www.Crossover-agm.de OSSIAN: As Lesz A Gyöztes/25
von rls

OSSIAN: As Lesz A Gyöztes/25   (Hammer Records)

Der fast unheimlich anmutende hohe Ausstoß guter bis exzellenter Ossian-Alben hat in den letzten Jahren nun doch eine gewisse Bremsung erfahren, und diese Aussage bezieht sich nicht etwa darauf, daß Ossian jetzt schlechte Alben herausbringen würden, sondern auf eine geringere Veröffentlichungsfrequenz. Seit der Reaktivierung 1998 war bis 2009 in jedem Jahr außer 2006 ein neues Studioalbum erschienen, aber seit dem besagten 2009er "Egyszer Az Életben" lassen es Endre Paksi und seine Mitstreiter in kreativer Hinsicht ein wenig ruhiger angehen: 2010 veröffentlichten sie überhaupt nichts (!!), 2011 sah dann aber wieder ein neues Studioalbum, nämlich das vorliegende "As Lesz A Gyöztes", und außerdem ein großes Package aus Doppel-CD und DVD, die das Jubiläumskonzert zum 25jährigen Bestehen der Band am 25. Mai 2011 in Budapest dokumentiert. Aber auch "As Lesz A Gyöztes" ist als Jubiläumsrelease deklariert worden: Die vorliegende Pressung kommt nämlich als Doppel-CD daher, die neben den 13 neuen Studiotracks noch eine Live-CD vom 28. November 2009 in Budapest (oder in Pecs - da ist man sich innerhalb der Scheibe nicht ganz so einig) enthält und mit einer zusätzlichen Covercard zu einem Release namens "25" wird.
Beschäftigen wir uns zunächst mit den 47 Minuten Studiomaterial, so bemerken wir, daß Ossian diesmal nicht mit der Tür ins Haus fallen, sondern wieder ein instrumentales Intro vorgeschaltet haben - und was für eins! "A Hajnal Fényei" kombiniert Kunststreicher mit einer ausdrucksstarken Leadgitarre, fügt ein wenig Bombast hinzu, und schon ist der Hörer gespannt wie ein Flitzebogen auf das, was nun folgt. Das ist wieder einmal nicht der Titelsong, sondern "Negyedszáz", der mit seinem klassischen Midtempo-Power Metal so urtypisch für die jüngeren Ossian-Alben ist, wie nur irgend etwas urtypisch für diese Alben sein kann, wenn man mal von Endre Paksis Gesang absieht, denn der klingt hier irgendwie merkwürdig, so als ob jemand einen ganz leichten Verzerreffekt über die Gesangsspur gelegt habe. Dieses Stilmittel, sofern es denn eins ist und kein Unfall oder ein Hörphänomen beim Rezensenten, verschwindet später allerdings, wenngleich nicht vollständig - wenn man sich beispielsweise die Strophen in "Üdvözlégy Rock And Roll" mal genau anhört, stößt man auf eine ähnliche Erscheinung, von der der Rezensent nicht so richtig weiß, was er davon zu halten hat. Als Stilmitteleinsatz wäre es für eine urtraditionelle Band vom Schlage Ossians sehr merkwürdig (obwohl man es auf dem 2007er Album "Örök Tüz" bereits angetroffen hat, dort aber so deutlich, daß man es als Stilmittel identifizieren konnte), aber wenn es ein technischer Fehler ist, wäre wiederum zu fragen, warum den niemand bemerkt hat. Sei es, wie es sei - wenn wir das Album weiter durchhören, fällt uns auf, daß es wieder einen Deut schneller geworden ist als seine direkten Vorgänger: In "Végsebesség" und "Démon-Hajó" tritt Peter Hornyák über gute Strecken die Doublebass durch und macht auch auf der Snare mächtig Dampf, wovon sich die solierenden Gitarristen gerne anstecken lassen. Freilich leben sie ihre Spielfreude auch in den anderen Songs oft und gerne aus und retten mit guten melodischen Ideen auch eine Durchschnittskomposition wie "Viharban Létezett" noch auf ein gutes Niveau. Schaut man sich die Komponistencredits an, bemerkt man übrigens, daß das Intro diesmal die einzige alleinige Komposition Paksis darstellt - in allen anderen Songs ist einer der Ossian-Gitarristen als Co-Komponist angegeben, und in "Tüzet A Tüzzel" tritt sogar Bassist Krisztián Erdélyi der Komponistenriege bei. Ob die gegenüber dem Vorgängeralbum wieder etwas erhöhte Stilbreite auf diesen Umstand zurückzuführen ist, darf vermutet werden, entbehrt allerdings eines Beweises. Immerhin baut "Tavaszi Ébredés" einen klassischen Tangorhythmus ein und bedient damit das äußerst spärlich gefüllte Areal des Metal-Tangos, während gleich das folgende "Kettöböl Egy" der Gattung der orchesterunterstützten Halbballade angehört, die man von Ossian auch nur sehr selten hört, wobei hier zusätzlich die unvermutete Beschleunigung kurz vor Minute 3 überrascht. Ihre Hinwendung zu klassischen Klängen macht die Band außerdem mit "Az Ördög Hegedüse (Caprice 24)" deutlich - diesmal also nicht Johannes Brahms, sondern Niccolò Paganini als Quelle, und Arrangeur Richard Rubcsics ist eine hervorragende Übertragung in den metallischen Kontext gelungen. Bei so viel Kreativität ist zu fragen, wie es denn diesmal um den Titeltrack steht, der auf vergangenen Ossian-Alben oftmals den Höhepunkt markierte. Das ist auf der neuen Scheibe wieder geringfügig anders: "Az Lesz A Gyöztes" zählt zweifellos zu den Highlights, ist aber nur eins unter etlichen und besitzt dahingehend keine ganz herausgehobene Stellung. Dafür fällt wiederum der Songcharakter auf: Das Werk beginnt balladesk, entwickelt sich aber zu Midtempo-Metal weiter, der allerdings immer wieder von balladesken Passagen durchzogen wird. Wer es eher geradlinig mag, der wird dafür an "Az Élet Tengerénél" oder "Értünk Száll" Gefallen finden, von denen besonders das erstgenannte eine latente Judas-Priest-Schlagseite mit nach Ungarn bringt. So geht auch "Az Lesz A Gyöztes" wieder als erstklassiges Werk durch, dem man, wenn man eben diese komischen Effekte auf dem Gesang verträgt, auf jeden Fall Gehör schenken sollte.
Der CD-Erwerb lohnt sich allein aufgrund des Studioalbums schon, aber der Livemitschnitt ist natürlich auch nicht zu verachten: 16 Songs plus ein Intro tummeln sich auf 68 Minuten Spielzeit. Für einen Ossian-Headlinergig erscheint das sehr wenig, aber möglicherweise handelte es sich um irgendein Spezialereignis mit begrenzter Spielzeit, oder es wurden etliche Songs herausgeschnitten. Letztere Theorie wird durch die Zusammensetzung der Setlist gestützt: Das seinerzeit aktuelle "Egyszer Az Életben"-Album darf mit "Külvárosi Álmok" und "Vadászik A Vér" nämlich gerade mal zwei Songs beisteuern, der Albumvorgänger "Küldetés" ist nur mit einem Song ("Az Ördögök Mennyországa", Position 3 hinter dem Intro und "A Rock Katonái") vertreten, und das 2007er "Örök Tüz"-Werk fehlt ganz. Für aktuelle Konzertreihen, die ja jeweils auch der Promotion aktueller Alben dienen, wäre diese Auswahl relativ ungewöhnlich. Fetenstimmung herrscht im Publikum dagegen bei diversen "mittelalten" Songs, von denen zwei Klassiker recht früh im Set stehen: "Élö Sakkfigurák" und das unvermeidliche und mit seinen "Rock And Roll Csak Rock And Roll"-Shantys hochgradig wirkungsvolle "Tüzkeresztség II." sorgen für fleißiges Mitformulieren bestimmter Schlagworte bzw. -zeilen im Publikum, was allerdings auch auf "Külvárosi Álmok" zutrifft - das zugehörige Album war zum Konzertzeitpunkt erst zweieinhalb Monate auf dem Markt, da muß also schon mancherlei Überzeugungsarbeit in den Fanherzen geleistet worden sein. Die ist bei den ganz alten Klassikern natürlich nicht nötig gewesen, und von denen, also aus der Phase vor der temporären Auflösung 1994, steht ebenfalls eine ganze Stange im Set, wobei "A Rock Katonái" vom gleichnamigen 1990er Album das Konzert noch fast unauffällig eröffnet, "Mire Megvirrad" vom 1994er "Keresztút" dafür einen melodisch-eleganten hymnischen Schlußpunkt setzt und "Acélszív", der Titeltrack des Ossian-Debütalbums von 1988, Paksi kreischenderweise an seine heutigen Stimmgrenzen führt, was in den Folgesongs auch noch weitere Male passiert, wobei er sich aber so geschickt aus der Affäre zieht, daß ihm das niemand übelnimmt. In "Magányos Angyal", dem zweiten Song eines Akustikblocks, original vom 1991er Album "Itéletnap", überläßt er den Gesang dann in bester Blind-Guardian-Manier zwischenzeitlich ganz dem Publikum. Schade, daß unsereiner in Deutschland nur sehr selten mal die Gelegenheit bekommt, solche großartigen ungarischen Bands live zu erleben - hier wären eigentlich auch die Festivalveranstalter gefragt, aber die buchen halt lieber zum x-ten Mal irgendwelche amerikanischen oder skandinavischen Bands, um auf Nummer sicher zu gehen, obwohl man sich eben gerade mit ungewöhnlichen osteuropäischen Bands profilieren und von der mittlerweile unüberschaubaren Festivalkonkurrenz abheben könnte. Freilich müßte die hiesige Anhängerschaft dann noch ein bißchen Ungarisch üben, um auch so sicher mitsingen zu können wie das Publikum dieses Abends bei "Rocker Vagyok". Diesen Song nutzt Paksi zu ausführlichen Vorstellungen seiner Bandmitglieder, wobei Gitarrist Richard Rubcsics wieder mal seine Affinität zur Klassik deutlich macht, indem er in seinem kleinen Solospot Rimski-Korsakows "Hummelflug" spielt. Mit zwei Zugaben, nämlich dem Hit "Rock And Roll Démon" und dem erwähnten "Mire Megvirrad", endet ein wieder mal beeindruckendes und soundlich fast erstklassiges Tonzeugnis; man hätte sich vielleicht allenfalls die Gitarren noch einen Tick druckvoller gewünscht. Aber das ist Jammern auf hohem Niveau, zumal die Live-CD kein gesondertes Geld kostet, sondern als Zugabe mitgeliefert wird - als eigenständiger Release ist sie offensichtlich nicht erschienen, was freilich auch kontraproduktiv gewesen wäre, denn sie soll ja dem regulären Live-Package mit dem 25-Jahres-Mitschnitt nicht in die kommerzielle Quere kommen. Umgekehrt freilich wird auch ein Schuh draus: Wer noch ein Exemplar der Erstauflage von "Az Lesz A Gyöztes" erwischt (denn nur dieser liegt die zweite CD bei), der bekommt auch gleich noch einen Anreiz, das reguläre Live-Package gleich mit einzusacken. Gut sortierte Importeure wie www.karthagorecords.de können möglicherweise bei der einen oder anderen Beschaffung hilfreich sein.
Kontakt: www.ossian.hu, www.hammerworld.hu

Tracklist:
CD 1:
A Hajnal Fényei - Intro
Negyedszáz
Viharban Létezett
Végsebesség
Az Lesz A Gyöztes
Üdvözlégy Rock And Roll
Démon-Hajó
Tavaszi Ébredés
Kettöböl Egy
Az Élet Tengerénél
Értünk Száll
Az Ördög Hegedüse (Caprice 24)
Tüzet A Tüzzel

CD 2:
Intro
A Rock Katonái
Az Ördögök Mennyországa
Élö Sakkfigurák
Vadászik A Vér
Tüzkeresztség II.
Acélszív
Desdemona
A Pokolnál Hangosabb
Amikor Még
Külvárosi Álmok
Éjfeli Lány (akusztikus verzió)
Magányos Angyal (akusztikus verzió)
A Magam Útjat Járom
Rocker Vagyok
Rock And Roll Démon
Mire Megvirrad
 




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