www.Crossover-agm.de
Therion, Tristania, Trail Of Tears   29.10.2004   Glauchau, Alte Spinnerei
von rls

Ein Package mit drei skandinavischen Bands, die ich allesamt in anderen Konstellationen schon mal gesehen hatte - und trotzdem ist es immer wieder interessant, die Veränderungen alter (und überwiegend guter!) Bekannter über die Jahre hinweg zu verfolgen, weshalb ich mich mit einer gewissen Vorfreude nach Glauchau begab.
Der Startschuß erfolgte spinnereiunüblich pünktlich, und zwar um 20.30 Uhr (das war diesmal tatsächlich auch die angekündigte Startzeit!). Trail Of Tears war diejenige der drei Bands, die ich im geringsten zeitlichen Abstand letztmalig live gesehen hatte (anderthalb Jahre) - und trotzdem gab es diverse Überraschungen. Erstens waren die Norweger ohne Sängerin am Start (also nur ein männliches Wesen für die rauhen und eins für die cleanen Vocals), und zweitens fanden sich unter den sechs gespielten Songs gleich drei, die vom noch gar nicht erschienenen neuen Album stammten. Der mit einer gewissen Symphoblack-Schlagseite ausgestattete Düstermetal des "Nur"-noch-Septetts war stilistisch allerdings auch in den neuen Kompositionen noch vorherrschend, wenngleich die Rhythmusgitarre dort etwas weiter heruntergestimmt wurde als in den drei "alten" Songs. Das Problem bestand nur wieder mal darin, die Feinheiten heraushören zu wollen - die Drums waren zu laut abgemischt, so daß speziell von den Gitarren nicht mehr viel übrigblieb, allenfalls die Vocals noch deutlich (wenngleich auch unter zwangsweiser Zurücklassung diverser Harmoniegebilde) zu hören waren. Ansonsten trifft das generelle Verdikt des 2003er Gigs auch auf den 2004er zu, wenngleich das Auditorium diesmal offenbar einen deutlich größeren Narren an der Band gefressen hatte und fleißigst applaudierte, auch eine Zugabe einforderte, die aber nicht bewilligt wurde.
Auf einem direkt über dem Mischpult befindlichen Treppenabsatz stehend, hatte ich nicht nur ähnliche akustische Verhältnisse wie der Soundmensch, sondern konnte auch vorab schon mal einen Blick auf die Setlist von Tristania werfen, die auf dem Mischpult lag. Acht Songs waren also zu erwarten, die sich nicht ganz gleichmäßig auf die Full-Length-Alben verteilten, obwohl es rein rechnerisch möglich gewesen wäre, da Tristania neben Material von den drei bisher erschienenen Alben ebenfalls einen Vorgeschmack auf ihren nächsten Tonträger "Ashes" in den Set einbauten. Dabei bot "Libre" den von der Band gewohnten hochqualitativen Gothic Metal, während der andere neue Song mit fließenden und teilweise etwas über Eck gestellten Harmonien (hauptsächlich von den Gitarren erzeugt - jawohl, Gitarren: Anders Hoyvik Hidle hat wieder einen Partner an diesem Instrument) ausgestattet war, die man vermutlich erst mal in der Studioversion nachzuvollziehen trachten sollte, bevor man auch live diesen Song richtig genießen kann. Auch Tristania hatten nämlich teilweise arge Soundprobleme, wobei es diesmal komischerweise nicht die Drums waren, die alles in Grund und Boden versenkten, sondern die Einzelabstimmung zwischen den Instrumenten bzw. Stimmen zu wünschen übrig ließ. Vibeke Stenes Duettpassagen mit ihrem Cleangesangpartner fuhren so völlig gegen den Baum, obwohl beide in ihren Solopartien ausgezeichnete Leistungen ablieferten (wunderbar: Vibekes engelsartiger Part im leisen Intro zu "Beyond The Veil" - ihre blondierte Phase ist dankenswerterweise übrigens auch vorbei, so daß sie auch optisch wieder den Beglückungsfaktor früherer Tage aufweist). Das "World Of Glass"-Album bedachte man mit "Tender Trip On Earth" und dem Titeltrack, "Beyond The Veil" steuerte neben dem Titeltrack noch "Aphelion" und "Angina" bei, und der bereits während des Sets von einigen Zuhörern stürmisch geforderte Debüttrack "Angellore" (gedankliche Abwesenheit meinerseits aufgrund Übertragung in eine "Widmungskomposition" inclusive) beendete einen erneut guten Set Tristanias, der aber an diverse Leistungen in der Vergangenheit nicht ganz heranreichte.
Viereinhalb Jahre waren vergangen, seit ich Therion das letzte Mal live gesehen hatte, und seitdem hat Christofer Johnsson seinen Status im orchestralen Metalbereich weiter gefestigt - wenngleich noch nicht auf einem Level, der das Mitführen eines kompletten Kammerorchesters auf Tour ermöglichen würde. Erstaunlicherweise hatte man nicht mal die Planstelle eines Keyboarders besetzt, so daß bis auf den Gesang alle metalfremden Komponenten vom Band kam, was der Band spieltechnisch große Exaktheit auferlegte, diese aber dennoch nicht von einer bewegungsfreudigen Performance abhielt (wobei Gitarrist Kristian Niemann den überwiegenden Teil des Gigs in einer recht rückengefährdenden gebückten Körperhaltung bestritt). Für den Gesang hatte man erneut einen kleinen Chor zusammengestellt, bestehend aus je drei Herren und Damen; je ein Mitglied pro Geschlecht übernahm außerdem die Leadvocals in der jeweiligen Stimmlage, so daß sich Christofer auf wenige Einwürfe und die Ansagen (letztere übrigens überwiegend in Deutsch!) beschränken konnte. Therion hatten den besten Sound des Abends, so daß man die stellenweise recht komplexen Kompositionen bzw. Gesangsarrangements recht problemlos nachvollziehen konnte; eine sehr dominante Rolle nahmen beide Leadvokalisten ein - und das zu Recht! Der (über weite Strecken höhentechnisch noch recht gemäßigte) Sopran war nicht von schlechten Eltern, aber was die männliche Leadstimme (bei der es sich übrigens um keinen Geringeren als Mats Leven handelte) ablieferte, fällt schlicht und einfach unter Weltklasse: angerauhter Power Metal-Gesang in allen denkbaren Stimmlagen bis zum hohen Gekreisch, dazu von der ersten bis zur letzten Minute mit einer unglaublichen Sattelschlepperpower - selbst in der letzten Zugabe war kein Abfall der Leistungskraft erkennbar. Von der Setlist her schüttelten Therion ihre Alben seit 1997 einmal durch und mixten daraus den Hauptteil des Sets, wobei sie mit dem sehr harten "Blood Of Kingu" vom neuen (Doppel-)Album einen Auftakt nach Maß erwischten und der Rezensent lediglich noch "Birth Of Venus Illegitima" auf seiner Wunschliste gehabt hätte. Dafür entschädigte ein nach etwas zu trägem Beginn glashartes "Ginnungagap", während sich die Altfans (derer es einige im Publikum zu geben schien) mit einem kurzen Ausflug zum "Lepaca Kliffoth"-Album begnügen mußten. Ja, und dann kam ES: Wie schon Tristania anno 2001 (damals mit dem mittlerweile ins feste Programm installierten "Angellore") intonierten Therion auf dieser Tour einen legendären Song, den sie noch nie zuvor live gespielt hatten: "The Siren Of The Woods", den stärksten Track vom brillanten "Theli"-Album, eine hochemotionale zehnminütige Halbballade, die auch in der Liveversion nichts von ihrer fragilen Atmosphäre verlor und den unbestrittenen Höhepunkt des gesamten Gigs (zumindest für mich) markierte. In die Realität holte mich der Setcloser "Wine Of Aluah" zurück - ebenfalls ausgezeichnet interpretiert und mit einem furiosen Finale ausgestattet, bereitete er das Feld für lautstarke Zugabeforderungen, die dann auch mit "Cults Of The Shadow" und (logisch) "To Mega Therion", zwei weiteren Perlen vom "Theli"-Monumentalwerk, erhört wurden. Natürlich genügte auch das dem begeisterten Auditorium in der nahezu gefüllten Spinnerei noch nicht, und wie schon anno 2000 intonierten Therion auch diesmal als Abschluß wieder einen Klassiker. Zur Auswahl auf dieser Tour standen "Black Funeral" von Mercyful Fate und "Iron Fist" von Motörhead - an diesem Abend entschied man sich für letztgenannten und versetzte die Headbanger noch einmal in einen Zustand der Schwerstarbeit. Damit endete ein Gig, der (trotz einiger kleiner Längen in manchen Therion-Songs und der erwähnten Probleme bei den Vorbands) eindeutig in die Kategorie "Überwiegend Klasse" gehörte.



www.Crossover-agm.de
© by CrossOver