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Eos, Mortification, Detonation
27.06.2001 Zwickau, Alarm!
von
rls
Nach langer Abstinenz endlich
mal wieder Mortification im Osten der Republik - Grund genug für Hunderte
Metaljünger, nach Zwickau zu pilgern. Scheinbar hatte man im Alarm!
allerdings nicht mit einem derartigen Andrang gerechnet, denn man hatte
die kleinere der beiden Hallenhälften als Veranstaltungsort auserkoren,
und diese war dementsprechend satt gefüllt, was in Verbindung mit
dem Klima später noch Folgen haben sollte.
Um 20.15 Uhr bestieg ein Trio
die Bühne. Angesichts der Häufigkeit des Terminus "Jesus" in
den Lyrics des ersten Songs wurde es schnell unwahrscheinlich, daß
das die eigentlich an dieser Setposition erwarteten Eos sein sollten. Die
erste Ansage in angedeutetem Schwyzerdütsch machte schnell klar, daß
da Detonation vor uns standen. Musikalisch waren die Eidgenossen
gleich für einige Überraschungen gut. Erstens hatte ich irgendwo
gelesen, daß sie eher in Neo Thrash-Gefilden beheimatet sein sollten
- alles Unsinn: In den sieben teilweise arg überlangen Tracks konnte
man die Hüpfparts an den Fingern zweier Hände abzählen.
Statt dessen regierte klassischer Thrash der alten Schule, so Bay Area
der Endachtziger, Melodien nicht ganz außen vor lassend und gesanglich
auch mal in Death Metal-Untiefen vorstoßend. Besagter Gesang stellte
die nächste Überraschung dar, denn den teilten sich alle drei
Mitglieder (auch der Drummer!), dabei ein breites Spektrum von seltenen
cleanen Passagen über klassisches Thrashgeshoute bis hin zu angesprochenem
Death Metal-Gebrüll zu Worte kommen lassend. Die Besetzung bildete
die nächste Überraschung: Von den beiden Frontleuten hielt nicht
etwa einer eine Gitarre und der andere einen Baß in der Hand, wie
man das anhand der üblichen Triobesetzung vermutet hätte - nein,
das waren zwei Gitarristen, die ohne Bassisten agierten (nur in einigen
Passagen spielte mal einer der beiden die Baßläufe, wenn er
gerade nichts anderes zu tun hatte). Ergo bildete der Gesamtsound mit seiner
Höhenlastigkeit die nächste Überraschung. Alles andere als
überraschend war hingegen das ehrliche christliche Bekenntnis der
Formation. Zwar wirkten einige Songparts in der dargebotenen Form leicht
zusammengestückelt, aber mit Baß kann sich das schon ganz anders
anhören, technisch sind die Jungs auf jeden Fall fit, der Rausschmeißer
"Believe" stellte fast 'nen kleinen Hit (mit einfach mitzugrölendem
Chorus) dar, und somit bildete der sehr gute Gesamteindruck, den Detonation
hinterließen, angesichts der gemischten Erwartungen die letzte Überraschung
dieser Dreiviertelstunde, was man generell auch im Publikum so sah, wo
bereits fleißig gebangt wurde.
Durch besagte körperliche
Aktivitäten hatte der Sauerstoffgehalt in der Halle in reziprokem
Verhältnis zur Innentemperatur abgenommen. Fast alle strömten
also nach draußen, um durchzuatmen und sich etwas abzukühlen.
Viel Zeit blieb allerdings nicht, denn keine zehn Minuten später verkündeten
laute Töne aus der Halle, daß die nächste Band bereits
im Gange war. Die Menge sprintete also wieder hinein - und sah zur allgemeinen
Überraschung wieder nicht Eos, sondern Mortification auf der
Bühne! Die Australier erwischten mit den Openern ihrer neuen Scheibe
"The Silver Cord Is Severed" einen
Auftakt nach Maß, wie es Heribert Faßbender so schön auszudrücken
pflegte. Irgendwann hatte ich mir dann einen Platz in der ersten Reihe
erobert, und von da ab war nichts mehr, wie es vorher war. Steve Rowe,
der bereits hinreichend bekannte Gitarrist Lincoln Bowen und der noch weitgehend
unbekannte, fast wie der kleine Bruder von Sepultura-Igor aussehende Trommler
Adam Zaffarese spielten sich in den gesamten 90 Minuten durch ein Best
Of-Programm allererster Kajüte, in dem die deathmetallische Phase
sehr breiten Raum eingeräumt bekam. Wenn man Steve auf der Bühne
nur ansah, konnte man sich der Power, die dieser immer noch schwerkranke
Mann rüberbringt (überflüssig zu erwähnen, daß
er sich weder gesanglich noch baßspielerisch wesentliche Blößen
gab), nicht entziehen - sah man ihn nach dem Gig am Stock, gestützt
von WMC-Andrea, von der Bühne schleichen, nahm das Wunder doppelte
Ausmaße an. Dieser Mann ist das lebende Beispiel, welche Kraft ein
Mensch aus seinem Glauben schöpfen kann - ein moderner Hiob quasi.
Und das Schönste war: Er nahm das Ganze mit einer derartigen Gelassenheit,
als würde er kerngesund sein, und ließ seinen trockenen Humor
sprühen, wo er nur konnte (ein Beispiel unter vielen: "I'm tough.
I can drink coffee even at night!"). Schelmisch fragte er in die Runde,
ob denn jemand eine Platte namens "Scrolls Of The Megilloth" kennen würde
- auf ein vielhundertkehliges "Yeah!!!" entgegnete er grinsend "Aber ich
nicht!", nur um seine Worte mit der Setlist Lügen zu strafen. In der
gab's nämlich kistenweise altes Zeug nicht nur von "Scrolls ..." (dessen
Titeltrack kurz vor Schluß noch einmal einen absoluten Höhepunkt
markierte), was im Publikum förmlich zur Raserei führte. Natürlich
vergaßen Mortification aber auch ihre aktuelleren Releases nicht:
Viermal (wenn ich mich nicht verzählt habe) zogen sie ihre neue Scheibe
heran ("Hardware" fehlte leider), und auch meine Lieblingsscheibe "EnVision
EvAngelene" kam mit "Buried Into Obscurity" und meinem Topfavoriten, dem
eher doomigen "Chapel Of Hope", zum Zuge (wohingegen mein lautstarker Wunsch
nach dem 19minütigen Titeltrack in voller Länge leider ebenfalls
nicht berücksichtigt werden konnte). Allen Altmetallern im Publikum
zauberte schließlich die straight heruntergehämmerte Version
des Bloodgood-Uraltklopfers "Black Snake"
Freudentränen ins Gesicht. Leider übertrieb es mancher Jungspund
allerdings etwas mit der Raserei - diverse Personen sprangen wie von der
Tarantel gestochen umher, ohne irgendwelche Rücksicht auf ihre Umgebung
zu nehmen, die dementsprechend malträtiert wurde, so daß man
streckenweise nicht mal mehr in Ruhe bangen konnte. Das muß doch
wohl nun wirklich nicht sein, Freude über die exzellente Darbietung
von Mortification hin oder her. Schwerer allerdings wog das Problem, daß
sich der Abfall des Sauerstoffgehaltes und der Anstieg der Hallentemperatur
in rapider Weise fortgesetzt hatten. Die Rettung wenigstens für die
erste Stunde stand in der ersten Reihe neben mir, war blond, ausgesprochen
hübsch, bereits von Acoustic Torment und
Deuteronomium bekannt und mit ihren rapunzellangen
Haaren für einen Ventilator-Effekt sorgend. Sie wurde schlußendlich
auch von Steve geadelt - nicht zwingend für die mir zugute gekommene
Luftbewegungserzeugung, aber doch mit den Worten "I love it when girls
are in the moshpit". Nach besagter Stunde half aber alles nichts mehr -
ich war völlig ausgepowert und verzog mich nach einer Minute nächtlicher
Frischluftzufuhr an eine Seitenwand, von wo aus ich das Restprogramm vom
guten, wenn auch nicht sonderlich innovativen Drumsolo über "God Rulz"
und etliche weitere Tracks bis zum abschließenden "Martyrs" mitverfolgte.
Dieser Gig war ein Ereignis sondersgleichen - ein machtvolles Statement
zum Thema "Verkündigung mit Musik irgendwo zwischen Manowar, Exodus
und Grindcore", von dem ich mir noch viele andere wünsche.
Tja, dann war Schluß
für mich, obwohl Eos nun tatsächlich noch auf die Bretter
stiegen. Der Grund, daß hier der lokale Opener nach dem Headliner
spielte, war denkbar einfach: Steves Gesundheit ließ es nicht zu,
daß er später aufgetreten wäre. Man verzeihe mir allerdings,
daß ich von Eos so gut wie nichts mehr mitbekommen habe und deshalb
auch nicht Bericht erstatten kann: Nach einem kleinen Plausch mit Lincoln
und Steve am Merchandisestand (bei dem man letzterem eine rapide zunehmende
Müdigkeit anmerkte) machte ich mich ziemlich erschöpft auf den
Heimweg.
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