www.Crossover-agm.de V.A.: El Salvador Metal Compilation X
von rls

   (Nocturnal Entertainment)

Das Schöne am Metal ist ja, daß er auch in den exotischsten Ländern gepflegt wird und man bei einem Blick über die Landesgrenzen nicht selten auch noch hochinteressante Acts entdeckt. Und wer außer ein paar Weltmusiksammlern hat sonst schon CDs aus Bolivien, Namibia oder Taiwan in der Sammlung? Nun kommt also Nocturnal Entertainment aus der Hauptstadt San Salvador her und bietet uns mit 16 Tracks, aufgenommen zwischen 2000 und 2005, den anhand der Numerierung bereits zehnten Überblick über die Metalszene in El Salvador, einem mittelamerikanischen Land, das zu DDR-Zeiten wegen der dortigen sozialistisch-revolutionären Geschehnisse deutlich stärker in den medialen Mittelpunkt gerückt wurde als heutzutage, wo man den Landesnamen allenfalls ab und zu mal noch auf einem Bananenetikett liest. Wollen wir also mal durchhören, wer dort so alles lärmt:
Raices Torcidas machen (sofern die Reihenfolge im Booklet stimmt - auf dem Backcover stehen die Bandlogos nämlich in einer anderen Reihenfolge, wobei die im Booklet allerdings die größere Wahrscheinlichkeit besitzt, wenn man mal den Wechsel zwischen englisch- und spanischsprachigen Songs analysiert) den Anfang mit dem Quasi-Titeltrack "Nano Virus" ihrer 2004er CD. Zu hören bekommen wir relativ abwechslungsreichen Death Metal, dessen Sänger mitunter mal ins tiefe Wasser geworfen wurde und dann wütendes Gegurgel von sich gibt. Die zweite Band stellt den Leser schon mal vor das Problem, ihren Bandnamen anhand des Logos zu entziffern, da er nirgends in Klarschrift vermerkt ist (diese Aufgabe ist auch bei allen anderen Bands zu lösen, aber bei den meisten geht es einfacher, da entweder das Logo deutlich lesbar ist oder Mailadresse bzw. URL den Bandnamen enthalten). Ich deute das mal als Sedelio - musikalisch einzuordnen ist dieses Trio leichter, denn es gibt rauhen Thrash der alten (nicht ganz alten!) Schule zu hören, also etwa die Phase, als Kreator, Sodom und Destruction strukturierter zu musizieren begannen. "Letargo Mental" stammt vom 2003er Demotape "Cazadores De Almas" und macht trotz des leicht dumpfen Sounds durchaus Hörspaß. Analoges gilt für Tiara mit dem Sechseinhalbminüter "Bella Satirión" von der CD "Natalis Invioti Solí", wenngleich die in einem deutlich moderneren Genre siedeln, nämlich im Düstermetal der abwechslungsreichen Sorte, der sowohl von mittelfrühen Tiamat als auch von frühen Crematory Einflüsse bezieht und diese mit "modernem" Viking Metal verknüpft. Sowas hätte herauskommen können, wenn Empyrium nach ihrer ersten Platte nicht den Metal reduziert, sondern angereichert hätten. Elegy Of Myself haben in "That's What I Am" von ihrer "Mirrors"-CD Black Metal geparkt, allerdings solchen meist mittleren Tempos und mit akustisch fast alles andere zudeckendem Synthieteppich. Wer die deutschen Nebular Moon noch kennt, findet hier einen passenden Vergleich. Unter dem Namen Arcane agierte in den Spätachtzigern und Frühneunzigern schon mal eine texanische Band, deren "Destination Unknown"-Album gutklassigen Power Metal der sehr technischen Sparte enthielt. "Apocalypse" der gleichnamigen Band aus El Salvador, entnommen der CD "In Limine Mortis", dagegen siedelt im Death Metal, hat die Gitarren sehr weit runtergestimmt, läßt dafür einen nicht ganz so kellertiefen Sänger ans Mikro und stellt vom Drummer die HiHat in den akustischen Mittelpunkt. Era De Miseria fahren in "Dictadores De La Fe" von der 2004er Demo-CD zunächst ein sanftes Akustikintro auf, bevor sie in herzhaften melodisch-kantigen Speed Metal der alten Blind Guardian-/Helloween-Schule umschalten. Dieser bleibt keyboardfrei, also unitalienisch - dafür erinnert der Sänger zumindest in den Strophen mehr als deutlich an Hansi Kürsch. Guter Song, gute Instrumentalisten, lediglich den Refrain hätte man noch deutlicher ausarbeiten können. Symbolic haben sich ohrenscheinlich nicht nach dem Death-Album benannt, denn sie weisen in "A Call From The Future" weder Death- noch Progmetaleinflüsse auf. Statt dessen gibt's hier lupenreinen Melodic Metal mit dem saubersten Sound der ganzen CD und einem mehr als fähigen Sänger; auch das Riffing macht Laune, lediglich ein paar mehr Leads im ersten Instrumentalteil, der im Prinzip nur aus einer wenig spannenden Riffaneinanderreihung besteht, hätten es noch sein dürfen. Ansonsten locker international konkurrenzfähig. Mit "Epitaph The Master" von Soomdrag kehren wir wieder in den Death Metal zurück, allerdings in dessen doomlastige Variante. Über Midtempo geht das Quartett nicht hinaus, schaltet statt dessen immer mal die Verstärker aus, wobei aber auch über dieser sparsameren Instrumentierung der grollende Gesang erhalten bleibt. Guter Stoff der Neunziger-Schule. Tyrant Lord entpuppen sich mit "Watch Out For The Tyrant" tatsächlich über weite Strecken als die Traditionalisten, die der Kenner bereits anhand des Bandnamens diagnostiziert hat. Im Prinzip haben wir hier eine klassische Powerspeedband vor uns, lediglich am Mikro steht kein Kiske-Klon, sondern ein wilder Kreischer Marke Alexi Laiho. Vergleiche mit Children Of Bodom greifen trotzdem kaum, da der Tyrant Lord-Keyboarder nur einen ganz undeutlichen Teppich in den Hintergrund legen darf, ansonsten aber nicht in Erscheinung tritt, schon gar nicht solierend. Unter dem Namen Vertigo hatte Ex-Toto-Sänger Joseph Williams anno 2003 eine selbstbetitelte Platte herausgebracht, sicher nicht wissend, daß im gleichen Jahr in El Salvador eine gleichnamige Band ihr Album "Heroína Del Infierno" herausbringen würde. "Muriendo En La Oscuridad", das für den Sampler ausgewählt wurde, enthält Hardrock der rauheren alten Achtziger-Schule, und wer die Argentinier Montreal liebt, wird garantiert auch an Vertigo Gefallen finden und kann gleich noch die selbstbetitelte Exkalibur-CD aus dem Folgejahr einsacken, denn das von dieser entnommene "El Día Final" ist ein wenig lauter abgemischt und macht auch musikalisch ein wenig mehr Druck, haut aber ansonsten in exakt die gleiche Kerbe, gibt lediglich noch einen dramatischeren Mittelteil dazu, blechernes Gerassel bandnamengemäß inclusive. Trotz eines deathmetalkompatiblen Logos ist bei Renegado allenfalls der heisere Gesang in diese Sparte einzusortieren, ansonsten verbleibt "Realidades" im basischen Hardrockbereich, dessen Riffing gar so basisch ist, daß sich der Gitarrist durchaus als Ersatz für Karl Logan bei Manowar bewerben könnte (dagegen kann er solistisch durchaus was, wie er unter Beweis stellt). Enlelus sind die zweite und letzte Band, die ihren Beitrag von einem Demotape genommen hat, wobei man hier aber etwa im Vergleich mit Vertigo keinen soundqualitativen Abfall erkennen kann. Musikalisch bleiben wir auch hier im Hardrock traditionellster Prägung, auch hier ist das Riffing nicht so sehr kompliziert, auch hier machen die Gitarrenleads Spaß, dazu kommt aber ein blitzsauberer Sänger im halbhohen Bereich, so daß "Humanolipsis" zu einer kleinen Perle wird, der nur an manchen Stellen noch eine kleine Straffung gutgetan hätte. Darkness In The Moon stehen mit Corpsepaint auf dem scheinbar im Bandproberaum geschossenen Foto (das Zeug muß in der Hitze doch extrem schnell zerlaufen ...) und klingen in ihrer Bandhymne "Darkness On The Moon" entsprechend: monotoner, schneller und rauher, natürlich keyboardfreier Black Metal der alten Schule, aufgelockert nur durch einen kurzen melodischen Zwischenpart. Nicht schlecht, aber nichts, was man unbedingt brauchen würde. Da sind Selvtier schon interessanter, denn die führen in "Por La Tierra Donde Los Reyes Mueren" den Hörer erstmal auf die falsche Fährte alter Crematory, bevor sie sich in paganistische Gefilde abmelden, heroischer Klargesang inclusive. Wenn jetzt das Keyboard, akustisch weit im Vordergrund stehend, diese Rolle noch durch phantasievolleres Spiel rechtfertigen würde, müßte man diese Band auf jeden Fall im Auge behalten. Nochmal Death Metal gibt's zum Abschluß von Dreamlore, obwohl weder Bandname noch Bandlogo darauf schließen lassen. "The Enemy" macht zumeist viel Dampf, schraubt aber das Tempo im Mittelteil weitreichend herunter, die Gitarrenfraktion schielt manchmal leicht nach Göteborg, aber der Rahmen des Songs wird von leicht punkigem Death Metal älterer Schule, etwa Benediction-kompatibel, gebildet. Damit endet ein interessanter 79minütiger (bei meinem Exemplar leider mit einigen Preßfehlern, Sprungstellen u.ä. ausstaffierter) Einblick in die Welt des elsalvadorianischen Metals, der durchaus auch die eine oder andere Band zutage fördert, der der Sprung über die Landesgrenzen hinaus nicht nur zuzutrauen, sondern sogar zu wünschen wäre.
Kontakt: noceprod@yahoo.com

Tracklist:
Raices Torcidas: Nano Virus
Sedelio: Letargo Mental
Tiara: Bella Satirión
Elegy Of Myself: That's What I Am
Arcane: Apocalypse
Era De Miseria: Dictadores De La Fe
Symbolic: A Call From The Future
Soomdrag: Epitaph The Master
Tyrant Lord: Watch Out For The Tyrant
Vertigo: Muriendo En La Oscuridad
Exkalibur: El Día Final
Renegado: Realidades
Enlelus: Humanolipsis
Darkness In The Moon: Darkness In The Moon
Selvtier: Por La Tierra Donde Los Reyes Mueren
Dreamlore: The Enemy
 




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