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Freakstock
6.-9.08.1998 Gotha, Pferderennbahn Boxberg
von
Markus Eckhardt
Sag mir, wo die Pferde sind
...?
Es ist Donnerstag, der 6. August
1998. Pferderennbahn Boxberg bei Gotha.
Im weiten Rund kein Pferd
zu sehen, dafür aber eine Menge Zelte und eine bunt gemischte Menschenansammlung
von mehr oder weniger gesty1ten Punks, Rockern, Kahlköpfen, Normalos,
Säuglingen und Ergrauten, welche die vierbeinigen Freunde für
vier Tage verdrängten. Doch was bringt eine so bunte Mischung an einen
Platz? Das Jesus Freakstock 1998. Und wo Jesus drauf steht, ist ER auch
drin! So konnte man gleich bei Betreten des Festivalgeländes auf einem
Banner lesen, was die Organisatoren und die meisten der rund 3000 Besucher
auf und im Herzen haben: „King Jesus we love you“. Insgesamt stand das
diesjährige Festival unter dem Motto aus Matthäus 6.33 „Trachtet
zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, dann wird euch
alles andere dazu gegeben werden“. Was dies mit dem Leben eines Freaks
zu tun haben kann, war in den täglichen Gottesdiensten zu erfahren.
Diese GoDi‘s waren für mich übrigens die Hauptevents des Freakstocks.
Wer nun jedoch an alte, staubige und weltfremde, bestenfalls für 3
Stunden
Schönheitsschlaf stattfindende
Veranstaltungen denkt, sieht sich getäuscht. Schon der Lobpreis lag
zwischen pogenden Nummern (siehe König David in 2. Samuel 6) und ruhigeren
Anbetungsliedern, welche von den Jesus-Freakbands aus Hamburg, Nürnberg
und Bayreuth gespielt wurden. Die Message und anschließende Gebetszeit
waren keine rhetorisch-philosophisch ausgefeilten Klugheiten, sondern persönliche
Erfahrungen mit Jesus und zurechtweisende sowie mutmachende Worte an die
versammelten Jesusfreaks und solche die noch nichts davon wissen (wollen).
Doch auch an Musikalischem
hatte das Freakstock mit den über 30 Konzerten auf 3 Bühnen reichlich
Feinkost zwischen Pop und Death Metal zu bieten. Daß es mir als Normalsterblichem
dabei nicht möglich war, bei allen Konzerten dabeizusein, mögen
mir all diejenigen verzeihen, die bei dem folgenden Einblick ein paar Zeilen
über ihre Lieblingsband vermissen. (Ein CrossOver-Schreiberling ist
kein Normalsterblicher, Markus! – Anm. rls)
Den Opener durfte dieses Jahr
Christcore mit ihrem geradlinigen und spaßigen Deutschpunk machen.
Dies rief natürlich die zahlreich erschienen Irokesen und Artverwandten
zum wilden Pogo auf die noch grüne Wiese vor der Mainstage. Angesichts
der zum Teil gut gestylten Freaks ging Christcore gleich nochmal auf das
Freakstockthema ein und rief dazu auf, nicht zu viel Zeit und Geld in das
Outfit und Image zu investieren, da es für jeden Dinge gibt, die Vorrang
haben sollten! Als dann gegen 22.00 Uhr die Regler auf der Mainstage nach
den Alternativrockern Johnny Q Public aus den USA runtergefahren wurden,
strebten viele in die „Garage“, um sich den noch vom letzten Jahr
gut in Erinnerung gebliebenen Ska-Punk von Wooden
Cross (D) reinzuziehen. Soweit es der Platz zuließ, wurde sich
auch dazu heftig bewegt und bei Songs wie „Not der Welt" und ,,Fliegen“
lauthals mitgesungen. Ihnen folgten die mit viel Vorschußlorbeeren
bedachten Hardcoreschweden Selfminded. Und siehe da, nicht alle Skandinavier
sind blond und zurückhaltend, sondern auch schwarz, brüllend
und dabei gut. Gegen mitternächtliche Stunde verschlug es mich zur
dritten Bühne, der Freakstyle-Stage. Dort wurde bei Death Metal-Klängen
der Wolfsburger Band Noiz heftig die Matte geschwenkt. Kritiker bezeichneten
diese Musik allerdings als Dauerton eines Kurbelwellenschadens.
Am nächsten Tag stieg
ich bei Absorbed aus Hamburg in das Konzertgeschehen ein. Diese zeigten,
neben den zum Teil noch vom Christival bekannten Punkrocknummern und dem
dauerlaufenden Sänger Taade, nicht nur den weiblichen Fans, daß
es ein Leben nach den BackStreetBoys gibt, und brachten ihre eigene Boygroup
mit auf die Bühne. Als dann noch „Everybody“ in einer erträglicheren
Version erklang, gab es im Publikum kein Halten mehr ... Im darauf folgenden
Konzert verzauberte die derzeit wohl beliebteste Band unter den Jesus Freaks,
Snubnose, die Massen. Neben der „Hymne“ „We live with Jesus“ und Songs
des neuen Silberlings wurde sogar der alte Jugendkreisschlager „Sei ein
lebend'ger Fisch“ durch die kraftvolle Vertonung und die Stimme von Martin
Schabel zu einem Mitsingerlebnis. Spätestens bei der Zugabe des hebräischen
Liedes „hava nagila“ tanzten dann alle, so gut sie konnten, mit. Ihnen
folgte Stavesacre (USA), die mit ihrem lupenreinen Hardcore die letzten
Kraftreserven mobilisierten. Als ihnen kurz vor Schluß der Strom
ausging, forderten die Leute, daß doch unplugged weitergemacht werden
solle. Dies fand der Sänger ohne den nötigen Kraftstrom aber
nicht so lustig.
Am Samstag zeigten dann Kato
(GB), daß Britpop ein sehr dehnbarer Begriff ist und nicht unbedingt
viel mit Pop zu tun haben muß. Ihnen folgte als Hauptact des Abends
die amerikanische Ska-Band Five Iron Frenzy. Bei den zahlreich erschienenen
Bandmitgliedern wurde es für die drei Bläser zeitweise sehr eng
auf der Bühne, da sie durch die flippigen Stagediver arg bedrängt
wurden. Da das Konzert leider pünktlich beendet werden mußte,
lud Sänger Reepe Roper in gebrochenem Deutsch zum gemeinsamen Acapellasingen
ein („He‘s got the whoole world“ u.a.). Samstägliches ,,Midnight-special"
im gut besuchten Coffeezelt war Alt-Jesus-People Glenn Kaiser (Resurrection
Band), der ein bluesiges Unplugged-Konzert zum Besten gab.
Als ich dann so gegen 02.00
Uhr einen leeren Duschcontainer vorfand, um mir den Punkrockmelodicgroovehardcoreschweiß
abzuspülen, konnte ich dies sogar bei wunderschöner Livemusik
von Royal (NOR) mit einer Sängerin, deren Stimme an Alanis Morissette
erinnerte, tun, und mir wurde klar, daß es dies nur beim Freakstock
gibt.
Denn wo sonst verlangt eine
Band nur die halbe Gage, weil sie so von der Atmosphäre fasziniert
ist? Wo sonst spendiert der Veranstalter Sonnenmilch, um seine lieben Besucher
vor der noch lieberen Sonne zu schützen?
Und wer die viele Livemusik
nicht aushielt, konnte ja noch im Drum’n’Bass-Club, Theater-, Kino- oder
Teezelt nach Abwechslung suchen.
Bist du jetzt neugierig geworden?
Vielleicht sehen wir uns dann nächstes Jahr?
Ich bin da!
See you !?!
P.S.: Montag morgen trauten
sich die ersten Pferde wieder auf ihr Gelände ...
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