www.Crossover-agm.de PERTNESS: From The Beginning To The End
von rls

PERTNESS: From The Beginning To The End   (Karthago Records)

Die Zivilisation (oder das, was man gemeiniglich dafür hält) macht auch vor der Bergwelt nicht halt, belehrt uns das Cover des neuen Pertness-Albums. Die Szenerie ist nämlich die gleiche wie die auf dem Albumvorgänger "Seven Times Eternity", hier allerdings nicht in der romantisch geprägten Variante, sondern in angedüsterter Modernität mit Bebauung bis kurz vor den Gipfel, wobei ein guter Teil der Bauten dem Genre des Wehrbaus zuzurechnen ist. Es bleiben also zwei Deutungsvarianten, eine pessimistische und eine optimistische, je nachdem, wie die Bilder im Original chronologisch angeordnet sind: Naturzerstörung durch zunehmenden humanen Einfluß oder aber Rückeroberung verlorenen Territoriums durch die Natur nach Verschwinden des humanen Einflusses (die Bebauung sieht hier und da schon recht zerfallen aus). Der potentiellen Besteigbarkeit des Hauptgipfels über den nach rechts vorn streichenden Grat tut freilich all das keinen Abbruch, so daß die Frage aus dem Review zum Albumvorgänger weiter aktuell bliebe. Im musikalischen Vergleich zum besagten Albumvorgänger können sich die Schweizer eine Steigerung in verschiedenen Komponenten gutschreiben lassen. Gute Songideen hatten sie ja schon immer, aber diesmal haben sie es besser verstanden, diese zu schlüssigen Songs zu arrangieren - endete auf dem Vorgänger manches Arrangement etwas unmotiviert im Nichts, so kommen die elf neuen Songs allesamt auf den Punkt, wenn es nötig ist. Die Neigung zur Verarbeitung folkangehauchter Melodien hat Alleinsongwriter Tom Schluchter (welch Name für einen Schweizer :-)) diesmal sogar noch ausgebaut, noch mehr Eigenkompositionen auf diesem Fundament errichtet und kurzerhand auch noch "Foggy Dew", ein irisches Traditional, gecovert. Daraus entstanden ist eine fröhliche speedmetallische Version, die den gängigen Folkpunkversionen in puncto Unterhaltungswert definitiv ebenbürtig ist. Trotz alledem sind Pertness keinesfalls als Folkmetal-Band zu klassifizieren - ihre musikalische Basis liegt eindeutig im traditionellen Metal, und es gibt nach wie vor auch diverse Songs, die völlig ohne folkige Anklänge auskommen, etwa gleich der schleppende Opener "From The Beginning", der mit dem Closer "The End" logischerweise den Rahmen um das Gesamtopus bildet. Die 48 Minuten fallen darüber hinaus auch durch eine deutliche Qualitätssteigerung im Klangbild auf - Bassist Pet Biedermann ist diesmal tatsächlich auch zu hören, der leicht blecherne Charakter der Drums wurde einem ausgewogenen und powervollen Drumsound geopfert, der nur dann noch mit fast punkigem blechernem Ufta-Ufta arbeitet, wenn der betreffende Song an bestimmten Stellen dies als Stilmittel verlangt. Nur der auffällig in den Hintergrund gemischte Gesang in "Remember Their Faces" hinterläßt ein großes Fragezeichen auf der Stirn des Hörers, ob das nun ein technischer Unfall oder aber künstlerische, dann aber sich nicht erschließende Absicht war. In seinem Job als Leadsänger kann sich Tom Schluchter allgemein nämlich eher eine Steigerung gutschreiben lassen - der bisweilen etwas hilflose Eindruck vom Vorgänger ist verschwunden, mit ihm auch die Neigung zu cleaneren Gesangslinien. Der neue Anker hängt klar im angerauhten Bereich und ist dort durchaus sicher eingehängt, also nicht an einer einsturzbedrohten Stelle - soll heißen: Man hat den Eindruck, als habe Tom seine Stimme besser unter Kontrolle und wisse, was er da tut. Daß trotzdem hier und da mal noch was danebengeht, sei ihm verziehen und gleich als Verbesserungsaufgabe ins Stammbuch geschrieben, um auf dem nächsten Album dann vollends überzeugen zu können (man höre sich z.B. mal genau die Zeile "We're creeping to death - there's no return" in "The Legacy" an, wenn man wissen will, wie sich so ein kleiner Problemfall anhört). Auffällig ist des weiteren, daß die Backingvocals etwas aggressiver aus den Boxen gesprungen kommen, was die Einzelshouts angeht (das reicht in "Remember Their Faces" gar bis zu blackmetalkompatiblem Gekreisch), während sich an den Chorpassagen im positiven Sinne nichts verändert hat. Etwas zugenommen hat der melodieunterstützende Einsatz von Keyboards, deren Bediener uns das Booklet übrigens verschweigt, wobei die Tasteninstrumente aber nur in den seltensten Fällen selbst den Cantus firmus übernehmen (das ist in "Invisible Chains" und "Foggy Dew" bisweilen der Fall, wenn sie klanglich an irgendein im Folk geläufiges Instrument erinnern, das der Rezensent spontan nicht zuordnen kann, und taucht auch im ausgedehnten instrumentalen Intro von "Remember Their Faces" nochmal auf). Interessanterweise hat auch die Variabilität im Tempomanagement noch weiter zugenommen - von Anfang bis Ende ein Tempo durchhaltende Songs gibt es so gut wie gar keine mehr, was einerseits Problemfälle wie auf dem Debütalbum, daß die zweite Albumhälfte fast ausschließlich Speedsongs enthielt, beseitigt, andererseits aber auch die einzelnen Songs etwas austauschbarer macht, wenn sie denn dann alle im Wechsel aus Speed- und Stampftempi mit gelegentlichen Akustikverharrungen bestehen. Zudem hat es die Band diesmal nicht geschafft, einen Ohrwurm wie den Refrain des Titeltracks von "Seven Times Eternity" zu schreiben, der auch noch über ein Jahr nach dem Erstkontakt wie mit Widerhaken im Langzeitgedächtnis verankert erscheint. Dafür überzeugt wie dargestellt "From The Beginning To The End" als Gesamtkunstwerk etwas stärker als sein Vorgänger und ist daher für Freunde des episch angehauchten Metals mit deutlichen Folkeinflüssen definitiv erwerbenswert.
Kontakt: www.karthagorecords.de, www.pertness.ch

Tracklist:
From The Beginning
Invisible Chains
Foggy Dew
Blood Rain
My Prophecy
Another Innocent Victim
The Legacy
Decline
Walk Alone
Remember Their Faces
The End



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