www.Crossover-agm.de TSCHORNIJ KOFJE: Belij Weter
von rls

TSCHORNIJ KOFJE: Belij Weter   (Moroz Records)

Eine Retrospektivbesprechung: Anno 2005 hatte ich in Rußland das 2004er Tschornij Kofje-Album "Oni Besy" erworben und rezensiert, im 2006er Rußland-Urlaub fiel mir dann dessen Vorgänger "Belij Weter" in die Hände, über den hier nun noch ein paar Worte folgen sollen, obwohl die Platte zugegebenermaßen nicht mehr ganz taufrisch ist - aber hier in Mitteleuropa kennt sie außer einer Handvoll Spezialisten wahrscheinlich eh keiner, weshalb die Vorstellung durchaus gerechtfertigt ist. Fest steht schon auf den ersten Höreindruck hin, daß "Belij Weter" keine Rückkehr zum Accept-lastigen Frühmaterial der Mittachtziger-Periode markiert, daß aber auch die Düsterhärtung, die Tschornij Kofje auf "Oni Besy" vorgenommen haben, hier noch nicht erkennbar ist. Einige der Songs knüpfen an das Frühneunziger-Werk "Golden Lady" bzw. "Ledj Osenj" an, was deren etwas sleazigere und rockigere Ausrichtung angeht; die diesbezüglichen Songs sind skurrilerweise in der ersten Hälfte der CD konzentriert, wohingegen Track 6 "Swerchplanrok" eine Kursumschwenkung einleitet, die auch ihr Pendant in einer Gesangsumstellung Dmitri Warschawskis findet - hatte er anfangs noch clean gesungen, steigt er danach zumindest periodisch wieder auf sein typisches hohes Kreischen um (wobei es auch noch sein könnte, daß hier Bassist Pawel Smejan singt, denn der wird für die Songs 6 bis 8 zusätzlich als Sänger genannt; wenn er es ist, hat er den alten Stil Warschawskis jedenfalls perfekt imitiert). "Swerchplanrok" ist allerdings eine russifizierte Coverversion einer Band, die man bisher noch eher weniger als Einfluß auf das Schaffen Tschornij Kofjes registriert hatte, nämlich von Led Zeppelin - allerdings handelt es sich um einen Song, der sich im Original nicht in meiner Sammlung befindet und den ich deshalb nicht identifizieren kann, im Gegensatz zum zweiten (!) Led Zeppelin-Cover der CD. Das hat auch einen russifizierten Titel ("Rastoptannij Nogami"), wird aber in Englisch gesungen und befindet sich außerdem auch im Original in meiner Sammlung - es handelt sich um "Trampled Under Foot". Die auf "Oni Besy" eher überrascht diagnostizierten bluesigen Einflüsse in Warschawskis Gitarrenarbeit sind also kein Zufall gewesen und finden hier auf dieser Scheibe ein großes Vorbild. Dazwischen packen Tschornij Kofje aber noch eine Überraschung aus, nämlich mit "Mertwije Duschi" einen Speedsong vom Faß, wie man ihn von der Band kaum mal zuvor gehört hatte, denn auch in der metallischen Frühzeit herrschte überwiegend massiveres Midtempo, nur selten (etwa in "Swetlij Metall") trat die Band mal stärker aufs Gaspedal. Aber auch diesen Song beendet Warschawski mit einer bluestypischen Tonfolge, damit allerdings nicht etwa eine generelle Umschwenkung markierend, denn auch der Folgesong "Tschert Snajet Schto" ist eher von der für Bandverhältnisse flotteren Sorte und hätte, wenn man da noch Keyboards eingeflochten hätte, auch gut auf den Klassiker "Wolnomu - Wolja" gepaßt, wobei damit nicht gesagt sein soll, daß die Keyboards hier etwa fehlen würden, sondern nur ein Hinweis auf dieses damals eher omnipräsente Instrument gegeben sei, das auf "Belij Weter" nur punktuellen Einsatz findet, etwa in den Effekten von "Rastoptannij Nogami", sonst im Prinzip aber fast nur in der ersten Hälfte der CD, wo auch Gastmundharmonikaspieler David Pierce seine Beiträge leistet. Daß Warschawski (außerhalb der Zep-Covers nach wie vor Alleinkomponist) ein gutes Händchen für Balladen hat, ist ja bekannt, und mit "Slowo" stellt er dieses auch auf "Belij Weter" unter Beweis, wohingegen die sleazigeren Halbballaden in der ersten Albumhälfte nicht ganz so gelungen sind und der dem Intro "Ubitije" folgende Stampfer "Ja Nje Ranjen - Ja Ubit" mit seinen "Nanana"-Passagen im Refrain ganz fürchterliche Erinnerungen an die musikalische Vergangenheit aufkommen läßt. Das folgende schleppende und etwas an Tom Cochrane erinnernde "Dewjatij Djen" entschädigt aber schnell wieder dafür, und auch der Schwächeanfall "Samok Ljubwi", der sich deutlich zu harmlos durch die Botanik schleppt und allenfalls PUR-Fans, die man mit "Mertwije Duschi" ja eigentlich schon erfolgreich vergrault hatte, gefallen könnte, wird durch das coole, wenngleich viel zu kurze Instrumental "Solo Skeleta" mit typisch schneidender Gitarre abgefangen, wonach der atmosphärische Titelsong das Album relativ entspannt ausklingen läßt, da die große Steigerung, die man eigentlich irgendwann zu erwarten beginnt, letztlich ausbleibt, was aber auch nicht so tragisch ist, denn wenn man die komischen flackernden Percussionseffekte noch weggelassen hätte, wäre hier eine richtig schöne warme Untergrundstimmung entstanden (so muß man sie sich halt einfach wegdenken, was nicht sonderlich schwer ist), eine hübsche akustische Liegewiese, zu der allerdings trotz des kurz vor Minute 5 akustisch zu wehen beginnenden titelgebenden weißen Windes das Cover mit dem gitarrespielenden Skelett nicht so richtig passen will - das ist dann eben wieder eher die Umsetzung von "Solo Skeleta". Insgesamt eine vielschichtige (Böswillige könnten aber auch "orientierungslose" schreiben) Platte mit einer Anzahl interessanter Songs (und einer kleineren Anzahl nicht so interessanter), die einen nur vor die Frage stellt, wem außer Tschornij Kofje-Fans man sie denn zum Antesten bzw. Erwerb empfehlen soll. Eine richtige Antwort auf diese Frage habe ich auch noch nicht gefunden ... Gibt's, wenn man nicht erst nach Rußland fahren will, in Deutschland sicher bei www.metalglory.de zu ordern.
Kontakt: www.blackcoffee.ru

Tracklist:
Ubitije
Ja Nje Ranen - Ja Ubit
Dewjatij Djen
Praschtschai
Pritschal
Swerchplanrok
Mertwije Duschi
Tschert Snajet Schto
Rastoptannij Nogami
Slowo
Samok Ljubwi
Solo Skeleta
Belij Weter
 




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