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Extol, Sacrificium, Revenge Of Insanity     30.11.2001    Zwickau, Alarm
von rls

Exakt 100 Zahlende verzeichnete dieses Package an einem witterungstechnisch keinerlei Probleme aufwerfenden Abend - kein Verhältnis eigentlich zur musikalischen Qualität und zudem die erste längere Extol-Tour in deutschen Landen, nachdem man die Norweger bisher nur auf Einzelgigs zum Freakstock oder zur CRN hatte sehen können. Egal - zwei Vorteile hatte das im Vergleich zu Mortification schwächere Publikumsinteresse: Erstens konnte man in aller Ruhe vor sich hin bangen, ohne ständig von pogenden Gestalten umgeworfen zu werden (bzw. man konnte sich in eine ruhigere Ecke verziehen), und zweitens stand der Sauerstoffgehalt in der Luft in angenehmerer reziproker Relation zur Innentemperatur als seinerzeit im Juni.
Revenge Of Insanity waren die einzige nicht dem christlichen Spektrum zuzurechnende Band des Abends (irgendwo hatte ich zwar noch was von Eos gelesen, aber das schien eine Fehlinformation gewesen zu sein). Was uns der Sänger mitteilen wollte, konnte man sowieso nicht vernehmen, weder wenn er brüllte noch wenn er kreischte. Der Fünfer gab sich große Mühe und zeigte ein energiereiches Stageacting, wurde aber etwas von den Soundverhältnissen ausgebremst, die dafür sorgten, daß ich beispielsweise die Leistungen der Gitarristen nicht bewerten kann und will, da ich dieselben nur selten zu Gehör bekam. Dafür zeigte der Trommler eine sehr ansprechende Darbietung (er war auch deutlich zu vernehmen). So richtig schienen sich Revenge Of Insanity (die scheinbar aus dem Umkreis von Sacrificium stammen und deshalb wohl mit ins Billing gerutscht waren) nicht entscheiden zu können, ob sie nun lieber Death oder Black Metal machen wollten, und deshalb mixten sie kurzerhand den einen mit dem anderen. Auffällig war auch die Zusammenstellung ihrer Setlist: Standen am Anfang eher Tracks, die in Hochgeschwindigkeit vom Start zum Ziele bretterten (wobei wie gesagt der Drummer durch präzises Geprügel auffiel), kamen gegen Setende eher die episch angelegten und tempomäßig variableren Stücke zum Zuge, die größtenteils recht spannend inszeniert waren und in denen der Sänger auch mal cleane Vocals zum besten gab, die man aber ebenfalls nur mit großer Mühe raushörte. Das Publikum spendete freundlichen Applaus, aber so richtig böse war wohl auch niemand, als Revenge Of Insanity fertig waren - Potential hat die Truppe, aber so richtig umgehauen hat sie an diesem Abend wohl niemanden, zumal sie vorher nahezu niemandem bekannt gewesen sein dürfte.
Da hatten Sacrificium schon eine bessere Ausgangsposition, aber für die eine oder andere Überraschung waren auch sie gut. Schon beim Umbau fiel mir auf, daß kein Keyboard auf die Bühne getragen wurde. Die Auflösung bekam das Auditorium bald vorgesetzt, denn der vormals neben dem Frontmikro dieses Instrument bedienende Roman Wagner gehört aus familiären Gründen nicht mehr zur Band, und die Tastenparts waren entweder ganz gestrichen oder (wie im Mittelteil von "Psalm Of An Unborn") auf die anderen Instrumente umgelagert worden. Am Frontmikro agierte nun der etatmäßige zweite Klampfer Claudio (daß der eine noch extremere Growlröhre als Roman hat, war mir schon beim Sacrificium-Support für Deuteronomium aufgefallen), allerdings konnte er wiederum nicht Gitarre spielen, da er sich den Daumen gebrochen hatte, weswegen Christian von Acoustic Torment einsprang und diese Aufgabe ohne Probleme bewältigte. Man merkte Claudio an, daß er in seine Aufgabe als Frontmann noch ein bißchen hineinwachsen muß (so übernahm Bandkopf/Gitarrist Oliver den Großteil der Ansagen und auch die Message), aber die Jungs zeigten sich erfahren genug und spielten einen mehr als soliden Gig, begünstigt auch durch bessere Soundverhältnisse als beim Opener. Oliver hatte in der Vergangenheit ja bereits angekündigt, daß Sacrificium geschwindigkeitsmäßig etwas zulegen würden, und das machte der Gig auch deutlich, auch wenn mir persönlich das über zehnminütige, bisweilen etwas elegische Doom-Death-Opus "Psalm Of An Unborn", das zu meiner großen Freude dann auch als letzter Track gespielt wurde, nach wie vor am besten gefällt. Im Publikum flogen die Haare aber auch zum schnellen deathmetallischen Gebretter von Tracks a la "Paupers Grave", und letztlich mußten Sacrificium außerplanmäßig sogar noch für 'ne Zugabe zurück auf die Bühne.
Extol stellten die Banger im Publikum dann vor akute Probleme: In welchem Tempo soll man zu diesem progressiven Black-Death-Gemisch bangen, wenn der Drummer dem Basser Achtel vorgibt, dieser aber Dreiertakte zu spielen hat, die Gitarristen wieder was anderes machen und das Ganze dann wundersamerweise auch noch zusammenpaßt? Die Band selber schien es zu wissen, denn die Matten auf der Bühne waren fast permanent am Kreisen, egal wie schwierig die Passagen zu spielen waren. Drauf ein Sänger, der sich derart die Seele aus dem Leib kreischte, daß man unwillkürlich ein Kratzen in der eigenen Kehle verspürte und bei dem auf den ersten Hör keiner vermutet hätte, daß er an der Spitze einer christlichen Band steht. Begünstigt durch einen relativ klaren Sound (auch wenn dieser im Verlaufe des Sets immer lauter wurde) spielten sich Extol quer durch ihre Geschichte und nahezu in einen Rausch. Wenn - wie mal im Rock Hard postuliert - Emperor die Rush des Black Metal sind, dann sind Extol die Dream Theater des Black Metal (möchte nicht wissen, was ich mir für einen Begriff ausdenken muß, wenn ich irgendwann mal Tors Zweitband Lengsel zu hören bekomme). Oder eher die Dream Theater des Death Metal? So richtig viel mit Death Metal hatten Extol in meinem Ohr allerdings nicht am Hut, allenfalls noch mit der Göteborger Schule, aber auch wiederum nicht mit deren zahlreichen Zitaten aus dem traditionellen Metal, weswegen sie (musikalisch wohlgemerkt) irgendwie näher an Dimmu Borgir als an Entombed sind und allenfalls noch mit Death und Sadus in einen Topf geworfen werden könnten. Teile des Publikums überforderte und ermüdete die Komplexität der Tracks deutlich, der Rest aber feierte die fünf Norweger lautstark ab, obwohl nicht wirklich viele mit dem Liedgut vertraut gewesen sein dürften (sicheres Zeichen für diese These: Nach dem letzten Ton der einzelnen Tracks war erstmal mehrere Sekunden Ruhe, und man überzeugte sich, daß der Song auch wirklich zu Ende war, bevor man applaudierte). Leider ließen sich Extol nicht zu einer Zugabe hinreißen, aber sie waren trotzdem ein Ereignis der Oberklasse.
 






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