www.Crossover-agm.de INVADER: Invader
von rls

INVADER: Invader   (Pure Underground Records)

Invader kommen aus Seattle und haben trotzdem nur indirekt etwas mit Grunge zu tun. Gegründet bereits 1981, schafften sie es im Gegensatz zu Stadtgenossen wie Metal Church oder Queensryche nicht, weltweite Popularität zu gewinnen, und selbst der Aufstieg in die zweite Liga, wo sich Bands wie Culprit oder Mistrust tummelten, blieb ihnen verwehrt, was nicht zuletzt daran lag, daß sie es in den Achtzigern lediglich auf zwei Demoreleases brachten, selbst wenn die durchaus albumkompatible Längen aufwiesen. Erst 1992 erschien, wiederum eigenproduziert, das selbstbetitelte Debütalbum - aber hier kommt jetzt der Grunge ins Spiel, denn sprach man in den Frühneunzigern von Seattle in Verbindung mit harter Musik, so meinte man Nirvana oder Soundgarden, aber definitiv keine klassische Metalband, wie Invader nach wie vor eine waren, obwohl eines der Bandmitglieder auf dem Bandfoto mit umgekehrter Basecap posiert. Somit gelang es dem Quartett wieder nicht, seinen Namen weitreichender zu popularisieren, und Invader verschwanden auf dem Bandfriedhof, bis sie anno 2012 diesem wieder entstiegen. Neues Material ist von der aktuellen Besetzung, zu der noch zwei der vier Altmitglieder gehören (Gitarrist Jeff Olsen und Bassist/Keyboarder Dan Hulford), bisher nicht in Albumform konserviert worden, aber die Spürnasen von Pure Underground Records haben erstmal dafür gesorgt, daß der selbstbetitelte Erstling wieder in den Fokus der metallischen Öffentlichkeit gelangt, und dazu existiert nunmehr sowohl ein CD-Re-Release als auch erstmals eine Vinyl-Edition.
Die Frage bleibt wie immer in solchen Fällen, ob sich diese Wiederentdeckung musikalisch lohnt. Bei Invader muß man diese Frage mit einem klaren Ja beantworten und nur die eine kleine Einschränkung anführen, daß man dem Soundgewand die nicht eben prall gefüllte Bandkasse durchaus anhört und auch das Remastering durch Rocco Stellmacher den leicht polterigen Eindruck nicht ganz vom Tisch wischen konnte. Andererseits greift hier die gleiche Argumentation wie bei Halloweens "No One Gets Out!"-Re-Release: Ein allzu poliertes oder modernes Klanggewand würde auch zu Invader nur bedingt passen, wenngleich sie ihren klassischen US Metal durchaus ein wenig geschliffener anlegen und sich mit "Infinite Quest" gar mit einem ganz Großen der Metalszene messen wollen: Der dreiteilige Song bietet einen typisch US-metallischen Mittelteil, der allerdings von zwei düsteren Teilen flankiert werden, in denen Sänger Gary Cobb aus seinen "normalen", auch schon recht hohen Lagen zum Falsett wechselt und dort stimmlich so gut wie nicht von King Diamond zu unterscheiden ist. Da auch der instrumentale Unterbau stilistisch wie qualitativ durchaus Petersen-kompatibel ausgefallen ist, haben wir hier einen der besten King-Diamond-Songs vor uns, die der King bisher zu schreiben vergessen hat. Da die strukturelle Dreiteilung der Invader-Kreativfraktion so gut gefallen hat, wird sie in "Imaginary World" gleich nochmal angewendet, diesmal u.a. mit Glockenspiel im ruhigen, nur leicht unheimlichen Rahmenteil, wobei der Song als solcher irgendwie ein wenig skizzenhaft wirkt, aber auch in dieser Form durchaus schon Hörfreude bereitet, wenngleich man das Gefühl nicht loswird, hier sei Potential für ein weiteres großes Epos verschenkt worden. Geradliniger kommen die beiden CD-Opener "Master Of Suspense" und "Living Scared" zum Ziel, ebenso "The Fool's Masquerade", das auf der Vinylversion die B-Seite eröffnen dürfte. Gutklassigen, nur leicht breaklastigen US Metal der traditionellen Schule von Helstar bekommen wir hier zu hören, aber die richtigen Trümpfe spielen Invader eben mit den erwähnten und auch noch einigen anderen epischeren Nummern aus, wobei sie auf relativ engem Raum (die zehn Songs dauern summiert die typische Dreiviertelstunde) wie bereits erwähnt durchaus mehrteilige Mini-Suiten hinbekommen oder zumindest ausgedehnte Intros in bester Epic-Metal-Manier vor typischere Hauptteile setzen, wobei "Light Me Up" als Exempel dafür durchgeht, wie dann auch der Hauptteil durch breit angelegte Breaks nochmal untergliedert und bereichert wird. "Victims Of Terror" wiederum bezieht seinen speziellen Atmosphärefaktor durch zusätzliche Geräuschkulissen, die den Text weiter illustrieren, wobei sich generell ein Blick auf die Texte dieser Band lohnt, die sich zumindest partiell von den typischen metallischen Klischees nährt, sie aber in originelle Zusammenhänge stellt, so daß besagtes "Victims Of Terror" eben keine simple Serienkillergeschichte bleibt, sondern diese ein Nachspiel hat. Das mit Streichern ausgestattete sechseinhalbminütige "Legends", das den Silberling wie den schwarzen Rundling abschließt, gerät zu einer entspannten, allerdings auch wieder einen treibenden Mittelteil eingepflanzt bekommen habenden Hymne, die textlich indes durchaus vielschichtig interpretierbar bleibt, während "Light Me Up" eine etwas elegantere Schilderungsform einer Frauengeschichte wählt. Hier und da würde man sich etwas einfallsreichere Refrains wünschen, etwa in "The Uncontrollable Fire", aber das ist angesichts der prinzipiellen Klasse der Songs ein eher geringes Problem - man höre sich nur mal die geschickte Dramatisierung des anfangs noch fast konventionell anmutenden "Glass Castles" an! Somit ergeht die Empfehlung an US-Metal-Gourmets und King-Diamond-Anhänger, diesem verkannten Werk trotz seiner mehr als simplen Optik wenigstens jetzt mindestens ein Ohr zu leihen. Bleibt nun noch die Frage zu klären, ob die Demos auch schon so gut waren (es ist eher wenig von ihrem Material auf "Invader" gelandet) - wenn ja, wäre auch hier ein Re-Release eine feine Sache.
Kontakt: www.pureunderground-records.com

Tracklist:
Master Of Suspense
Living Scared
Victims Of Terror
Infinite Quest
Imaginary World
The Fool's Masquerade
Light Me Up
Glass Castles
The Uncontrollable Fire
Legends



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