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STEEL MAID: Raptor
von rls

STEEL MAID: Raptor   (Karthago Records)

Iron Maiden in grün? Nein, eher Ritual Steel in geringfügig anderer Färbung: Gitarrist/Chefdenker Dirk Johannsen war einstmals bei selbiger Combo tätig, und für den Erstling seiner neuen Band Steel Maid rekrutierte er mit Björn Bombach und Martin Zellmer gleich noch die Ritual Steel-Rhythmusgruppe. Da auch noch der gleiche Aufnahmeort gewählt wurde, nämlich die Ivory Tower-Studios von Gitarrist Sven Böge (der außer bei den Studionamensgebern auch noch bei - wer errät's? - Ritual Steel spielt), verwundern diverse soundliche Affinitäten von "Raptor" zum aktuellen Ritual Steel-Album "Invincible Warriors" natürlich nicht - man muß sich also auch hier auf ein relativ grelles Klangbild beim Schlagzeug gefaßt machen, das mit den heutigen Klangidealen dieses Instruments nichts, mit dem Ideal der Achtziger aber auch nur wenig zu tun hat (damals konnte man bestimmte Sachen halt nicht besser umsetzen ...). Und noch eine Parallele zu Ritual Steel: Für "Invincible Warriors" wurde mit John Cason ein US-Sänger verpflichtet, und auch Johannsen hat den Transfermarkt bemüht: Auf "Raptor" singt Al Firiciano aka Al Ravage, sonst - wer errät's? - bei Ravage hinterm Mikrofon stehend; der Kontakt dürfte nicht schwer herzustellen gewesen sein, denn das "Spectral Rider"-Album von Ravage fand ebenfalls via Karthago Records den Weg in die deutschen Plattenläden. Und da sich Ravage und Cason stimmlich zwar nicht gleichen, aber zumindest etwas ähneln und zu allem Überfluß auch noch die Musik gewisse Parallelen zeigt, könnte man "Raptor" durchaus auch als Nachfolgealbum von "Invincible Warriors" verstehen und läge damit erstmal nicht prinzipiell daneben. Aber ein paar signifikante Unterschiede gibt es doch. Zum einen gehen Steel Maid etwas basischer an die Sache heran als Ritual Steel, wo Gitarrist Böge dann hier und da doch mal zum Zaubern neigte, während Gitarrist Johannsen diesen Wunsch hier weitgehend unterdrückt. Das führt im Extremfall zu einem Song wie dem über siebenminütigen Titeltrack, der als Instrumental so basisch inszeniert wurde, daß man wirklich vermutet, hier sei bei der Bearbeitung im Studio die Gesangsspur versehentlich gelöscht worden. Daß Johannsen durchaus auch längere Songs mit sparsamen Mitteln spannend gestalten kann, beweist beispielsweise das knapp siebenminütige "Hellwings Of Fire", wo lediglich der solistische Kinderchor im Intro überhaupt nicht geht, während man die Wiederkehr der Kinderstimmen in den letzten Refrainwiederholungen weit genug in den Hintergrund gemischt hat, daß sie nicht stören und man sie eher als zusätzliche Klangfarbe wahrnimmt. Daß auch Johannsen durchaus gute Detailideen der witzigen Kategorie hat, beweist gleich das in "Hellraiser" überleitende Intro, das die Musiker beim Stimmen zeigt, also quasi eine Situation aus der Klassik in den Metal übersetzt. Aber auch straight durchklöppelnde Songs ohne große Verzierungen wie das nicht mal dreiminütige "Die Fast" fallen ihm gut aus dem Ärmel, vom komischen Schluß mal abgesehen, der harmonisch ganz woanders landet, als man vorher vermutet hätte. So bewegt sich das Songmaterial gekonnt in einem Spannungsfeld zwischen dem eher amerikanisch geprägten Traditionsmetal (allerdings ohne dessen häufige Neigung zum Einbau proggiger Elemente) und deutschen Einflüssen (den Stampfer "Lovebreaker" hätten beispielsweise auch Accept auf ihr Reunionalbum nehmen können, ohne daß dem Hörer ein Stilbruch aufgefallen wäre). Und apropos deutsche Einflüsse: Das Booklet gibt, von drei Vornamen abgesehen, die wohl zu den erwähnten Kindern gehören, keine Information über weitere Backgroundsänger preis - in "Unbreakable" ist man sich aber nahezu sicher, einige Gesangslinien Olaf Hayer zuordnen zu können. Die Sicherheit weicht allerdings schnell wieder, wenn man in anderen Songs Gesangslinien entdeckt, die auch etwas an Hayers Stimme erinnern, aber nahezu zweifelsfrei von Ravage eingesungen wurden (eine derartige Stückelung zwischen zwei Sängern, wie man sie vermuten müßte, würde man Hayer auch diese Teile zuweisen, wäre extrem ungewöhnlich und ihre Nichtnennung zumal bei einem Sänger wie Hayer, der in der Szene deutlich bekannter ist als Ravage, in promotionaler Hinsicht eher kontraproduktiv). Soll heißen: Ravage besitzt eine ziemlich wandlungsfähige Stimme, und eine ihrer Färbungen entspricht der von Hayers typischer Lage. Ansonsten ist ihm von hohem Gekreisch bis hin zu tiefen Kosakenchören nichts fremd, wie man im Mittelteil von "Armageddon" innerhalb weniger Sekunden demonstriert bekommt. In der zweiten Albumhälfte beginnen Steel Maid das Tempo immer weiter rauszunehmen, so daß Speedfreaks mit "Raptor" wohl nicht so richtig glücklich werden, andererseits möglicherweise sogar mancher Doomanhänger an Songs wie dem schleppenden und im Refrain ein originell verschlepptes Drumstakkato auffahrenden "The Falling Angel" Gefallen finden könnten. Diesen Song gibt's zum Schluß sogar noch ein zweites Mal, nämlich als Unplugged-Variante, Kuschelmetal sozusagen, mit dem man sich vom vorherigen, bereits genannten titelgebenden Instrumental wieder erholen kann, das für seine enorme Spielzeit dann doch einen Tick zu ideenarm ausgefallen ist, wenngleich die vorhandenen Ideen alles andere als schlecht sind. Aber gerade das häufig wiederholte Hauptriff erweckt den bereits erwähnten Eindruck, es hätte unter einer Strophe gelegen, der lediglich der Gesang abhandengekommen ist - in den jeweils folgenden melodischen Parts übernimmt dann die Leadgitarre die Rolle einer imaginären Gesangsmelodie. So richtig spannend ist das aber allenfalls in der Analyse, nicht im Ergebnis, wenngleich man auch von der Gefahr des Einschlafens doch noch ein Stück entfernt ist. Aber es gibt deutlich bessere Stücke auf der CD, und wenn Ritual Steel, pardon, Steel Maid, an diesen anzuknüpfen wissen und sich vielleicht gegenüber Ritual Steel doch noch einen Tick mehr Eigenständigkeit verschaffen, sollten sie nicht gleich wieder auf dem Bandfriedhof verschwinden, wie das düstere Cover assoziiert.
Kontakt: www.steel-maid.de, www.karthagorecords.de

Tracklist:
Hellraiser
Unbreakable
Metal War
Hellwings Of Fire
Die Fast
Lovebreaker
Armageddon
The Falling Angel
Raptor (Instrumental)
The Falling Angel (Unplugged-Version)



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