www.Crossover-agm.de TRISTANIA: Ashes
von rls

TRISTANIA: Ashes   (Steamhammer/SPV)

Anhand "Libre" und "Equilibrium" konnte man sich auf der Supporttour für Therion im Herbst 2004 schon ein erstes akustisches Bild von Tristanias Viertling "Ashes" machen, und der nach einmaligem Durchhören damals geäußerte Verdacht der stilistischen Variabilisierung kann nun nach intensivem Durchhören verifiziert werden. Natürlich spielen Tristania immer noch Gothic Metal, aber schon "Libre" als Opener macht beispielsweise den produktionstechnischen Unterschied deutlich: Der schneidende Faktor der Gitarren ist fast völlig verschwunden - selbst in Songs, wo Anders Hoyvik Hidle noch diese typischen Linien intoniert (höre den härteren Part von "Equilibrium"), wurde ihnen die Schärfe genommen, geht der Gesamtsound mehr in die Breite, erzeugt Flächen. Und dafür ist besagtes "Equilibrium" ein schönes Beispiel, anhand dessen man diese Entwicklung schon im Liveeindruck evozieren konnte. Und noch etwas fehlt: Pete Johansens Violine ist komplett verschwunden, statt dessen dient jetzt Hans Josef Groh in drei Songs als Cellist - eine vermutlich programmatische Entwicklung, denn die Schärfe der Violinenparts wurde somit gegen den wärmeren, flächigeren Ton des Cellos ausgetauscht. Dagegen bleiben Tristania auch mit den acht neuen Songs an der Spitze des Einfallsreichtums im Gothic Metal, nur haben sie es diesmal nicht ganz geschafft, diese Einfälle in so genialer Weise zu formen, wie sie es auf dem noch relativ konventionellen (und trotzdem brillanten) Debüt "Widow's Weeds" und auch auf dem Vorgängeralbum "World Of Glass" in beeindruckender Manier zu tun pflegten (mit "Beyond The Veil" habe ich mich nach wie vor nicht intensiv genug beschäftigt, um ein fixes Verdikt abgeben zu können). Natürlich musizieren die Norweger auch in den acht neuen Songs auf einem hohen Niveau, aber irgendwie fehlt diesmal das letzte Prozent, das aus sehr guten Tracks Volltreffer macht. In der Asche glüht es noch, aber eine lodernde Fackel wie auf den beiden genannten Alben kann nicht entstehen, wenngleich sich beispielsweise "The Wretched" alle Mühe gibt. Über größere Zeitabschnitte hinweg merkfähige längere Passagen wie etwa in "Tender Trip On Earth" kennt das neue Material nicht, was die Einarbeitung nicht gerade erleichtert - da ist auch die Ballade "Cure" nicht wirklich hitverdächtig, wenngleich sie in ihrem harmonischen Grundgehalt ein weiteres Mal hoch zu punkten weiß (erstaunlich ausgedehnte und doch passende Tonrepetitionen inclusive) und ich über Vibeke Stenes seelenstreichelnde Stimme sicher keine Worte mehr verlieren muß (über ihre back-to-the-roots-Optik auch nicht :-*)). Kjetil Ingebrethsen als Verantwortlicher für die extremen Vocals ist zum ersten Mal auf einem Tristania-Tonträger zu hören (die entsprechenden Parts auf "World Of Glass" hatte noch Trail Of Tears-Ronny als Gast beigesteuert) und ähnelt Ur-Sänger Morten Veland weit genug, um auch den Tristania-Altfan begeistern zu können. Osten Bergoy als Cleansänger fährt besonders mit dem warmen tiefen Einsatz in "Equilibrium" viele Punkte ein, wohingegen er im fast jazzigen ausgedehnten "Circus"-Einleitungspart irgendwie eine Fremdkörperwirkung entfaltet - Kjetils Gekreisch nach dem großen Break paßt da irgendwie besser hin, und die lautere Intonation Ostens im folgenden Spacepart trifft auch ins Schwarze Loch, wird nur leider nicht durchgehalten, sondern macht wieder dem undurchsichtigen Geflüster Platz. Gemäß dem Songtitel wirft Keyboarder Einar Moen hier und da tatsächlich noch zirkusartige Keyboards ein, was dem Song ein ganz eigentümliches Gepräge verleiht. "Shadowman" hingegen wirft die Frage auf, ob Tristania mal mit The Gathering auf Tour waren, denn das Intro hätte originalgetreu auf "Nighttime Birds" stehen können, kehrt als Hauptthema später sogar noch wieder und unterstreicht den eher flächigen Herangehensgestus der Gitarrenarbeit ein weiteres Mal. So richtig schneidende Linien intoniert Anders im Prinzip nur noch zwischenzeitlich mal in "Endogenisis" (dem wohl abwechslungsreichsten Track der gesamten CD), bevor "Bird" die CD wieder in eher balladesk eingeleiteter und konventionell weiterdüsternder, sogar mit einem merkfähigen Chorus ausgestatteter Manier beendet. "Ashes" macht in seiner Gesamtbetrachtung den Eindruck eines stilistischen Übergangsalbums, und ich bin gespannt, welches Ergebnis am Ende dieser hypothetischen Entwicklung zu finden sein wird. Denn trotz der Tatsache, daß "Ashes" nicht ganz mit den beiden genannten Geniestreichen mithalten kann (hochgradig geniale Einzeleinfälle wie das überdrehte Orgelsolo in "Bird", bei dem man tatsächlich einen solchen singen zu hören glaubt, natürlich inclusive), bleibt es doch ein starkes und empfehlenswertes Gothic Metal-Album.
Kontakt: www.tristania.com, www.spv.de

Tracklist:
Libre
Equilibrium
The Wretched
Cure
Circus
Shadowman
Endogenisis
Bird



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