musikalische Taten sprechen. Natürlich kamen auch sie nicht ohne Zugaben davon. Nach zwei Songs verließen sie die Bühne erneut, das Licht ging an, die Konservenmusik begann aus den Speakern zu schallen, doch einige Enthusiasten vor der Bühne gaben sich immer noch nicht zufrieden, und tatsächlich kamen Brain:FAQ nochmals zurück, einen sonst eher metallischen Track mittels einer A-Cappella-Geräuschkulisse (mit akustischer Umsetzung aller nötigen Instrumente) intonierend. Ein erzgebirgisches Volkslied als Steigerung des Schlußgongs ersparten sie sich aber leider (dabei wäre "'s is Feierobnd" doch geradezu prädestiniert gewesen, auch wenn die Idee schon andere hatten).



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