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"Magic Of Angels"-Tour mit Sirenia, Edenbridge, Trail Of Tears, Battlelore, Saltatio Mortis   16.05.2003   Glauchau, Alte Spinnerei
von rls

Teure Tour: Die fünf Bands bringen zusammen immerhin 32 Mitglieder auf die Bühne (soll heißen, es wird etliches an Transportkapazität für Menschen und Instrumente sowie jede Menge Nahrung in fester und flüssiger Form gebraucht). Trotzdem lag der Eintrittspreis bei vertretbaren 15 Euro, was für eine passabel gefüllte Location sorgte.
Saltatio Mortis mußten allerdings noch vor halbleerer Halle spielen. Sie fielen wieder einmal der Unsitte zum Opfer, das Konzert schon 20.30 Uhr beginnen zu lassen, obwohl selbst die Spinnerei-Homepage 21 Uhr verkündete. Stilistisch blieben die einzigen Deutschen allerdings eh Außenseiter mit ihrem etwas elektronifizierten Mittelalterrock, dem ferner die "Angels"-Komponente fehlte (soll heißen, sie hatten keine singende Frau im Line-up). Eine akustische Verwandtschaft zu In Extremo konnte die Band nicht leugnen, aber die zahlreichen elektronischen Effekte und teilweise auch Rhythmen grenzten beide Bands eindeutig voneinander ab. Dafür besaßen Saltatio Mortis keinen Bassisten, aber irgendwie vermißte man den auch nicht. Da ich weder das Debüt "Das Zweite Gesicht" noch das neue Album "Heptessenz" kenne, kann ich keine Einordnungen der recht abwechslungsreichen Stücke vornehmen. Allerdings muß die Band an ihrer Corporate Identity arbeiten: Wenn die meisten der sieben Mitglieder mittelalterliche Gewandung tragen, mit Pseudonymen a la Falk Immenfried von Hasen-Mümmelstein oder Lasterbalk der Lästerliche arbeiten und selbst die Ansagen in einem solchen Stil gehalten werden, fällt es störend ins Gewicht, wenn man einen Gitarristen besitzt, der optisch eher zu den Ärzten paßt (wohingegen der Drummer, der das einzige weitere nichtmittelalterliche Instrument spielte, ebenfalls der mittelalterlichen Optik anheimfiel, die Deutung, man wolle die Divergenz der Instrumentengruppen visualisieren, also nicht greift). Der Instrumentenpark bestand u.a. aus Drehleier, Dudelsäcken und verschiedensten anderen Blasinstrumenten. Mit "Der Heuchler" gedachten Saltatio Mortis auch der Zwangsschließung des "Alarm!" im benachbarten Zwickau aus undurchsichtigen verwaltungstechnischen Gründen. Zum Schluß des Sets gab's Quasi-Covers eines mir im Original nicht bekannten französischen Tanzes sowie des Puppenkisten-Hits "Eine Insel mit zwei Bergen", wobei man letztgenannten deutlich begeisternder und unmonotoner hätte umsetzen können.
Nach einer zügigen Umbaupause (dieses Phänomen sollte sich angenehmerweise durch den kompletten Abend ziehen) betraten Battlelore ungefähr zur verbrieften Anfangszeit die Bühne und standen somit vor einer gut gefüllten Arena. Die finnischen Tolkien-Fans gaben leicht epischen Metal größtenteils unterer Geschwindigkeitsbereiche von sich (das einigen Anwesenden wohl vom RockHard-Sampler bekannte "Buccaneers Inn" markierte die Tempoobergrenze), wobei man vom Keyboard akustisch nur ein paar Leads, aber kaum mal einen harmonischen Teppich erlauschen konnte. Der Sänger hatte sich offenbar das Blechkleid von Oscar Dronjak ausgeliehen, statt eines fallenden Hammers schwenkte er allerdings abwechselnd eine Streitaxt und ein Schwert, was mit der uncorpsepaintigen Kriegsbemalung eines Teils der sieben Bandmitglieder korrespondierte. Impulsives Gebrüll mäßiger Aggressionsstufe lockerte er allerdings auch mit vergleichsweise harmonischem Klargesang auf, unterstützt durch eine in ein relativ knappes schwarzes Kleidchen gehüllte Kollegin, die den oftmals austauschbaren Tanzbewegungen ihrer Rollenkolleginnen ein paar russisch anmutende Elemente hinzufügte, allerdings nicht immer jeden Ton traf. Battlelores Leistung ist anhand der gebotenen fünf Songs also als "ausbaufähig" einzuschätzen. Das Publikum schien den Ausbau allerdings schon als geschehen beargwöhnt zu haben - jedenfalls hallten für eine Vorband geradezu frenetische "Zugabe"-Forderungen durch den Saal, die aufgrund des knappen Zeitrahmens aber unerfüllt blieben.
Von den vorab kursierenden unterschiedlichen Setreihenfolgen erwies sich die auf der Eintrittskarte als richtig: Es ging mit Trail Of Tears weiter. Mit diesem Namen hatte ich irgendwie immer ein reines Gothic Metal-Ensemble assoziiert, aber die Norweger überraschten mich mit einer großen Portion Black Metal im Sound. Ich weiß nicht, ob diese erst auf der neuen CD (die bis auf zwei ältere Songs den Set stellte) in diesem Maße addiert wurde, jedenfalls sorgte sie aber für einen sehr dichten Sound, wobei die Blastbeats des Drummers nicht gerade zu höherer Transparenz beitrugen (die wenigen Gitarrenleads sah man den Gitarristen folglich nur spielen, ohne eine akustische Kontrollmöglichkeit zu haben). Das Oktett schwelgte allerdings auch gern im Midtempo, wo dann neben der Sängerin (deren großer Resonanzraum sehr hohe Töne hervorzubringen, aber diese nicht immer ganz treffend zu plazieren in der Lage war) und dem in ein lackglänzendes Gewand gehüllten und sehr charismatischen Frontkreischer auch noch ein Cleansänger zum Zuge kam, bei dem ich mir sicher bin, daß ich ihn schon irgendwo mal gesehen habe. Die Divergenzpolanlage der Band wurde nicht nur an der Sangesfraktion, sondern auch an den beiden Gitarristen deutlich: Während der Leadgitarrist sich als eher zurückhaltendes, fast in sich gekehrtes Wesen auftrat, gebärdete sich der asiatische Züge aufweisende Rhythmusgitarrist als wildes Rock'n'Roll-Animal. Ein interessantes Gesamtbild war die Folge - wenn man es denn nur akustisch besser hätte vernehmen können.
Noch prekärer sollte die Lage allerdings bei Edenbridge werden, wo Drummer Roland Navratil anfangs der einzige vernehmbare Musikant war, bevor es dem Soundmenschen gelang, wenigstens mal noch Sabines Stimme und Lanvalls kunstvolle Gitarrensoli halbwegs hörbar zu machen. Beides wertete den Gig nämlich enorm auf, der durch den Wegfall der auf CD nachzuhörenden Fragilität etwas an Glanz verlor. Edenbridge fielen durch sehr exaktes Spiel (die Keys kamen komplett vom Band, also war das auch nötig) und eine Riesenportion Spielfreude positiv auf, hatten allerdings wie erwähnt unter den schlechtesten Soundverhältnissen des Abends zu leiden. Erwartungsgemäß stellte das aktuelle "Aphelion"-Album das Gros des Sets - je zweimal griff man auf "Arcana" ("Into The Light", das ich ohne Ansage ob des wenig vernehmbaren Gesangs kaum erkannt hätte, und natürlich "Starlight Reverie") und das Debüt "Sunrise In Eden" ("Holy Fire" und natürlich "Cheyenne Spirit", letztgenanntes als Closer) zurück, spielzeitbedingt verständlicherweise ohne Berücksichtigung der großen Epen (die unter diesen Soundverhältnissen vermutlich auch etwas gelitten hätten). Bei näherer Betrachtung fiel mir ins Auge (bzw. Ohr), daß die beiden "Arcana"-Tracks die einzigen mit konsequenter Doppellead-Ausstattung waren. Allerdings blieben von Lanvalls Meisterschaft akustisch meist nur die Hauptsoli erhalten, kaum die Harmonyparts in den Strophen oder Bridges, die man ihn dann nur greifen sah. Sabine legte ihren Gesang wie auf Tonkonserve zumeist in mezzosopranige Lagen, und meine aufmerksame Begleiterin stellte fest, daß das eingesetzte In-Ear-Monitoring-System nicht ganz exakt zu arbeiten schien (das gebe ich, der ich dies nicht bemerkte, einfach mal so weiter ...). Stilistisch waren Edenbridge hinter Saltatio Mortis die am weitesten vom Rest entfernte Band, und da das Publikum eher auf düstere Kost geeicht schien, leerte sich der Saal vorn etwas, aber die gute Leistung der Band wurde trotzdem mit reichlich Beifall belohnt.
Von mir nicht ganz erwartet, standen Sirenia also quasi auf dem Headlinerposten - und das nach gerade mal einer CD! Aber die Publikumsresonanz gab dem eigenartigen Ablauf recht, denn der vordere Teil füllte sich wieder, und Sirenia fuhren die besten Reaktionen aller fünf Bands ein. Komplett ist die neue Band von Ex-Tristania-Stimme Morten Veland nach wie vor nicht - zwei singende Gitarristen, ein Drummer, eine Sängerin (die eine Art Mixtur aus ihrer Trail Of Tears-Kollegin und einer frühen Vibeke Stene darstellte und auch so ähnlich sang, zudem den "Schlangentanz" letztgenannter tief verinnerlicht haben muß) sowie ein cooler, in Phasen der Inaktivität schon mal in aller Ruhe auf der Bühne rauchender Violinist (war das der legendäre Pete Johansen?) standen auf der Bühne und intonierten das Material, das ausschließlich von der "At Sixes And Sevens"-CD stammte; wer auf die Wiedergabe alten Tristania-Materials spekuliert hatte, wurde also enttäuscht. Die Frage ist allerdings, welcher Teil des Akustischen tatsächlich live produziert wurde, denn ein Großteil kam unverkennbar vom Band, selbst diverse Gesangspassagen (und damit meine ich nicht die logischerweise live nicht reproduzierbaren Orffschen Chöre!). Der mittlerweise langhaarige Morten klingt allerdings immer noch so wie zu Tristania-Zeiten, und auch die schneidenden Gitarrenlinien hat er als Stilelement mitgenommen, wenn auch nicht mehr in ganz so intensiver Ausprägung wie früher (hatte neulich mal wieder das immer noch geniale Tristania-Fulltime-Debüt "Widow's Weeds" im Autoradio laufen). Vielleicht war aber dieser letztere Eindruck auch nur soundbedingt, denn Sirenia hatten zwar bessere Bedingungen als Edenbridge, blieben aber immer noch nicht mit einer befriedigenden akustischen Klarheit ausgestattet, obwohl es insgesamt (auch bei Edenbridge) alles andere als überlaut war (dies war eines der wenigen Metalkonzerte, die ich mir freiwillig durchgehend ohne Ohrstöpsel angehört habe). Der relativ traditionelle Gothic Metal Sirenias beschloß also ein über weite Strecken gutes Konzert mit diversen Steigerungsmöglichkeiten.



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