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LORD'S PARTY-Christmas-Gig mit: Lightmare, Wooden Cross, Acoustic Torment, The Green    18.12.1999    Gunzen, Gasthof
von rls

Winterliche Verhältnisse machten die Anreise nach Gunzen (und auch die Abreise) streckenweise zum Abenteuer (da stehen dann auch mal eben ein paar Rehe mitten in Wohlbach auf der Straße ...) und dürften wohl der Hauptgrund gewesen sein, daß der Gunzener Gasthof mit "nur" 250 Leuten nicht ganz gefüllt war. Die Dagewesenen dürften ihr Kommen aber keinesfalls bereut haben, denn André & Co. hatten sich bemüht, im Billing für Geschmacksvielfalt zu sorgen, und positive Stimmung gab's denn auch im Großpack dazu.
Erstaunlich pünktlich (die Verzögerung betrug nicht mal eine Viertelstunde, was für Lord's Party-Verhältnisse an einen Rekordwert grenzt) legten die lokalen Hoffnungsträger The Green los. Diese rekrutierten sich keineswegs aus den Lokalpolitikern einer gleichfarbigen Partei, aber der Bandname hat schon was mit der Farbe der Hoffnung zu tun, und zu sagen hatte die Band sowieso einiges (anzusagen dagegen eher weniger). Musikalisch balancierten The Green auf dem Grat zwischen "normalem" Hardrock und progrockigen Klängen, wobei letztere mitunter wenig songdienlich eingefügt waren. Die einzelnen Songpassagen sind qualitativ sehr ordentlich, aber daraus dann schlüssige und nachvollziehbare Songs zu stricken, das müssen The Green noch ein bißchen üben, auch wenn sie bei einzelnen Tracks unter Beweis stellten, daß sie dazu durchaus schon in der Lage sind. Diverse seltsame Breaks und Rhythmuswechsel warfen die Frage auf, ob das nun kompositorische Geistesblitze oder schlichte Verspieler waren, was sich nur anhand genauer Kenntnis des Songmaterials eruieren ließe, und die hatte kaum einer im Saal, weshalb die Reaktionen zwar durchaus positiv, aber noch nicht frenetisch waren. Man sollte The Green aber auf jeden Fall im Auge behalten.
Acoustic Torment stellten hernach unter Beweis, daß man Gott auch mit Death Metal-Klängen loben kann. Das Trio orientierte sich weniger am Göteborgsound und auch nicht am Floridageprügel, sondern dürfte sich eher Asphyx anno 1994 zum Vorbild genommen haben, auch wenn die alles niederwalzenden Doomparts durch gelegentliche akustische und melodische Einschübe ersetzt wurden. Dazu pendelte der Sänger zwischen den Polen "Erfolgreiche Anwendung von Abflußfrei" und "Junge Bergziege mit Keuchhusten". Seine Ansagen waren aber aus einem anderen Grund nahezu unverständlich: Der Junge hat einen ausgeprägten schwäbischen Akzent. Darüber hinaus bestachen Acoustic Torment durch Einfallsreichtum en gros. Ein paar Exempel gefällig? Psalm 117 als Fast-Grindcore dürfte es noch nirgendwo gegeben haben, vor dem letzten Song verteilten die beiden hübschen Merchandiserinnen Fastnachtskrapfen (die originale schwäbische Terminierung ist mir gerade entfallen ...) sowie Zettel mit dem Rezept, welches auch gleich die Lyrics des letzten Songs bildete, der mit Death Metal so viel zu tun hatte wie Helmut Kohl mit einer weißen Spendenweste, sondern coolen, bluesenden Swing (!!!) bot, und die Merchandisingideen schlugen dem Faß den Boden vollends aus: Ohrstöpsel sind angesichts des Bandnamens ja noch logisch, aber was sollten uns die Klobürsten (!!!) mit "Acoustic Torment"-Aufdruck nur sagen? Passend zu diesem Kultfaktor erschienen kurz vor Setende vier Weihnachtsmänner im Saal und mischten sich kurzerhand unter den Moshpit, der den ganzen Set über brodelte. Daumen hoch für den Schwarzwald-Dreier!
Wooden Cross schafften es wieder einmal nicht, mich zu überzeugen. Die Jungs fuhren ihre bewährte Mischung aus Ska, Punk, Trötencore und Neo Thrash auf und brachten es fertig, fast die gesamte Halle in wilde Bewegungsabläufe zu versetzen. Streckenweise herrschte Diverstau in der Luft, und einer der Weihnachtsmänner (Bauausfertigung "weiblich") divte fröhlich mit. Aber was hatten Wooden Cross bei Lichte betrachtet eigentlich zu bieten? Die Skaparts und auch der Trötencore hatten hohen Unterhaltungswert, zu den Punkteilen konnte man nicht schlecht pogen, aber das Neothrashgerödel wirkte viel zu vorhersehbar und damit langweilig. Außerdem gelang es Wooden Cross nur selten, die genannten Komponenten auch so zu einem Ganzen zusammenzusetzen, daß es wie organisch gewachsen aussah und nicht wie Stückwerk. Zudem war die Gitarre streckenweise viel zu leise, um den Kompositionen den angestrebten Grunddrive zu verpassen, und obwohl auch dieser Sangesknabe viel Wichtiges zu sagen hatte, ist er doch der großen Sänger keiner. Selbst das stürmisch geforderte "Fliegen" (das dann auch als Setcloser gespielt und vom Publikum nahezu im Alleingang gesungen wurde), das so eine Art Hit der Combo darstellt, riß mich nicht vom Hocker. Ich halte Wooden Cross, auch wenn das viele als Majestätsbeleidigung ansehen werden, nach wie vor für nicht mehr als passablen Durchschnitt, stand aber mit dieser Meinung so ziemlich allein im Saal.
Lightmare hatten die undankbare Aufgabe, die (altersbedingt etwas ausgedünnt worden seienden) Anwesenden noch einmal mitzureißen, bewältigten dies jedoch souverän. Das Quartett aus Bankfurt litt zwar wie vor einem halben Jahr in Stützengrün unter diversen Widrigkeiten der Technik, aber nach Song drei ("Vampires") war alles im Lot, sieht man davon ab, daß Andis Gitarre beim Nach-Solo-Refrain von "Dungeons Of Society" den Geist aufgab und er in Windeseile umstöpseln mußte, um wenigstens pünktlich zum Schlußsolo wieder da zu sein (was er auch schaffte). Auch ansonsten wurde man mehr als einmal an Stützengrüner Geschehnisse erinnert, weswegen ich kurzerhand auf die Rezension dieses Gigs verweise, anstatt mich permanent zu wiederholen. Jedenfalls ist bei Lightmare (im Gegensatz zu Wooden Cross) wirklich das zusammengewachsen, was zusammengehört (in diesem Fall Klassik und Metal), und die sympathischen Hessebube konnten über die gesamten knapp 90 Minuten voll überzeugen. Ein bißchen enttäuscht war ich lediglich, daß es immer noch keinen neuen Song zu hören gab (was laut Timon und Andi an ihrer zeitlichen Überlastung lag - Andi hat u.a. die zweite Treasure Seeker-Scheibe eingespielt), und so blieb der Zugabenteil die einzige Überraschung. Daß er mit "Rebellion" plus Intro eröffnet werden würde, war nach dem regulären Set klar, aber dann kramten die Jungs Bloodgoods "Messiah" heraus, das einem auch insgesamt gelungenen Abend die Krone aufsetzte. Enter.
 






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