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von rls

TRISTANIA: Rubicon   (Napalm Records)

Das ist es nun also, das erste Album der runderneuerten Tristania. Die zentrale Veränderung macht gleich das Cover augenfällig - es zeigt die neue Sängerin Mariangela Demurtas, die 2008 den Posten von Vibeke Stene übernommen hat. Daß sie sich gut eingelebt hat, zeigt der Fakt, daß sie umfangreich ins Songwriting des neuen Albums eingebunden war, was auch auf den neuen Bassisten Ole Vistnes zutrifft. Nimmt man noch den neuen Drummer, die neue Zweitgitarristin und den partiell neuen Sänger hinzu, ergibt sich eine weitgehend neue Formation, zumal der Status von Alt-Keyboarder Einar Moen nach wie vor unklar bleibt: Er hat nur "Illumination" geschrieben (die Praxis, den Titeltrack eines Albums erst auf dessen Nachfolger zu veröffentlichen, kennt man doch schon von Crematory ...) und wird in der Besetzungsliste noch genannt, fehlt aber auf dem Bandfoto und war auch 2010 auf der Tour zum "Rubicon"-Album nicht mit dabei, wobei sein Part vom Band kam und nicht von einem Mitglied aus Fleisch und Blut übernommen wurde. Als einziges Altmitglied in traditioneller Form bleibt somit Gitarrist Anders Hoyvik Hidle übrig. Vor diesem Hintergrund verwundert es erstmal nicht, daß "Rubicon" ein wenig anders klingt als die Vorgängerwerke (wobei der Rezensent den direkten Vorgänger "Illumination" nach wie vor nicht komplett kennt), und man ist eher überrascht, daß es die Entwicklungslinie der Band doch so konsequent fortsetzt, wie es der Weg von "World Of Glass" über "Ashes" und die dem Rezensenten bekannten Teile von "Illumination" angedeutet hat. Und dabei haben Tristania schon einen alten Bekannten reaktiviert: Pete Johansens Violine ist erstmals seit einem knappen Jahrzehnt wieder auf einem Album der Norweger zu hören, auch wenn "The Passing" trotzdem deutlich vom früheren Material zu unterscheiden ist. Das liegt keineswegs nur, aber auch an Mariangelas Stimme - die Band hat bewußt keine Vibeke-Kopie gesucht, sondern eine andere Stimmfarbe ausgewählt, wobei die Sardin ihrer Vorgängerin aber durchaus nahe kommen kann, wenn sie will, wie 2010 live deutlich wurde. Ihre engsten Vergleichsmöglichkeiten finden sich aber eher im holländischen Gothic Metal des letzten und vorletzten Jahrzehnts, und sie verzichtet darauf, gerade "Sirens" (natürlich kein Savatage-Cover) zu einem Direktvergleich mit Vibeke zu gestalten, sondern läßt gerade in diesem Song eine Dominanz der männlichen Stimmen zu. Die Violine ist hier allerdings zu weit in den Hintergrund gemischt, um etwa statt der Sängerin die Rolle der Sirenen zu übernehmen. Gothic Metal spielen Tristania in den zehn neuen Songs (der Digipack enthält noch einen Bonustrack) prinzipiell immer noch, ideenreich gestalten können sie ihn auch noch - aber sie verzichten offenbar bewußt auf manche Elemente aus der Vergangenheit. Die schneidenden Gitarren, einstiges Markenzeichen, aber schon ab "Ashes" nur noch seltene Gäste, fehlen mittlerweile völlig, und auch Kjetil Nordhus' rauhe Vocals halten sich vom extremeren Gebrüll bzw. Geschrei konsequent fern bzw. lassen dieses nur an wenigen Stellen als zumeist in den Hintergrund gemischtes Stilmittel kontrastierenderweise zu. Statt dessen gibt es in "Vultures" mal kurz verzerrte Vocals, wobei hier der auch mitkomponiert habende Sigmund Vegge als Gastsänger genannt ist und die modernere Ausrichtung auch in den Gitarren deutlich wird; der seltsam unbefriedigende Schluß kann hier allerdings nicht richtig überzeugen. Am stärksten an frühere Werke erinnert das träg-düster-romantische "Amnesia", wieder mit Violine ausstaffiert, und auch die abschließende Hymne "Illumination", die mit über acht Minuten doppelt so lange dauert wie die anderen neun Songs im Durchschnitt, könnte dem einen oder anderen Altfan prima reinlaufen, wenngleich man sie sich auch in partiell opulenterem Arrangement vorstellen könnte. Der Opener "Year Of The Rat" mit seinem treibenden, aber verschachtelten Drumrhythmus funktioniert live bestens, könnte aber manchen Altanhänger eher überrascht (und kalt erwischt) haben, auch an die Stakkatodrums in "Magical Fix" wird sich mancher Hörer erst gewöhnen müssen. So bleibt eine von Waldemar Sorychta gut produzierte 47minütige CD, die man trotz der geschilderten, fast stringent zu nennenden Entwicklung besser nicht mit den übermächtigen Tristania-Frühwerken vergleichen, sondern als eigenständiges Werk einer zwar nicht umbenannten, aber trotzdem fast runderneuerten Band begreifen sollte. In dieser Deutungsweise kann "Rubicon" durchaus überzeugen, in anderen wird's vielleicht eher schwierig ...
Kontakt: www.tristania.com, www.napalmrecords.com

Tracklist:
Year Of The Rat
Protection
Patriot Games
The Passing
Exile
Sirens
Vulture
Amnesia
Magical Fix
Illumination



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