www.Crossover-agm.de TSCHORNIJ KOFJE: Oni Besy
von rls

TSCHORNIJ KOFJE: Oni Besy   (Grand Records)

Da behauptete doch ein Entomologe aus Wladikawkas, den ich im dortigen Naturkundemuseum traf, diesen Sommer noch, Tschornij Kofje seien nach "Wolnomu - Wolja" gestorben. Vielleicht meinte er, daß sie aus metallischer Sicht gestorben seien, denn es gibt noch etliche spätere Studioscheiben, die allerdings mit dem nicht selten Accept-lastigen Material der auf dem "Swetlij Metall"-Sampler dokumentierten Frühphase der Band tatsächlich nicht mehr viel zu tun hatten. Schon "Wolnomu - Wolja" siedelte eher im melodischen Hardrock, bevor die Truppe mit "Golden Lady" bzw. "Ledi Osjen" (von dieser Scheibe gibt es zahlreiche Versionen; ich habe beispielsweise einen 2001er Re-Release mit sieben englischsprachigen und sechs russischsprachigen Tracks, wobei sich unter letzteren beispielsweise auch der Titeltrack zu "Wolnomu - Wolja" nochmal wiederfindet) sleazigere Elemente einzubauen begann und dafür nicht zu Unrecht in "Heavy Metal aus Osteuropa" der Riermaier-Gang einen Vergleich mit Cinderella verpaßt bekam. Die folgenden Studioscheiben sollen noch weiter in Gefilde "normalen" Rocks abgedriftet sein, was ich mangels Besitzes allerdings ausnahmslos nicht verifizieren kann - bis mir eine Woche und einen bestiegenen Viertausender später in einem Plattenladen in Pjatigorsk "Oni Besy" in die Hände fiel, das 2004er Studioalbum der Schwarzkaffeetrinker. Das sehr düstere Cover läßt noch keine Rückschlüsse auf die musikalische Ausrichtung zu - oder sagen wir mal, nur indirekte, denn mit dem Überwechseln in gothiclastige oder doomige Gefilde dürfte niemand ernstlich gerechnet haben. Aber - Überraschung! - die Musik ist tatsächlich ein erhebliches Stück düsterer geworden, was sich einerseits im konsequenten Außenvorlassen jeglicher Tempi oberhalb eines gemäßigten Midtempo äußert. Das ist kein entscheidendes Problem, denn die Riffintensität liegt auf einem Level, das beim genauen Durchhören das Aufkommen von Langeweile zuverlässig verhindert (was beim Nebenbeihören durchaus passieren kann). Natürlich drückt hier keine Stonerproduktion aus den Boxen, und auch ein Tony Iommi bleibt planmäßig unerreicht, aber von dem mir bekannten Tschornij Kofje-Material enthält "Oni Besy" die energischsten Riffs seit der Entstehungszeit des Materials von "Swetlij Metall". Inwieweit auch die Songthematik düsterer geworden ist, vermag ich mangels eines Textblattes nicht zu sagen, aber der Titel "Oni Besy" ("Sie sind Teufel") kann durchaus als Indiz für diese These gewertet werden, zumal der Titeltrack und "Ty Molot" auch noch für Dmitri Warschawskij ungewöhnlich dunkle Vocals aufweisen, wohingegen der größte Teil des Gesangs auch auf dieser neuen Scheibe sich in gewohnten leicht kreischigen Höhen bewegt, wenngleich in die Balladen auch ein neuartiger hoher leidender Gesang eingeflossen ist, den man beispielsweise auch in Kessier Hsus Vocals in der tollen Seraphim-Halbballade "My" wiederfinden kann. Zehn Songs in 42 Minuten weisen Alleinherrscher Warschawskij (die Namen seiner Mitstreiter hält das durch fast völlige Aussagelosigkeit glänzende Booklet gar nicht erst für erwähnungsbedürftig) nach wie vor als Anhänger einer kompakten Songinszenierung aus, wenngleich sich mit dem epischen "Zerkwuschki" und der sehr starken Halbballade "Jablotschnij Spas" (knapp sieben Minuten große Sehnsucht!) auch ein paar ausladendere Tracks finden. Aber ansonsten regieren vergleichsweise kompakte Hardrocker (das Attribut "Hard" darf man hier getrost wieder benutzen), deren Marschrichtung gleich der zähe Opener "Pro Rok" sowohl musikalisch als auch programmatisch vorgibt. Dabei hält sich Warschawskij anfangs auffallend mit technischen Kabinettstückchen und schnellen Gitarrenleads zurück, erst ab Song numero fünf, "Kogda Ni Budj", mit fast gehoben zu nennendem Midtempo auch der schnellste Song der ganzen Scheibe, nimmt deren Anteil deutlich zu, wohingegen sich in "Pro Rok" beispielsweise ein gewisser bluesiger Ton in die Leadgitarrenarbeit eingeschlichen hat, den ich aus dem mir bekannten Schaffen der russischen Truppe so auch noch nicht kannte. Durchs Qualitätsraster nach unten fällt eigentlich nur der Balladenversuch "Raduga" - den titelgebenden Regenbogen haben zahlreiche andere Combos schon bedeutend beglückender besungen, wenngleich der Song nicht wirklich schlecht ist, nur halt ein bissel langweilt. Aber das kompensiert schon der folgende Brecher "Ty Molot", der erbarmungslos nach vorn marschiert und beinahe den meisten Druck der CD entwickelt, nach "Kogda ..." auch der zweitschnellste vertretene Song ist und im Finale gar mit speedigen Stakkati versucht, den temposeitigen Spitzenplatz zu erobern. Doch bedingungslose Härtner waren Tschornij Kofje noch nie, das sollte mittlerweile klar geworden sein, und so gibt's als Ausklang nochmal 'ne Ballade, nämlich das wiederum bezaubernd-eskapistische, leider zu kurz ausgespielte "Wremja", das auch noch die Worte "pjerwij, pjerwij snjeg", also "erster, erster Schnee", in der Bridge transportiert, also auch gut in die Rezensionsjahreszeit Ende November paßt, wo draußen wirklich schon die ersten Flocken vom Himmel schweben. Den textlichen Kontrapunkt setzt "Pro Rok", das die Worte "swetlij metall" beinhaltet - ein guter Rahmen für das Album, das man sicherlich bei www.metalglory.de bekommen kann.
Kontakt: www.grandrecords.ru

Tracklist:
Pro Rok
Poet Ljubow
Zerkwuschki
Oni Besy
Kogda Ni Budj
Jablotschnij Spas
Wsjo Kak Preschdje
Raduga
Ty Molot
Wremja
 




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