www.Crossover-agm.de RITUAL STEEL: Invincible Warriors
von rls

RITUAL STEEL: Invincible Warriors   (Karthago Records)

Das einminütige futuristische Intro Marke Digitalkampfgetümmel täuscht zumindest in musikalischer Hinsicht, denn die restlichen 44 Minuten musizieren Ritual Steel konsequent rückwärtsgewandt, als hätte es die Neunziger nie gegeben. Dabei bringt es das Quartett allerdings fertig, diverse die Achtziger geprägt habenden metallischen Stile zu verknüpfen. Die ersten drei Songs loten die Spannbreite des eigenen Stils bereits zur Gänze aus: "Riders From Space" (das Intro erschließt sich letztlich aus der textlichen Handlung, die im Jahre 2037 spielt) fliegt mit Lichtgeschwindigkeit durch den metallischen Orbit, neben sich nur einige andere Raumschiffe namens Steel Prophet oder Agent Steel duldend (ist es Zufall, daß auch die Vergleichsbands allesamt stählerne Namen tragen?), der Titeltrack stampft in klassischer deutscher Metaltradition alles nieder, wobei die eleganten Leadgitarren auch hier einen kleinen US-Touch einbringen, und das achtminütige Epos "The Witch" agiert vom Rhythmus her über weite Strecken so verschroben wie obskurere NWoBHM-Bands oder die von ihnen beeinflußten US-Kapellen von Brocas Helm bis zu The Lord Weird Slough Feg. Das führt im letztgenannten Fall dann zu einem Hauptriff, das rhythmusseitig fast genau den schrägen Drumbeats entspricht, von bösen Zungen als holprig und von wohlmeinenden als kultig und originell empfunden werden dürfte. Zwischen dieses Hauptriff mischen sich kurze Doomverschleppungen, aber auch ausgedehntere Parts im normalen Viererbeat, und spätestens in diesem Song erkennt man anhand der ekstatischen Soloarbeit, was für ein As Bandkopf/Alleinkomponist/Drummer Martin Zellmer mit der Verpflichtung von Gitarrist Sven Böge aus dem Ärmel gezogen hat, wobei Proggies schon anhand der Namensnennung im Dreieck gesprungen sein dürften, denn schließlich spielte der Mann auch schon die ausgezeichneten Alben von Ivory Tower mit ein (ist es eigentlich Zufall, daß der Rhythmusgitarrensound in einigen Songs an die Iced Earth der späten ersten Barlow-Ära erinnert?). Bassist Stefan Ikert macht seine Sache gleichfalls ordentlich (auch ihn kennt man von Ivory Tower), das andere As indes steht am Frontmikrofon: John Cason, sonst bei den in bestimmten Kreisen als kultig verehrten Amimetallern Exiled aktiv, beweist, daß es wohl keine Stimmlage gibt, die er nicht erstklassig beherrscht. Der eröffnende extrem hohe Schrei in "Riders From Space" dürfte erstmal allen Nichtclassicmetallern klarmachen, daß das Folgende für sie eher ungeeignet ist, und auch sonst hält sich John eher in den hohen Lagen auf, beweist aber in "The Witch", daß er's auch in tieferen Regionen kann. Ein guter Fang, der auch den einen oder anderen eher durchschnittlichen Song noch aufwerten kann - mit den ersten drei Songs hat die Band nämlich nicht nur die stilistischen Eckpfeiler verdeutlicht, sondern auch das kompositorische Pulver im wesentlichen verschossen, erzeugt zwar immer noch durchaus hörbare Songs, aber keine richtigen Highlights mehr, wenngleich die klassische Mitsinghymne "Can't Stop Rockin'" (die hätte sogar ins Repertoire von Stryper gepaßt) vermutlich auf jedem künftigen Ritual Steel-Konzert einen Ehrenplatz einnehmen dürfte - sogar der Part, wo man das Publikum mit einbeziehen kann, ist vor Minute 4 bereits vorab angelegt. "Che" dagegen hat insgesamt betrachtet zu wenig Substanz, um seine zwölf Minuten Spielzeit zu tragen, obwohl auch hier durchaus einige gute Ideen zu finden sind - das Hauptriff etwa ist stark, wenngleich alles andere als originell, während die Abstimmung der Melodielinien und des instrumentalen Unterbaus hier über weite Strecken nicht überzeugen können und man eher den Eindruck hat, Cason singe etwas losgelöst von den Vorgaben darunter (man höre mal den Schluß des ersten Refrainteils kurz vor Minute 6:30). Der Titel täuscht übrigens nicht - es handelt sich tatsächlich um ein Epos über Ernesto "Che" Guevara, also ein Thema, das man von einer Traditionsmetalband nun nicht unbedingt erwartet hätte, wenngleich das übergeordnete Sujet "Freiheitskampf" für diese Spezies Bands gar nicht so untypisch ist. Freilich hätte Cason mal noch ein bissel an den Lyrics feilen können, denn da hat Zellmer schon den einen oder anderen Grammatikfehler versteckt, auch in den Liner Notes, und überhaupt fällt die hohe Fehlerdichte im Booklet etwas negativ auf, sowohl orthographisch (man sollte den Namen des Coverkünstlers schon richtig schreiben, vor allem dann, wenn der Mann bei den Gastmusikern korrekt aufgeführt ist, und die Seiten des Inlays benennen die Band mal eben in Riutal Steel um) als auch layouterisch (unvermittelt wechselnder Schriftgrad in der Tracklist, diverse Leerzeichenprobleme etc.). Das Coverartwork selbst dürfte wie immer Geschmackssache sein (mein Fall ist der Zeichenstil von Vicente Feijoo halt nicht, wenngleich diese Arbeit hier noch zu seinen besseren gehört und nur die Frage offenbleibt, warum der Ritter rechts vorn wie HammerFalls Joacim Cans aussieht, obwohl vermutlich eher Martin Zellmer gemeint gewesen sein dürfte), und Analoges gilt auch für den auffälligen Snaresound, bei dem zu fragen wäre, warum er in "Riders From Space" dem heute im Traditionsmetal gängigen Klang entspricht, in fast allen anderen Songs aber einen sehr blechernen, fast militärtrommelartigen Touch besitzt, der an Achtziger-Demoaufnahmen erinnert (in "Che" nach Minute 10 paßt der sogar inhaltlich, aber sonst?). Sei's drum: Mit "Invincible Warriors" ist Ritual Steel ein gutes Comeback geglückt (apropos: Ist "A Hell Of A Knight" eigentlich ein Remake eines hypothetischen Titelsongs des ersten, mir akustisch nicht bekannten Ritual Steel-Albums?), das einige exzellente Songs enthält, die den Erwerb für den Traditionsmetalfreund rechtfertigen. Das Ganze gibt's übrigens auch als LP mit verändertem Coverartwork (aus der gleichen Zeichensession allerdings) bei Killermetal Records.
Kontakt: Stefan Riermaier, Feichtetstraße 41, 82343 Possenhofen, riermaier@aol.com, www.karthagorecords.de; www.ritualsteel.net

Tracklist:
Riders From Space
Invincible Warriors
The Witch
No One Can Bring Us Down
Killer Attack
Can't Stop Rockin'
A Hell Of A Knight
Che



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