www.Crossover-agm.de SARACEN: Vox In Excelso
von rls

SARACEN: Vox In Excelso   (Escape Music)

Das ist nun also das bereits in der Rezension zum Re-Release von "Red Sky" und "Heroes Saints & Fools" angekündigte neue Album der Briten von Saracen, diesmal augenscheinlich komplett mit neuem Material bestanden, nachdem "Red Sky" neben damals neuem Material auch einige Neueinspielungen älterer Tracks enthalten hatte. Das hätte in diesem Falle auch schwerlich Sinn gemacht, denn "Vox In Excelso" ist ein Konzeptalbum, und da müssen ja sämtliche Details passen. Rein vom musikalischen Stil her ist keine explizite Änderung festzustellen, denn der typische Epic Rock der Band fand sich in ähnlicher Form auch auf "Heroes ..." und, wenngleich dort mit leicht verändertem Soundgewand, auf "Red Sky". Ob der neue Trommler Mark Cross, der u.a. mit einer Kurzmitgliedschaft bei Helloween hausieren gehen kann, Einfluß auf das wieder deutlich natürlicher anmutende Drumsoundgewand genommen hat, weiß ich nicht; die Besetzungsangabe im Booklet weist ihn "nur" als Special Guest aus, und auch das Bandfoto auf der Bookletrückseite zeigt nur vier Köpfe, wobei sich im Vergleich zu "Red Sky" noch ein weiteres Originalmitglied verabschiedet hat: Richard Lowe hat seinen Platz hinter den Keyboards an Paul Bradder abgegeben, der aber offensichtlich genauso vernarrt in "historische" (und zeitlose!) Keyboardsounds ist wie sein Vorgänger, so daß man den Wechsel allein aus musikalischen Gründen nicht mal bemerkt hätte und einem vielleicht nur aufgefallen wäre, daß "Vox In Excelsis" geringfügig gitarrenlastiger angelegt ist als "Red Sky" - möglicherweise hat Alleinkomponist/Gitarrist Rob Bendelow die Situation also gleich ausgenutzt, um sein Instrument ein wenig dominanter zu gestalten, wobei er sowohl mit seinem Riffing als auch mit seinem Solospiel die auf sich geladene Verantwortung auch rechtfertigt und Paul Bradder trotzdem noch genügend Platz läßt; im riffdominierten Zehnminüter "Mary" etwa spielt Paul die kompletten Zwischenspielsoli des Hauptteils. Zu Recht im Mittelpunkt steht allerdings Steve Bettneys Stimme, die im Vergleich zu der schon sehr ordentlichen Leistung auf "Red Sky" noch einmal an Klarheit und Ausdruck gewonnen hat; der Mann setzt also gerade zu seinem zweiten Frühling an, wobei ihm das Songmaterial wie erwähnt auch sehr gute Chancen zur Darstellung seines gar nicht so breiten, aber trotzdem variantenreich eingesetzten Stimmspektrums bietet. Ganz allein am Mikro steht er nicht, bekommt in "Vive Dieu ... Saint Amour" gesprochene Unterstützung von Gwenola Doron-Wells, und auch die Rezitative zwischen den Songs, die der Fortentwicklung der Story dienen, kommen von einer Frau, nämlich von Meg Fairlie Maunder. Selbige Story behandelt kein sonderlich originelles Thema, denn mit dem Tempelritterorden hat sich mittlerweile jede dritte Geschichtsmetalband schon mal befaßt, wobei Saracen noch die Vorgeschichte hinzufügen, die auch Dan Brown im "Da Vinci Code" schon ausgewalzt hat, also die Theorie, daß Jesus nachts heimlich vom Kreuz herabgestiegen sei, mit Maria Magdalena in die Pyrenäen geflohen wäre und dort eine Familie gegründet habe, von deren Nachkommen dann 1100 Jahre später einer den Tempelritterorden gründete, während eines der Kreuzzüge nach Jerusalem kam und dort in einer Vision von Maria Magdalena die komplette Story der Herkunft erzählt bekam. Unklar bleibt dann halt nur, warum, wenn diese Geschichte schon so eine große Gefahr für die christliche Kirche darstellt (dem ist ja tatsächlich so, denn das hieße ja, daß die komplette auf der Theorie, Jesus sei für die Sünden seiner Jünger am Kreuz gestorben, aufgebaute Theologie hinfällig ist), die Kirche des Mittelalters, immerhin mit einer gigantischen Machtfülle ausgestattet, die Templer als Geheimnisträger nicht kurzerhand gleich in den Anfangstagen als kleines und schwaches Pflänzchen ausgerissen hat, anstatt ihre Macht über zwei Jahrhunderte wachsen zu lassen und sich erst dann mühevoll mit der mächtigen Organisation anzulegen, um sie zu eliminieren und das Geheimnis zu schützen. Diese Frage können auch Saracen nicht beantworten (ganz nebenbei bemerkt erweisen sie sich auch mit dem Cover als Schmalspurhistoriker, denn die alte Weltkarte, die da im Hintergrund hinter der abgebildeten Rüstung liegt, ist erst Jahrhunderte nach der Vernichtung des Ordens entstanden - ob wenigstens die Rüstung in die Templerzeit paßt, sei zur Beantwortung den Militärhistorikern überlassen), also gehen sie kurzerhand darüber hinweg und setzen erst wieder 1307 mit der Vernichtungsgeschichte des Ordens ein, bei der die Gegner der Templer, zu denen inzwischen auch zahlreiche weltliche Fürsten zählten, allerdings für damalige Verhältnisse Maßarbeit leisteten, was bedeutet, daß nur einige entkamen, allerdings immer noch genug, um die Geschichte bis heute am Leben zu erhalten. Die Lyrics finden sich übrigens komplett im Booklet, die eigentlich noch wichtigeren Narrationen aber nicht, so daß man sich diese heraushören muß, was aber wenigstens akustisch kein Problem darstellt, da Meg einerseits recht deutlich spricht und andererseits die unterliegende Musik zurückhaltend genug ausfällt. Austoben kann sich die Band ja dann in den Songs selbst, wobei das gotisch-düstere "Lament" gleich zu Beginn fast an Virgin Black denken läßt, während das flotte "Meet Me At Midnight" danach gleich den Gegenpol markiert und sich die restlichen 10 Songs irgendwo dazwischen einreihen. Zugänglicher Melodic Rock wechselt mit energisch zupackendem Metal, eindringliche Balladen gibt's ebenso wie proggige Wendungen und galoppierendes Riffing (man höre "The Order", in dem man die Templer vor dem geistigen Auge tatsächlich nach Jerusalem reiten sieht), und als erste Vergleichsband taugen nach wie vor Magnum, dagegen nicht mehr ganz so sehr die alten Marillion, weil "Vox In Excelso" unterm Strich doch geringfügig geradliniger und härter ausgefallen ist als seine Vorgänger, und das trotz erneut gern zelebrierter Songüberlänge (die Hälfte der Songs kommt nicht vor der Sechsminutenmarke ins Ziel, neben "Mary" erreicht auch der druckvoll und vielschichtig rockende und das Album musikalisch gut zusammenfassende Closer "Priory Of Zion" über neun Minuten Spielzeit, wobei allerdings jeweils die Narrationszeit eingerechnet ist). So ist "Vox In Excelso" ein Album, das man auch allein musikalisch betrachten und richtig gut finden kann (daß sich auch mal ein etwas langatmiger, nicht so richtig zum Zug kommender Track wie "Chain Reaction" eingeschlichen hat, sei Rob angesichts der vielen gelungenen Exempel verziehen), ohne die Story weiter zu hinterfragen - und wie gesagt: Antworten auf die vielen Fragen, die rings um die Templer noch offen sind, haben auch Saracen nicht - erwartungsgemäß, denn ansonsten wären sie vermutlich mittlerweile schon nicht mehr am Leben, und das wäre in musikalischer Hinsicht dann doch schade.
Kontakt: www.escape-music.com

Tracklist:
Lament
Meet Me At Midnight
Exile
The Order
Militum Christi
Mary
Vive Dieu ... Saint Amour
The Power And The Glory
Chain Reaction
Vox In Excelso
Where Was Their God
Priory Of Zion
 




www.Crossover-agm.de
© by CrossOver