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LORD'sPARTY-X-Mas Gig mit: Red Barchetta, Acoustic Torment, Supersoulfighters, Brainfag    16.12.2000    Gunzen, Gasthof
von rls

Ein für diesen Abend vom Wetterbericht angekündigter bösartiger Wintereinbruch (der letzten Endes aber auf die absoluten Kammlagen des Erzgebirges und des Vogtlandes beschränkt blieb) dürfte wohl dafür gesorgt haben, daß im Vergleich zum letzten Jahr, als ein nicht angekündigter Wintereinbruch für schwierige Straßenverhältnisse sorgte, zwei Handvoll Besucher weniger den Weg in den Gunzener Gasthof fanden. Die 230 Anwesenden erlebten nichtsdestotrotz wieder mal einen gelungenen Konzertevent.
Brainfag, die mit einer Viertelstunde Verspätung die Bühne enterten, wußten vom Start weg zu überzeugen, indem sie komplett in Weihnachtsmannmontur antraten (der eine Gitarrist und der Basser behielten diese auch während des gesamten Gigs übergestülpt - möchte nicht wissen, wie warm das drunter war) und mit finsteren Doomriffs in ihren regulären Set überleiteten. Das Material bewegte sich zumeist in unteren bis mittleren Tempobereichen, garniert mit einigen geschickt plazierten Geschwindigkeitsausbrüchen, und wies eine Massivität auf, von der zahlreiche Genrekollegen des Neo Thrash nur träumen können. Vor allem die Gitarrenriffs donnerten derart fett aus den Boxen, daß man glaubte, es müßten fünfzehn Gitarristen gewesen sein und nicht nur zwei. Trotzdem blieb der Sound schön ausgewogen, so daß man leider auch mitbekam, wenn der Sänger mal neben der Spur lag, was in den cleanen Passagen doch ab und zu passierte. Die gesangliche Vielfalt war ebenso wie das abwechslungsreiche Songwriting klar als Pluspunkt Brainfags zu werten, und doch übertrieben sie die Abwechslung nicht so, daß man alle fünf Sekunden ein anderes Moshtempo anschlagen mußte. Das Auditorium nahm die Gelegenheit zum wilden Herumhopsen nach ein paar Songs Gewöhnungsphase dankbar an, und es bildete sich der größte Moshpit des gesamten Abends (Stagediven war aus Sicherheitsgründen untersagt worden). Brainfag, denen man anhörte, daß einige Bandmitglieder schon bei Overhead Erfahrung sammeln konnten, vergaßen auch die adventliche Message nicht, schlossen ihren Set mit den bereits vom Intro bekannten Doomriffs, die in eine brachiale, extrem schleppende Doom-Version von "Jingle Bells" übergingen, und hatten damit endgültig gewonnen.
Die extrem undankbare Aufgabe, nach einer solchen Band auf die Bretter zu müssen, fiel den Supersoulfighters zu, und anfangs hatte man folgerichtig das Gefühl, hier spiele die richtige Band vor dem falschen Publikum. Entfaltet der recht zurückhaltende Grunge des Schwabendreiers auf Platte eine angenehme Atmosphäre, bot er live indes kaum Gelegenheit zu ausladenderen Bewegungen, welche die meisten Besucher doch so gerne getätigt hätten. So machten die ersten Songs einen etwas spröden Eindruck, zumal Andreas seine Ansagen recht zurückhaltend ins Mikro nuschelte. Irgendwann taute das komplett mit Hemd und Schlips angetretene Trio aber doch auf, spielte sich phasenweise fast in Ekstase und ließ das Auditorium mit den härteren Passagen aus Songs wie "Heaven" fröhlich vor sich hin moshen. Neben Songs der aktuellen CD, so dem von seinen originalen 15 Minuten auf die Hälfte zusammengekürzten "Emptiness" oder dem Nichtmaldreiminüter "Smilemaker", kam auch älteres Material zum Zuge. Paradoxerweise beendete die Band ihren Set nach einer Dreiviertelstunde, als man den Eindruck hatte, jetzt sei sie richtig "drin" und "dabei". Unterm Strich eine gute Leistung, wenn auch noch mit Steigerungsmöglichkeiten.
Acoustic Torment hatten schon 1999 die härtere Fraktion mehr als beglückt, und so geriet der Gig für sie fast zum Heimspiel. Ihr traditioneller Death Metal erinnerte nach wie vor etwas an Asphyx und pendelte zwischen gaaanz laaangsaaam und hurtig-flink. Dabei fiel auf, daß das vorgestellte neue Material, etwa "Satanic Seduction", bedeutend mehr Tempowechsel aufwies als das im Auditorium bestens bekannte von der CD "My Hope Is In You". Außerdem waren in musikalischer Hinsicht auch die blackmetallischen Einflüsse etwas mehr in den Vordergrund gerückt, was das Gesangsstilgehopse zwischen melodisch-clean, deathmetallisch-grunzend und blackmetallisch-kreischend unterstrich. Einen vergrindcorten Psalm gab's diesmal nicht zu hören, man rezitierte lediglich den 150. und begründete damit die Möglichkeit, christliche Inhalte und ultraharte Mucke zu koppeln. Die Tatsache, daß eine Band einen unfertigen Song spielt, ist mir allerdings auch noch nicht untergekommen - hier war's einer, zu dem noch keine Baßparts geschrieben worden waren. Dieser Song machte indes den einzigen Schwachpunkt des Gigs deutlich, denn er hörte sich soundlich nicht wesentlich anders an als der Rest des Sets, woraus zu schließen ist, daß der Baß im Sound arg unterrepräsentiert war. Dafür sammelte das Trio Pluspunkte, indem es einerseits das letzte Jahr genutzt hat, um Hochdeutsch zu üben, und sich andererseits seinen kultigen Humor bewahrt hat. Nachdem aus dem fleißig bangenden Publikum (in dem übrigens die vom Deuteronomium-Gig im Juli 2000 in Oelsnitz bekannte Blondine mit den rapunzellangen Haaren in der ersten Reihe mitmischte) lautstarke "Zugabe"-Rufe drangen, tauschte das Trio kurzerhand die Instrumente und schrubbte wildes improvisiertes Geprügel herunter, dessen Lyrics aus dem Wort "Zugabe" bestanden, bevor man noch eine schräge Version des Volksliedes "Auf de schwäbsche Eisebahne" intonierte, bei dem die gewählten Tonarten des Gesanges und der Gitarrenakkorde in einem schaurig-schönen Mißverhältnis standen. Oberkult!
Bevor es in die letzte Umbaupause ging, durften zwei lokale Nachwuchsjongleure ihr Können zeigen. Besonders das Jonglieren mit Leuchtbällen in einem völlig verdunkelten Raum sah dabei sehr effektvoll aus und wurde anständig beklatscht. Zum Abschluß des Abends enternten Red Barchetta die Bühne, die ungeachtet der Tatsache, daß sie ihren Bandnamen von einem alten Rush-Track entlehnt haben, leider musikalisch nichts mit den Herren Lee, Lifeson & Peart zu tun hatten. Vielmehr gaben sie einen Crossover aus Hip Hop- und Rockelementen von sich, der stilistisch nicht allzuweit von Such A Surge entfernt anzusiedeln wäre. Damit schafften sie es, große Teile des schon reichlich ausgepowerten Publikums noch einmal zu mobilisieren, mich allerdings ausgeschlossen. Nach zwei Songs begab ich mich nach hinten, fand einen freien Stuhl und ruhte einen Song später mehr oder weniger sanft in Morpheus' Armen. Als ich wieder erwachte, war eine Stunde vergangen, und Red Barchetta spielten gerade ihren letzten Song, nämlich den Mini-Hit "Denk mal drüber nach". Da die Berliner nicht ohne eine Zugabe von der Bühne kamen, schließe ich mal logisch, daß ihre Darbietung dem Auditorium durchaus angenehm vorgekommen sein muß, enthalte mich aber aufgrund meiner Unaufmerksamkeit jeglichen Urteils. Das positive Fazit, das man angesichts dieses X-Mas-Gigs ziehen muß, bleibt davon allerdings völlig unbeeinträchtigt. Weiter so, André & Co.!






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