www.Crossover-agm.de PERTNESS: Frozen Time
von rls

PERTNESS: Frozen Time   (Pure Legend Records)

Same procedure as every second year? Fast. Tom Schluchter hat jedenfalls wieder zehn neue Songs beisammen, ergänzt diese wie schon auf dem Vorgängeralbum "From The Beginning To The End" um ein Cover eines irischen Traditionals (diesmal "The Star Of The County Down"), und das Ganze ergibt das dritte Pertness-Album namens "Frozen Time". Georg Hubers Coverlandschaft hat sich wieder einmal etwas verändert - der gotische Architekturbogen und der Berg im Hintergrund stehen da wie eh und je, aber das Drumherum hat sich wieder einmal verändert und ist seit dem Albumvorgänger noch bedeutend unwohnlicher geworden: Die Hochhausbebauung ist im Einsturz begriffen, und da die Umgebungstemperatur offensichtlich recht niedrige Werte angenommen hat, entsteht eine Art Eislandschaft, allerdings mit bizarren Zackenstrukturen, die selbst die berühmten Penitentes, also den sogenannten Büßerschnee auf Gletschern unter tropischer Sonne, an Schroffheit bei weitem übertreffen. Sollte allerdings jemand auf die Idee kommen, Pertness hätten aus dieser Entwicklung auch musikalisch die Konsequenzen gezogen und wären jetzt ins Doom-Lager (remember Winter?) übergewechselt, so belehrt ihn schon die erste halbe Minute des eröffnenden Titeltracks eines Besseren: Ein undeutbares, aber nur wenigsekündiges Intro wird schnell von powervollen Gitarren abgelöst, bis zum ersten doppelstimmigen Leadpart von Schluchter und seinem Sechssaitenkompagnon Tom Zurbrügg vergeht nicht mal eine halbe Minute, und der ebenso plötzlich beschleunigende wie wieder abbremsende Refrain gehört auch zu den definitiv interessanten Momenten auf der Scheibe, wenngleich man sich hier wie auch in diversen anderen Passagen doch wieder einen markanteren Leadgesang wünschen würde. Irgendwie hat gefühlt nämlich eine Art Rückschritt in Richtung erstes Album stattgefunden, wo man bisweilen den Eindruck hatte, Schluchter fehle noch ein wenig die Sicherheit im Umgang mit der eigenen Stimme. Das hatte er auf "From The Beginning To The End" besser gelöst, aber auf "Frozen Time" finden sich nun wieder einige Passagen, wo man sich beim Hören fragt, was uns der Arrangeur an dieser Stelle nun genau sagen wollte (man nehme mal nur den völlig hilflos wirkenden Refrain von "The Last Survival" her). Daß zur dominierenden appellierend-shoutenden Stimmlage mittlerweile auch noch eine geringfügig höhere Dosis fast deathmetallisches Gebrüll und hohes Gekreisch hinzugetreten sind als auf dem Albumvorgänger, erhöht zwar die Vielfalt, wirkt aber hier und da ein wenig gewollt oder erzwungen, aber nicht so, daß der Song dringend danach verlangt hätte, wenngleich auch die Grundaggressivität der Kompositionen einen Tick höher ist und etwa "The Last Survival" deutliche Mittneunziger-Pantera-Anklänge mit sich herumschleppt, diese allerdings durchaus geschickt mit den melodisch-folkigen Gitarrenleads koppelt. Apropos Folk: Dessen Anteil hat auf "Frozen Time" deutlich zugenommen, denn eigentlich basiert nahezu jeder Song auf einer folkigen Melodie, die aufgrund des melodisch bekannterweise limitierten Gesangs meist in den Gitarren durchexerziert wird. Sie hindert Pertness allerdings erneut nicht daran, die Songs mit zahlreichen Tempowechseln auszustatten, was aufgrund prinzipiell ähnlicher Herangehensweisen in etlichen Songs wieder für eine Art Austauschbarkeit sorgt, auch wenn Pertness erneut ein songwriterisches wie spieltechnisches Grundniveau beachtlicher Höhe nicht unterschreiten. Trotz des gefühlt gestiegenen Folkanteils sind sie immer noch irgendwo zwischen Grave Digger und Running Wild einzuordnen (auch diese hatten ja ihre "Folkphasen"), wenngleich die selbstgesteckten Grenzen durchaus hier und da überschritten werden, und die Entscheidung, ob das als Bereicherung zu werten ist, bleibt wie immer am Hörer hängen. Mit der Halbballade "Lost In Time" wird wohl kaum ein Pertness-Anhänger Schwierigkeiten haben, geht sie doch in eine ähnliche Richtung wie diverse Grave-Digger-Halbballaden, während das erwähnte "The Last Survival" aufgrund seiner modernen Thrashkante durchaus auf widerstreitende Meinungen stoßen könnte und auch die generell einen Tick härtere Ausrichtung, die sich auch in einem ziemlich bissigen (allerdings besonders schlagzeugseitig auch recht modernen) Soundgewand widerspiegelt, nicht jedermanns Sache sein könnte. Wer an den früheren Pertness eher die epicmetallischen Elemente mochte, sollte jedenfalls erstmal vorsichtig reinhören und dann entscheiden, ob sie sich nicht in eine ihm unliebsame Richtung entwickelt haben. Zwar sind die Veränderungen nicht so gravierend, daß man den vier Schweizern nun gleich die Freundschaft kündigen müßte, aber über sie hinweghören kann man auch nicht, was das einleitende "Fast" erklärt. Umgekehrt könnten Pertness aber aus dem Folkmetallager neue Fans hinzuwachsen, und das liegt wie beschrieben nicht nur daran, daß die Bandmitglieder (mit Marcel Bühler ist ein neuer Basser am Start) auf den Einzelfotos alle einen Kilt tragen. Freilich ist auch "The Star Of The County Down" wie die Eigenkompositionen zum unvorbereiteten hemmungslosen Tanzbeinschwingen kaum geeignet, da man hierfür die zahlreichen Tempo- und Rhythmuswechsel schon ziemlich verinnerlicht haben sollte. Das mag manchem Hörer durchaus gefallen (wenn er schrittweise Erschließungsarbeit schätzt) und manch anderem nicht (wenn er schrittweise Erschließungsarbeit eben nicht schätzt). Und so gehört "Frozen Time" wie schon sein Vorgänger zu den Power-Metal-Alben, die man kaum schon beim ersten Hören liebgewinnt, zumal es außer der Coverversion und dem Titeltrack kaum große Refrains gibt. Nähere Beschäftigung mit den 47 Minuten kann aber durchaus lohnen.
Kontakt: www.purelegend-records.com, www.pertness.ch

Tracklist:
Frozen Time
My Will Is Broken
Farewell To The Past
No More Messiah
Cold Wind Of Death
I Sold My Remorse
The Last Survival
Lost In Time
Shadow Knights
The Eye Of The Storm
The Star Of The County Down



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