www.Crossover-agm.de DISTORTED: Memorial
von rls

DISTORTED: Memorial   (Eigenproduktion)

Mit ihrem 2008er Album "Voices From Within" konnten sich Distorted in Europa einen gewissen Bekanntheitsgrad erspielen; immerhin kam das Teil bei den nicht gerade kleinen Candlelight Records heraus. Kaum einer aber wird wissen, daß "Voices From Within" bereits das zweite Distorted-Album war - das Debüt nennt sich "Memorial" und kam anno 2006 als Eigenproduktion zunächst nur im Heimatland der Band, nämlich Israel, heraus, bevor man zumindest noch eine kleine europäische Pressung auf Bad Reputation Records veröffentlichen konnte. Musikalisch dürften die beiden Versionen identisch sein - hier liegt die israelische Originalpressung im Player. Neun Songs feinen Düstermetals gibt es zu hören, der sich streckenweise ungefähr so anhört, als hätten Tristania vor ihrem Debütalbum ihren Keyboarder entlassen. Schon das nur aus Gesang und Trommeln bestehende Intro des Openers "In Your Light" paßt haargenau auf diese Stilbeschreibung, und auch der ganze Song selbst hätte auf "Widow's Weeds" eine prächtige Figur abgegeben. Aber Distorted zeigen sich besonders temposeitig deutlich variabler als die frühen Tristania, wie gleich der Titeltrack an zweiter Stelle deutlich macht, der phasenweise doch recht flott durch die Botanik schreitet, allerdings durch Ori Eshels teils verschlepptes Drumming (hier mixen sich Zweier- und Dreiertakte munter) immer wieder Tempo herausnimmt und im Mittelteil gar einen ausgedehnten ruhigen Part im Dreiertakt einbaut, der sich auch noch mehrmals um Ecken windet, beispielsweise nach einer melodischen Exzelsiorpassage von Ben Zohars Leadgitarre einen finsteren Doompart mit Doublebass entwickelt und diesen Song dann mittels einer Kombination fast aller Stilelemente, welche sich im Arsenal Distorteds so finden, langsam in Richtung seines Endes führt. "Children Of Fall" wiederum läßt im eröffnenden Gitarrenquietschen ein Bild im geistigen Ohr des Hörers entstehen, das eine Fortsetzung wie auf The Gatherings "Mandylion" erwarten läßt, was Ben Zohars erstes melodisches Thema dann aber schnell wieder wegwischt. Überhaupt sind die Leads, generell die Gitarren einer der größten Trümpfe Distorteds, denn Ben und sein Rhythmuspartner Raffael Mor spielen äußerst phantasievoll, ohne dabei aber in dem gemeinen Hörer unverständliche Sphären abzudriften. Sie sind ganz klar im traditionellen Metal verwurzelt, mixen diese Basis aber mit den Sahnehäubchen aus Düster- und Progmetal zu einem exquisiten Cocktail, und wem eine derartige Beschreibung bekannt vorkommt, der darf sich auf die Schulter klopfen: Ja, die Gitarren erinnern mitunter an Nevermore bzw. Sanctuary, allerdings ohne die bei ersteren mittlerweile in Mode gekommene Kellerstimmung. Und auch einen Warrel Dane darf man nicht am Mikrofon erwarten - statt dessen eine andere exquisite Kombination: Raffael hat neben der Rhythmusgitarre noch einen Zweitjob als Growler, den er äußerst kompetent erledigt (mäßig aggressiv, aber recht dunkel gefärbt, ab und an, besonders an Zeilenenden, mitunter in einen Kreischlaut übergehend), aber der Haupttrumpf Distorteds hört auf den Namen Miri Milman, übernimmt den größeren Anteil der Leadvocals und tut dies in einer angenehmen, nichtsdestotrotz sehr expressionistischen und pathetischen Mezzosopranlage. Wenn dann auch noch die Melodik etwas an Forsaken erinnert (man glaubt hier und da besonders deren episches "Via Crucis (The Way Of The Cross)" als ein mögliches Vorbild herauszuhören), hat man so etwas wie die weibliche Version von Leo Stivala vor sich. Anflüge von Stimmverwandtschaft zu Anneke van Giersbergen sind ebenfalls auszumachen, allerdings singt Miri deutlich kraftvoller als die Ex-The Gathering-Chanteuse. Zudem erkennt man diverse orientalische Einflüsse in mancher Melodieführung - hier spielt dann offensichtlich die Herkunft der Band eine Rolle, oder aber Orphaned Land haben eine sekundäre Vorbildwirkung ausgeübt (jede vernünftige israelische Metalband ist an irgendeiner Stelle von Orphaned Land beeinflußt). Miri hat nach dem zweiten Album die Band übrigens verlassen (sie hat mittlerweile einen belgischen Death Metal-Sänger geheiratet, nämlich Sven von Aborted, der auch schon in der Thankslist dieses Albums auftaucht), und in ihre Fußstapfen zu treten wird für jede Nachfolgerin schwer; auch der Drummer von "Memorial" ist mittlerweile nicht mehr dabei. Aber die Band läßt sich nicht unterkriegen, und Ersatz für beide Positionen ist gefunden; besonders auf die neue Sängerin darf man gespannt sein. "Is It The Wind" geht von den Kontrasten her als abwechslungsreichster Song durch (er ist auch der mit den schnellsten Passagen, die fast bruchlos in sanfte Halbakustikpassagen übergehen, ohne daß das Ganze wie Stückwerk wirkt), während "Flesh And Blood" als originelle Zutat noch Yatziv Caspi mit einer Reihe offener Trommeln, die klanglich ein wenig an die kurzen Einwürfe in Sepulturas "Roots Bloody Roots" erinnern, einführt. Das kurze Instrumental "Hesped" schließt ein auch produktionsseitig erstklassiges Album (man war bei Pelle Saether im Studio Underground in Schweden und dann bei Peter in de Betou zum Mastern) ab, das quasi der ganzen Fanschicht in einem imaginären Viereck mit den Eckpunkten alte Tristania, Nevermore, neue In Flames und Within Temptation gefallen müßte.
Kontakt: www.distortedband.com

Tracklist:
In Your Light
Memorial
Children Of Fall
Flesh And Blood
Redemption
Sometimes
Is It The Wind
Illusive
Hesped
 




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