www.Crossover-agm.de DIVLJE JAGODE: Od Neba Do Neba
von rls

DIVLJE JAGODE: Od Neba Do Neba   (Song Zelex)

Trotz der Tatsache, daß Divlje Jagode wohl diejenige Metal-Band des damaligen Jugoslawiens waren, die am meisten Platten verkauft hat, sollen laut dem Riermaierschen Osteuropa-Lexikon diese Alben in jüngerer Zeit nur äußerst schwer aufzutreiben gewesen sein - offenbar hat sich niemand freiwillig von diesen Schätzen getrennt, und die politischen Verhältnisse taten ihr übriges dazu. Zumindest in der alten Heimatregion der Band, nämlich Bosnien, hat sich diesbezüglich aber etwas geändert, denn das Label Song Zelex aus Sarajevo hat anno 2007 alle Alben der Band (plus "Magic Love", das 1993er Soloalbum von Gitarrist/Chefdenker Zele Lipovaca) neu aufgelegt. Das hilft dem deutschen Konsumenten zwar auch nicht weiter, aber wenn er denn mal zufällig in Bosnien sein sollte, hat er die Chance, auch in einem winzigen Kleinstadtplattenladen an diese Scheiben heranzukommen, und das auch noch zu recht günstigen Tarifen. Und das lohnt sich, wenn man denn auf traditionellen Hardrock bzw. Melodic Metal steht. Divlje Jagode waren nie große Härtner, sondern fuhren einen gediegenen Hardrocksound, der auch gerne mal ins Balladeske herunterschaltete und in einigen Songs in die andere Richtung, also diamantgeschliffene melodische Härte, pendelte. Exemplarisch rezensiert sei hier "Od Neba Do Neba", original 2003 erschienen und trotz der bis zum Reviewzeitpunkt sechs vergangenen Jahre immer noch das aktuellste Studiowerk der Band, die allerdings live immer noch aktiv ist und beispielsweise 2008 einen Supportgig für Whitesnake an Land ziehen konnte - Witz an der Sache: Zele Lipovaca soll in den Mittachtzigern ein Angebot erhalten haben, bei Whitesnake einzusteigen, das er aber ablehnte. Noch zwei andere "alte Seilschaften" finden sich im Kontext dieses Albums wieder: Fürs Mastering, das in Toronto erledigt wurde, zeichnete u.a. Tihomir Susac verantwortlich - sollte der was mit der alten kroatisch-kanadischen Bandkollaboration Warriors, die es anno 1984 auf ein immerhin via Roadrunner vertriebenes Album brachte, zu tun haben? Eindeutig nachvollziehbar ist hingegen die andere Seilschaft: Toni Jankovic sang gasthalber "Ne Krivi Me" ein - das ist der Ur-Sänger der bereits seit den Endsiebzigern aktiven Divlje Jagode (das erste, selbstbetitelte Album erschien 1978), der seit 2007 auch wieder fest den Platz am Mikrofon eingenommen zu haben scheint. Die anderen Songs vokalisiert Pero Galic, auch ein Guter seines Faches mit einer angenehmen ausdrucksstarken Stimme mittlerer Höhenlage. Mit einem anderen Ex-Sänger Divlje Jagodes muß er sich in "Motori 2003" messen: Wie der Songtitel schon vermuten läßt, handelt es sich um eine Neueinspielung von "Motori", dem Titeltrack des 1982er Albums, und den hatte original Alen Islamovic eingesungen, bekanntlich auch ein Könner. Auch hier schlägt sich Pero nicht schlecht - der Song als solcher ist allerdings auch schon brillant, da beißt die Neueinspielung keinen Faden ab. Trotzdem übertrifft ihn der diesmalige Titelsong "Od Neba Do Neba" noch - ein schleppender, massiver, unbarmherzig nach vorne rollender Track, trotzdem angenehm melodisch bleibend und daher nie richtig bedrohlich wirkend. Hätte er in Gesang und sonstiger Melodik nicht diesen gewissen 80er-US-Hardrock-Touch, der generell in vielen Teilen des Schaffens Divlje Jagodes wohnt, er hätte gar ins Schaffen von Solitude Aeturnus gepaßt. Einen solchen Song hätte man nach dem flockigen Normalrocker "Dobro Doslo Ljubavi", der das dreiviertelstündige Album eröffnet, eher nicht erwartet. In der Folge gibt es dann das erwähnte Spektrum zu hören: mit "Pisi Mi" eine klassische 80er-Poserrockhymne, mit "Kap Po Kap" flotten Siebzigerhardrock mit gar leichtem Folktouch in der Melodik, mit "Ne Krivi Me" und "Marija" traditionelle Halbballaden. Hier und da scheinen die Vorbilder für manche Songs sehr deutlich durch, was im Falle "Kap Po Kap" eine originelle Mixtur aus Ritchie Blackmore's Rainbow (speziell deren Adaption von "Still I'm Sad") mit folkigen Elementen der Schule von Mägo De Oz ergibt, während "Marija" unterm Strich dann doch einen Tick zu stark an Uriah Heeps Schunkler "Lady In Black" erinnert. Aber das schmälert den Hörgenuß des Albums nicht, das übrigens auch ein relativ einheitliches Klangbild trägt, obwohl es in insgesamt sechs Studios (u.a. auch einem in München) über den Zeitraum 2000 bis 2002 hinweg (und mit zwei verschiedenen Drummern) eingespielt wurde. Dagegen sind die beiden Backingsängerinnen, die man auf einem der Livebilder im Booklet sieht (und von denen die linke praktisch nur aus Beinen zu bestehen scheint), in der Besetzungsliste nicht angegeben, obwohl zumindest in "Ne Krivi Me" offenhörlich weibliche Backings erklingen. Ein Keyboarder ist übrigens auch nicht genannt, wobei dieses Instrument auch nur selten tragende Rollen spielt - der Fokus liegt klar auf Zeles Gitarren, seien diese nun akustisch oder aber elektrisch verstärkt. In "Oluja" liegt der leichte Folktouch denn auch in der Gitarrenarbeit verborgen, die bisweilen etwas an Mandolinen erinnert, wohingegen das leicht hektische Drumming dieses Songs und auch der modernere Touch von "TV Kralj" wohl das Ziel verfolgen, nicht nur als ewiggestrige Band zu gelten. Wenigstens sind diese Elemente nicht so stark ausgeprägt, daß sie den Rocktraditionalisten, der insgesamt betrachtet am meisten Freude mit dem Album haben wird, nachhaltig verschrecken, und allein Zeles einfallsreiches Solo in letzterem Track ist zielgruppenübergreifende Beachtung allemal wert. Mit "Ne Zelis Kraj" schließt ein Akustik-Livetrack die hörenswerte Dreiviertelstunde ab, die halt nur wieder mal das alte Beschaffungsproblem aufwirft, das nur in Bosnien selber keines ist (aber selbst auf der Labelpage finden sich die Alben mittlerweile nicht mehr). Also auf nach Südosten! Kleiner Suchhinweis: Das Cover ist so auffällig, daß man es im Laden kaum übersieht - eine äußerst attraktive Dame im knappen roten Kostüm reitet auf einem Zentauren, dessen Pferdeteil aus Metall besteht, und streut dem Betrachter wilde Erdbeeren (das ist die Übersetzung des Bandnamens) hin. Schleunigst einsammeln!
Kontakt: www.song-zelex.ba, www.divljejagode.com

Tracklist:
Dobro Dosla Ljubavi
Motori 2003
Marija
Pisi Mi
Od Neba Do Neba
Ne Krivi Me
Kap Po Kap
Ljubi Me I Ostani
Oluja
TV Kralj
Ne Zelis Kraj
 




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