www.Crossover-agm.de TSCHORNIJ KOFJE: Wolnomu - Wolja
von rls

TSCHORNIJ KOFJE: Wolnomu - Wolja   (Moroz Records)

Schwarzer Kaffee gilt ja gemeinhin als Muntermacher, aber zu seiner originalen Entstehungszeit 1989 dürfte das Album "Wolnomu - Wolja" manchem Altfan der nach besagtem Getränk benannten Band eher etwas einschläfernd vorgekommen sein, hatten Tschornij Kofje doch den Metalanteil in ihren Kompositionen ein gutes Stück heruntergefahren - das zwei Jahre vorher entstandene, mir akustisch allerdings unbekannte "Perestupi Parog"-Album soll deutlich weiter in der Power Metal-Ecke anzusiedeln gewesen sein, während "Wolnomu - Wolja" hauptsächlich melodischen Hardrock gemäßigten Härtegrades enthält. Aber da dieses Album, das 2002 mit einem Bonustrack von Moroz Records wiederveröffentlicht wurde, das erste von Tschornij Kofje ist, das den Weg in meinen Tonträgerschrank findet, habe ich das Privileg, völlig unbeeinflußt an die Sache rangehen zu können. Und bei einer solchen neutralen Herangehensweise ist "Wolnomu - Wolja" über einige der zurückzulegenden Strecken richtig klasse. Mit "Broschy Pa Gorodu Odin" (nein, das hat nichts mit der nordischen Götterwelt zu tun - das russische Wort "odin" heißt übersetzt "eins") hat die russische Band den schnellsten und energischsten Track gleich an den Anfang gestellt, aber schon dieser macht mit der an mittelfrühe Europe erinnernden Einleitung des neuen Keyboarders Boris Dolgikh die neue Marschrichtung der Band deutlich. Nach diesem Auftakt nach Maß folgt der nächste Kracher auf dem Fuße, nämlich der Titeltrack, ein grandioser Midtempo-Hardrocker mit brillantem Refrain, den man auch als Nichtrussischkundiger problemlos mitsingen kann. Spätestens hier fällt auf, daß die vielseitige und ausdrucksstarke Stimme von Bandkopf Dmitri Warschawskij das herausragendste prägende Element im Sound von Tschornij Kofje ist, egal ob er kraftvoll im Midtempo shoutet oder in großen Höhen kreischt. Leider kann die Band das extraordinär hohe Niveau dieser beiden Eröffnungstracks nicht durchgängig halten. "Notsch" geht immerhin aber noch als gute Halbballade durch, während "Na Poslednij Pojesd" (der einzige Track, an dem Dmitri nicht mitgeschrieben hat - die Credits für die Musik dieses Tracks gehen an Bassist Igor Kuprijanow) stilistisch etwas aus dem Rahmen fällt und eher an die Puhdys erinnert. Danach geht's mit "Posle Tebja" zu recht unauffälligem Hardrock über. "Swetlij Obras" überrascht nach durchschnittlichem Anfang mit sphärischen Keyboardelementen, deren Verwendung zur Entstehungszeit dieses Materials (man erinnere sich: Wir schreiben 1989!) alles andere als gewöhnlich war. In der Songmitte setzt man zu einem großen Solo an, bricht dieses aber schon nach wenigen Takten ab - da wäre definitiv mehr rauszuholen gewesen, auch wenn man generell bei Tschornij Kofje auf "Wolnomu - Wolja" einen Hang zum recht kompakten Inszenieren ihrer Kompositionen bemerkt. "I Tolko Myi" fällt erneut nicht sonderlich auf, und erst das geniale Instrumental "Nostalgija" fesselt den Hörer wieder wie magnetisch an die Lautsprecher seiner Stereoanlage: Michael Schenker hätte dieses Stück Musik selbst zu seinen Glanzzeiten nicht mehr wesentlich verbessern können (wobei festzuhalten ist, daß er im gleichen Jahr mit dem "Save Yourself"-Album ebenfalls nochmal einen Hammer hinlegte, auf dem mit "There Has To Be Another Way" ein leider viel zu kurzes Instrumental gleichen Geniepotentials enthalten war - mit dreieinhalb Minuten ist "Nostalgija" doppelt so lang wie "There ..." und trotzdem noch viiiiiiel zu kurz), wobei das Hauptthema der Gitarre leicht an das durch Gary Moore bekannt gewordene "Parisienne Walkways" erinnert. Danach folgt "Eto - Rok", ein alter Song der Band - seine Urversion soll auf dem 2000 erschienenen "Swetlij Metall"-Album enthalten sein, gemeinsam mit noch diversen anderen Werken aus der Frühzeit der Band. Da ich diese Urversion (zum Reviewzeitpunkt) nicht kenne, kann ich nur von der vorliegenden Version aus urteilen, und die bietet recht guten stampfenden Hardrock (leider nach hinten heraus wieder recht ruppig abgewürgt, als man erneut gerade zu einem großen Solo angesetzt hat), an dem diverse Gastmusiker beteiligt sein sollen, u.a. von Kruiz und Arija. Wer das konkret ist, darüber schweigt sich das nicht eben informative Booklet leider aus - man findet dort zwar ein Bandfoto, aber nicht mal die Namen der vier Abgebildeten, von Texten oder sonstigen Hintergrundinfos bis auf einen kurzen Text zur Entstehungsgeschichte des Albums ganz zu schweigen. Immerhin scheint es verschiedene Versionen der CD zu geben, denn meine enthält einen Aufdruck mit dem deutlichen Hinweis "Nicht zum Verkauf in Moskau". Im Vergleich mit der originalen LP enthält sie einen Bonustrack namens "Starij Park", eine starke Halbballade, die einen würdigen Abschluß der CD bildet und mich an einigen Stellen irgendwie an Prinzip erinnert, falls die noch irgendjemand kennen sollte. Hätte die Band es geschafft, das Niveau von Songs wie dem Titeltrack durchgehend zu halten, würde das Album als absoluter Klassiker durchgehen. So bleibt's immer noch eine starke Hardrockscheibe, die auch 14 Jahre nach ihrer Entstehung noch nicht angestaubt klingt und deshalb von Genrefreunden auf jeden Fall angetestet werden sollte. Gibt's in Deutschland via www.metalglory.de, Labelkontakt: www.morozrec.com, moroz@rinet.ru

Tracklist:
Broschu Pa Gorodu Odin
Wolnomu - Wolja
Notsch
Na Poslednij Pojesd
Posle Tebja
Swetlij Obras
I Tolko Myi
Nostalgija
Eto - Rok
Starij Park
 




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