www.Crossover-agm.de TSCHORNIJ KOFJE: Osennij Poryw
von rls

TSCHORNIJ KOFJE: Osennij Poryw   (Digital Records)

"Alexandrija" hieß der Studioalbumnachfolger von "Oni Besy", aber er liegt hier noch auf dem großen Stapel der Ungehörten, und so kann der Rezensent nicht sagen, welche Stilausprägung Dmitri Warschawski dort gewählt hat. Acht Jahre nach "Alexandrija" liegt nun dessen Nachfolger "Osennij Poryw" vor und bietet eine Ausrichtung, die einerseits überrascht, andererseits aber auch alles andere als unlogisch wirkt. Zunächst führt der Titel in die Irre: Wer unter "Herbststurm" ein konsequentes Speed-Metal-Album vermutet hatte, geht fehl - über gehobenes Midtempo schickt Warschwaski auch seinen wieder mal neuen Drummer nicht hinaus. Dafür darf der im dritten Song "Wolkodaw" unter Beweis stellen, daß er einen lockeren Groove in ebenjener Tempolage hinbekommt, während die größte Überraschung der Scheibe da schon vorbei ist: "Otschajanije" an Position 2 übertrifft den "Oni Besy"-Titeltrack an Härte und Düsternis noch einmal und stellt quasi reinrassigen Doom Metal dar, dem man freilich immer anhört, daß seine Wurzeln in den Siebzigern liegen, also bei den Stilurvätern Black Sabbath. Überhaupt hat sich Warschawski ja spätestens seit dem "Belij Weter"-Album von 2002 von seinen Achtziger-Einflüssen (metallischer Natur wie in den Frühwerken oder hardrockend wie auf "Wolnomu - Wolja") etwas entfernt und dafür den Siebzigern mehr Raum gegeben - eine Entwicklung, die auch in den zehn neuen Songs von "Osennij Poryw" ihren Niederschlag findet. Zudem purifiziert der Bandkopf die Musik weiter: Das Gros des Materials wäre in der Triobesetzung ohne weitere Verluste auch live umsetzbar, und Keyboards finden nur äußerst punktuell Einsatz, etwa im relativ flotten Boogie "Boschole" oder in der schönen Halbballade "Listopad", die als eine von nur wenigen Nummern des Albums etwas bombastischer ausfällt und zunächst eine Hammondorgel und später noch "traditionelle" Keyboardteppiche zum Einsatz bringt. Aber das soll eine Ausnahme bleiben, und gleich das folgende Instrumental "Wosducha" macht durch seinen konsequenten Verzicht auf eine Rhythmusgitarre klar, was man bei einer Liveumsetzung dieses Stücks zu erwarten hätte. Auch wenn Warschawskis Gitarre hier natürlich die Hauptrolle spielt, kommt dem Baß ebenso natürlich eine bedeutende Rolle zu. Der Viersaiter wird übrigens von einer weiblichen Person bedient, die den gleichen Nachnamen trägt wie der Bandchef und auf den Bandfotos deutlich jünger aussieht als selbiger. Seine Tochter? Nein, stellt sich nach eingehender Befragung des Internets heraus - es handelt sich um seine Gattin, die er anno 2014 geehelicht und ein Jahr später dann als Bassistin in seine Band integriert hat. Mal schauen, ob dadurch ein wenig mehr Stabilität in die sonst häufig wechselnde Bandbesetzung kommt (ist es Zufall, daß Song 9 auf den Titel "Wsjo Dlja Tebja", also "Alles für Dich", hört, aber einen polternden Rocksong und keine gefühlvolle Halbballade darstellt?). Das Album jedenfalls weiß, wenn man mit der Stilistik zurechtkommt und nicht den alten "Swetlij Metall"-Zeiten hinterhertrauert, durchaus zu überzeugen. Mittlerweile hat Warschawski auch seinen alten kreischigen Gesangsstil weitgehend ad acta gelegt und singt überwiegend in cleanen Lagen, aber deshalb nicht weniger ausdrucksstark. Und daß er trotz ziemlich kompakter Inszenierung der Songs (deren zwölf bringen es auf eine Spielzeit von einer knappen Dreiviertelstunde, und ausladendere Nummern von sechsminütiger Dauer gibt es diesmal gar keine) ein Händchen für interessante Details besitzt, das stellt er auch diesmal wieder unter Beweis, so gleich im Opener "A Nasch-To, Nasch" mit der plötzlichen Tempoherunterschaltung im Songfinale, die erst allmählich ihre Logik entfaltet, aber dann kaum noch wegzudenken ist. Das schöne Instrumental "Electrocoda" schließt die 10 regulären Songs ab, bevor auf der vorliegenden, in Pjatigorsk erworbenen Pressung von Digital Records noch zwei Bonustracks enthalten sind. Die Herkunft des je nach Standpunkt entspannten bis langweiligen Normalrockers "Poljot Ptizy" kann der Rezensent derzeit nicht ergründen, der zweite Track ist eine Neueinspielung des "Belij Weter"-Titeltracks in etwas komprimierter Form, die allerdings dem Original nicht das Wasser reichen kann. Ein gutes, auch soundlich überzeugendes Spätwerk, das vielleicht nicht jedem Altfan Tschornij Kofjes gefallen wird - aber wer die zu Beginn des neuen Jahrtausends erschienenen Studioalben schätzt, der wird auch mit "Osennij Poryw" problemlos klarkommen (und Doomer müssen unabhängig vom Albumrest unbedingt "Otschajanije" antesten!).
Kontakt: www.varshavskiy.ru

Tracklist:
A Nasch-To, Nasch
Otschajanije
Wolkodaw
Listopad
Wosducha
General
Boschole
Ja Proschu...
Wsjo Dlja Tebja
Electrocoda
Poljot Ptizy
Belij Weter
 




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