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LORD'S PARTY-Rocknacht mit: Seventh Avenue, Wooden Cross, Overhead    2.07.1999    Wohlbach, Dorfscheune
von rls

Über den Hintergrund der Lord's Party-Veranstaltungen brauche ich euch nichts zu erzählen, da ihr das auch an anderer Stelle auf unserer Homepage nachlesen könnt. Jedenfalls wurde das Areal um die Wohlbacher Dorfscheune von ca. 600 Personen aus Vogtland, Aarzg'birg' und anliegenden Gebieten bevölkert, die wie üblich etwas länger auf den Konzertbeginn harren mußten (mir war die einstündige Verspätung dagegen ganz recht, da ich selber 'ne halbe Stunde zu spät in der kleinen vogtländischen Gemeinde eingetroffen war).
Overhead legten um halb neun los, und es dauerte nicht lange, bis sich ein Moshpit vor der Bühne bildete. Die Mucke des Quartetts war für diese Zwecke aber auch prädestiniert: Die Grundzutat bildete Neo-Thrash Marke erstes Machine Head-Album, also mit zahlreichen Hardcore-Einflüssen und einigen wenigen Rap-Passagen, dazu Backingvocals aus der Kehle des Gitarristen, die jeder Death Metal-Truppe zur Ehre gereicht hätten, der eine oder andere Ausflug in Richtung alte Black Sabbath sowie Grindcore-Gepolter, drauf noch ein Sänger, der mehr als einmal an den jungen James Hetfield erinnerte, mir persönlich aber etwas zu wenig Charisma in der Stimme hatte. Ich verbrachte einige Zeit des Gigs mit dem Versuch, mich zu erinnern, wo ich dieses oder jenes Riff schon mal gehört habe (einige aus dem Fundus von Sabbath und Metallica waren definitiv dabei), aber als Kopisten kann man Overhead sicher nicht abstempeln, denn die Einflüsse waren so umgesetzt, daß sich durchaus so etwas wie eine eigene Mischung ergab, und die Songs selber wirkten auch wie organisch gewachsen. Overhead bewiesen darüber hinaus, daß man auch als christliche Band Sepultura covern darf, und hatten etwas darunter zu leiden, daß die Ansagen mitunter schlicht und einfach nicht zu verstehen waren. Außerdem wirkte die Bassistin auf der Bühne irgendwie verloren und brachte es fertig, sich während des einstündigen Gigs nur einmal vom Fleck zu bewegen. Dem Publikum war's egal, und Overhead konnten einen Erfolg verbuchen.
Der Moshpit wurde bei Wooden Cross noch ein Stückchen größer, und zudem tummelten sich die ersten Diver in der Luft. Das Quartett schlug phasenweise in eine ähnliche Kerbe wie Overhead, hatte aber auch eine Latte von Songs im Gepäck, die entweder in die Trötencore-Ecke Marke Mighty Mighty Bosstones oder aber ins Skapunk-Lager gehörten. Besonders die letztgenannten entpuppten sich dabei als potente Stimmungsmacher, die einen vor die schwierige Alternative stellten, zu pogen oder einen Hüftschwung hinzulegen. Allerdings hatten Wooden Cross auch ein paar laue Durchhänger im Set versteckt, der Sänger ist auch keiner der Spitzenklasse, die Ansagen waren wieder mal nicht zu verstehen, und so blieb ein Teil der Botschaft auf der Strecke, was auch nicht durch überragende Mucke kompensiert werden konnte (dazu ist das Songmaterial größtenteils nicht erstklassig genug), und obwohl spieltechnisch alles im grünen Bereich lag, haben mich Wooden Cross an diesem Abend nur teilweise überzeugen können. Maybe next time!
Die bis dahin beste Mucke kam in der nun folgenden Umbaupause vom Band: Anhand eines Videomitschnittes der 1998er Lord's Party-Rocknacht-Headliner Lightmare durften sich alle ärgern, die damals nicht dabeigewesen waren (jaja, ich auch). Aber für das, was Seventh Avenue hernach zu bieten hatten, bleiben nur die Worte "Sie kamen, sie sahen, sie siegten" übrig. Ich hatte vorher gezweifelt, ob die Wolfsburger erstens das hochklassige Songmaterial speziell der aktuellen "Southgate"-Scheibe live qualitativ ansprechend umsetzen könnten und zweitens die umfangreichen Umbesetzungen der letzten Zeit verkraftet hätten - Entwarnung in beiden Punkten. Spätestens nach "Tales Of Tales", "May The Best One Win" und "Big City Sharks" war klar, daß sich auch die "neuen" Seventh Avenue nicht die Butter vom Brot nehmen lassen würden, und das taten sie zur Freude der Liebhaber feinsten frisch-forschen Melodic Speed Metals während der gesamten 100 Minuten nicht. Herbie verpaßte zwar ein paar Einsätze am Mikro, sang sich aber souverän durch den Set und zauberte auch auf seiner Klampfe, was die Saiten hergaben. Drummer Mike (der übrigens auch live einen Kilt trug und sich damit schon mal für die Endausscheidung qualifizierte, falls Grave Digger mal einen neuen Schlagwerker brauchen) hatte ebenfalls alle Gliedmaßen voll zu tun, und die beiden Bandküken an Baß respektive Rhythmusklampfe (hättest die zwei auch mal vorstellen können, Herbie) konnten dementsprechend gar nicht anders, als vollwertige Leistungen abzuliefern. Tracks wie "Southgate" oder "Rest In Peace" wurden vom Auditorium mehr als dankbar aufgesogen und fleißig mitgesungen, die Piano-Ballade "Children" sowie der Rod Stewart-Oldie "Sailing" sorgten für einige ruhige Momente in der ansonsten herrschenden melodischen Hochgeschwindigkeit, und die Tatsache, daß bei den beiden frisch dem Proberaum entsprungenen Stücken "One Life Ends" und "Open Your Mind" (beide knapp zehnminütige, vertrackte Speedies mit zum Nachdenken anregenden Lyrics) kein Abfall der Publikumsreaktionen festzustellen war, unterstreicht nicht nur die Ausnahmestellung von Seventh Avenue, sondern läßt auch hoffen, daß uns noch weitere Großtaten der Truppe bevorstehen. "Goodbye", eine mit dem "Auld Lang Syne"-Thema veredelte Hymne, markierte das Ende des regulären Sets, aber um drei Zugaben kamen Seventh Avenue natürlich nicht herum, wobei besonders das abschließende "Protection Of Fool" noch einmal alles plattwalzte und reihenweise Köpfe im Auditorium (darunter übrigens eine größere Anzahl auch optisch ansehnlicher weiblicher - auf welchem anderen Speedgig gibt's sowas?) in kreisende Bewegungen versetzte. Zum Schluß blieb eigentlich nur noch die Frage, wen André und sein Team nächstes Jahr verpflichten wollen, um diesen Seventh Avenue-Gig zu toppen. Außer Treasure Seeker, Lightmare oder Nightwish bleibt da wohl nicht viel übrig ...

PS: Danke, Herbie & Co., daß ihr "Carol" und "Heart In Your Hand" nicht gespielt habt. Sind zwar beides sehr gute Songs, aber sie hätten an diesem Abend wohl ein wenig mentalen Kummer bei mir verursacht.



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