www.Crossover-agm.de THE LUST: Tangled
von rls

THE LUST: Tangled   (Fono Records)

Das hier ist das Debütalbum einer russischen Band, die zwischenzeitlich noch zwei weitere Alben herausgebracht hat, welchselbige dem Rezensenten aber noch nicht vorliegen - ergo zwei neue Einträge auf der großen Suchliste, denn The Lust beweisen auf "Tangled" ein großes, aber noch nicht so ganz ausgereizt wirkendes Potential, und somit könnten die Folgealben weitere Schritte in die richtige Richtung sein. "Tangled" gibt es neben der hier gerade im Player rotierenden russischen Originalpressung auch in einer mit vierjähriger Verspätung erschienenen Variante für Resteuropa, die von den Griechen von Sleaszy Rider herausgebracht wurde, welche zwischendurch bereits für die Alben Numero zwei und drei verantwortlich gezeichnet hatten. Generell lassen sich The Lust in der Schublade "Melodic Metal mit weiblichen Vocals" ablegen, wo sie sich allerdings schon mit diesem Debüt ihr eigenständiges Eckchen gesucht und dieses auch gefunden haben. Für einen Nightwish-Vergleich fehlen The Lust die klassischen Einflüsse - zwar steuert auch hier ein Gastkeyboarder immer mal Streicherflächen und ähnliche Elemente bei, aber deren Einsatz erfolgt fast ausschließlich in atmosphärisch-hintergründiger Funktion, nicht in einer Führungsrolle, welchselbige ausschließlich Yans Gitarrenarbeit und Mirlas Gesang zukommt. Stimmlich liegt Mirla übrigens zwischen Anette Olzon und Sabine Edelsbacher mit genereller Neigung zu tieferen Vokalbereichen - für einen Edenbridge-Vergleich ist die Musik von The Lust allerdings etwas zu basisch-metallisch, wohingegen stimmlich eher rauhbeinigere Vertreterinnen des schönen Geschlechtes wie Barbara Maltese auch nicht als Ideengeber in Frage kommen. Würde Doro Pesch ein traditionsmetallisches Album mit allerdings durchaus modernem Sound einspielen und entsprechend der genannten tieferen Olzon-Edelsbacher-Mixturstrecke singen, hätte man ein durchaus an "Tangled" erinnerndes Ergebnis vor sich, aber als beste Vergleiche taugen wohl zum einen die Türken Almora (wenngleich die im Direktvergleich deutlich sinfonisch-operatischer zu Werke gehen) und zum anderen die Tschechen Krles - gerade wer die letztgenannten mag, sollte definitiv auch mit The Lust glücklich werden. Moderne Einflüsse bleiben weitgehend außen vor, setzen nur einige auflockernde Akzente, etwa die verzerrten, aber noch nicht im unangenehm wirkenden Bereich angesiedelten Vocals im Schlußteil von "Fate To Fade", das noch nichts über die musikalische Ausrichtung von "Tangled" verratende Intro "...It Comes..." (hier könnte noch alles Mögliche folgen, und wenn die Platte beim Stil des Intros bliebe, würde sie im Ladenregal unter "Chillout" einsortiert werden) oder auch die witzigen Effekte im Solo von "Remember The Day", wobei dieser Song sowieso ein wenig aus dem restlichen Material heraussticht, denn er hat so einen leicht angedüsterten, finnisch wirkenden Unterton und hätte durchaus auch auf ein Album von Lullacry gepaßt. Gönnt sich die Rhythmusgruppe kleine Verschleppungen wie in "Maybe None", tauchen plötzlich gar die Guano Apes oder Die Happy im musikalischen Gedächtnis auf, werden aber schnell wieder weggewischt, wenn im Solo plötzlich schneidende Gitarreneinwürfe auftauchen, wie man sie von "The Wayward Sons Of Mother Earth", also dem Skyclad-Debüt (!), kennt. So verleugnen The Lust ihre musikalischen Wurzeln, die offensichtlich im traditionellen Hardrock/Melodic Metal liegen, nicht, gehen von dort aus aber immer wieder auf kleine musikalische Entdeckungsreisen, deren Forschungsergebnisse sie in qualitativ hochwertiger und gut strukturierter Weise in ihre Songs einbauen. Dabei half ihnen mit Anssi Kippo ein anerkannter Fachmann der Produzentengilde, allerdings nicht als Produzent, sondern als Mischer (ein ausgewogenes Ergebnis ist der Lohn, nur Yans gelegentliche Backingvocals wurden oft sehr weit in den Hintergrund gestellt, was aufgrund ihrer relativ unbedarften Herangehensweise in der Manier von Tuomas Holopainen auf "Angels Fall First" vielelicht auch gar keine schlechte Lösung war ...) und zusätzlich noch als Gitarrist auf "Not The Reason" und "Don't Promise"; auch "Arrangement contributions" weist man ihm im Booklet zu, wohingegen der Löwenanteil der Aufnahmen bei einem Landsmann Kippos getätigt wurden, nämlich bei Antti Ihalainen. Ob die beiden für den leichten finnischen Unterton (in "Remember The Day" ist er am deutlichsten, aber man findet ihn auch in anderen Songs, etwa in der finsteren Einleitung von "Stone Cold") mitverantwortlich sind? Möglich wäre es, aber es ist letztlich auch egal, denn das Gesamtresultat der knappen Dreiviertelstunde sollte trotz des Fehlens absoluter Übersongs (was durch ein durchgängig hohes Niveau kompensiert wird) keinen Genrefreund enttäuschen.
Kontakt: www.fono.ru, www.sleaszyrider.com

Tracklist:
...It Comes...
Dead-End Love
Not The Reason
Be My Absolution
Fate To Fade
Remember The Day
Maybe None
Tangled
Thank You
Stone Cold
Don't Promise



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