www.Crossover-agm.de RE-VISION: The Demo Years
von rls

RE-VISION: The Demo Years   (Eigenproduktion)

Eins vorweg: Es handelt sich hier nicht um einen offiziellen Silberling, sondern um eine Zusammenstellung verschiedener Demotracks aus den Jahren 2002 bis 2004, die Bassist Christoph Lücker für mich angefertigt hat (Thanks!), da die ursprünglichen Demosilberlinge mittlerweile out of print sind. Deshalb gibt es auch kein Cover, sondern statt dessen ein kleines Bandfoto der seit 2002 aktiven Besetzung (die sich zwischenzeitlich 2005 nochmals verändert hat, indem es zu einer Halbierung der Gitarrenplanstellen kam). Das Schöne an "The Demo Years" ist nun aber, daß man das Ding praktisch in (musikalisch) unveränderter Form als regulären Silberling auf den Markt bringen könnte, was den hohen Standard re-Visions, den Kenner schon seit den Anfangstagen der Band zu schätzen wissen, ein weiteres Mal deutlich unterstreicht.
Aber der Reihe nach: Nach dem exquisiten 2001er Longplayer "Longevity" ergaben sich für die Band zwei einschneidende Veränderungen. Zum einen ging sie ihres Plattenvertrages verlustig, da B. Mind Records vom Markt verschwanden (ein weiteres Exempel für die These, daß ein gutes Händchen für qualitativ hochwertige Bands noch kein Garant für geschäftlichen Erfolg ist), zum anderen stieg mit Sänger Frank Wenner die zentrale Identifikationsfigur des Bandsounds aus - sein in allen Lagen der ermöglichten Variabilität stets markanter Gesang machte einen wichtigen Teil des Reizes aus, den der düstere Power Metal der Band ausströmte. Die Ruhrpottbewohner machten aus der Besetzungsnot aber eine Tugend, hielten sich nicht mit verzweifelten Versuchen auf, einen Nachfolger zu finden, der Frank möglichst ähnlich klingt, sondern beförderten kurzerhand Anke Brügmann, die auf "Longevity" bereits Backing Vocals eingesungen hatte, zur neuen Leadstimme. Sie wagten dabei das Experiment, den musikalischen Unterbau quasi unverändert zu lassen (das einzige der markanteren Elemente ihres früheren Sounds, das auf den Demotracks durch komplette Abwesenheit glänzt, sind die gelegentlichen Iron Maiden-lastigen Einsprengsel, von denen man allenfalls im Akustikintro von "Deep Fovea" noch Rudimente wiederfindet - aber diese Passion können die Musiker ja in ihrer Zweitband The Phantoms Of The Opera ausleben, mit der sie gelegentlich als Backingband für Paul Di Anno unterwegs sind) und nachzuschauen, inwieweit er zu Ankes Stimme paßt. Das Ergebnis: Hervorragend! Die Sängerin bewegt sich in kraftvollen mittleren Lagen (die automatische Assoziation "Sängerin = Nightwish-Stil" greift also gründlich fehl), die sie nur in seltenen Momenten für eine ruhigere, säuselnde Artikulation verläßt. In Verbindung mit dem düsteren Power Metal, den ihre Bandkollegen erzeugen, ergibt sich somit ein Vergleich, auf den man in der Besetzung mit Frank noch nicht gekommen ist, weil man das Gedankenexperiment mit dem weiblichen Leadgesang schlicht und einfach nicht auf der Rechnung hatte: So könnten The Gathering heute klingen, wenn sie nach "Nighttime Birds" nicht beschlossen hätten, den Metal aus ihrem Schaffen zu verbannen und statt dessen mit TripHop und ähnlichen Stilelementen eine Symbiose einzugehen zu versuchen. Auch bei re-Vision findet man gelegentlich einen kleinen Schlenker hin zu moderneren Sounds, auch sie wissen, wie man Akustikelemente geschickt zur Auflockerung einsetzt (man höre die gut inszenierte Umschaltung auf halbakustisch im Refrain von "Lights On Me"), und sie brauchen für die Umsetzung ihrer angedüsterten Musik nicht mal Keyboards. Besagtes "Lights On Me" kann dabei durchaus als Anspieltip dienen, da es viele Elemente des Bandsounds bündelt; ebenso hätte man aber auch den starken Opener "Deconstructed" oder die im Hauptteil recht harte Halbballade "Chew 'Em Through" nennen können. Einzig Tempofetischisten werden re-Vision auch in ihrer neuen Inkarnation nichts abgewinnen können, denn über das leicht gehobene Midtempo in "Don't Wake Me Up" geht die Band auch diesmal nicht hinaus. Aber dieser Personenkreis hat sich vermutlich auch die regulären Alben der Ruhrpottbewohner schon nicht gekauft. Als kleines Schmankerl enthält mein Silberling nach dem vergleichsweise bombastischen Finale von "Don't Wake Me Up" (vorm geistigen Auge entsteht eine Szene, wie Ankes Lebensabschnittsgefährte die Sängerin früh wach zu bekommen versucht :-)) noch ein Cover von Aerosmiths "Taste Of India", das im Rahmen der Sessions zu "Longevity" aufgenommen wurde. Hier singt also noch Frank, und man ertappt sich beim Hören dabei, daß man sich über das Wiederhören mit ihm freut, obwohl man Anke während der neun Songs zuvor als integriertes Element der Band akzeptiert hat. Aber jüngere Anhänger, die die Alben mit Frank nicht kennen, haben solche Anwandlungen sicher gar nicht erst. Die Freude liegt bestimmt auch mit daran, daß die Coverversion absolut klasse geworden ist: Sie behält den indischen Gestus des Originals bei, peppt den von Aerosmith hinzugegebenen Rockanteil aber deutlich auf, baut fette tiefergestimmte Gitarren drunter, und Frank versucht gar nicht erst, Steven Tyler zu imitieren, sondern setzt den Song komplett in seinem eigenen typischen Stil um. Das Ergebnis hätten so wahrscheinlich sogar die "Vedic Metaller" Rudra mit Kußhand auf eines ihrer Alben übernommen, und das ist als großes Kompliment zu verstehen. Aber damit soll die Klasse der neun Eigenkompositionen nicht geschmälert werden; re-Vision hätten es verdient, wieder regulär und regelmäßig über ein Label Silberlinge zu veröffentlichen, und wie bereits eingangs erwähnt: "The Demo Years" könnte in (musikalisch) nahezu unveränderter Form den Auftakt hierzu bilden.
Kontakt: www.re-vision.org

Tracklist:
Deconstructed
Face Of Rust
Shapeless
Cold Skin
Deep Fovea
For The Sake Of Love
Lights On Me
Chew 'Em Through
Don't Wake Me Up
Taste Of India
 




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