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Sepultura, The Sorrow, Straight Forward   14.02.2009   Leipzig, Hellraiser
von rls

Kommunikationstheoretische Probleme der dritten Art führen dazu, daß von meiner Gästelistenbestätigung, über The Sorrows Promoagentur abgewickelt, am Einlaß niemand was weiß und trotz mitgebrachter Mailbestätigung auch niemand was wissen will. Ein netter Securitymann (!) macht sich schließlich auf die Suche nach The Sorrow, und die legen ein äußerst problemlösungsorientiertes Verhalten an den Tag, suchen nach einer Lösung und zwischenfinanzieren letztlich sogar die daraus resultierenden Kosten. Hut ab - so sammelt man Sympathiepunkte.
Durch die organisatorischen Querelen verpassen wir allerdings die erste Hälfte des Auftritts von Straight Forward, die pünktlich 21 Uhr zu spielen beginnen, zumindest visuell - der Sound hingegen dringt bis in den Vorraum bzw. vor die Tür und ist da nicht mal schlecht, zumindest relativ ausgewogen. Das ändert sich, als wir in der Halle ankommen, denn dort geruht der Drumsound die Gitarren deutlich in den Schatten zu stellen, was gerade für progressiven Death Metal natürlich pures Gift darstellt. Und dabei gehören Straight Forward noch nicht mal zu den Tempobolzern mit entsprechend hoher, gar ineinandergleitender Schlagquote - erstaunlich oft erklingen schleppende bis midtempoorientierte Passagen, bisweilen auch ganz auf sanfte Akustikinterludien zurückschaltend. Von der Struktur her ist das alles zweifellos interessant, nur ohne hörbare Gitarrenfeinheiten gerade im Riffing (die Leads sind leidlich durchhörbar) verliert es einen guten Teil seines Reizes. Torstens rauher, aber nicht übermäßig extremer Gesang paßt gut zum Material und widerspricht dessen vielschichtiger Anlage zumindest nicht grundlegend, die allesamt langhaarige Saitenfraktion sorgt für reichlich bangende Bewegung auf der Bühne, und einige Die Hard-Anhänger der Sachsen-Anhaltiner sind auch anwesend, die nach dem Setende sogar lautstark eine Zugabe einfordern, welchselbige allerdings nicht gewährt wird. Interessante Band und ein Paradoxon: Dem Gig hätte man aus akustischen Gründen vielleicht sogar besser von draußen beigewohnt ...
Die Tickets weisen als geplanten Supportact die belgischen Deather Aborted aus, aber bereits einige Wochen ist bekannt, daß The Sorrow diese Funktion ausfüllen, und so haben auch die Österreicher einige Die Hard-Fans vor Ort dabei - nach den neun Songs sind allein in meiner unmittelbaren Nähe wieder einige neue dazugekommen. Dabei müssen auch The Sorrow unter leichten Soundproblemen leiden, denn die Drums sind immer noch zu laut eingestellt und geruhen die Gitarren etwas zu überlagern, wobei in diesem Falle stets genügend Riffpower am Start ist, aber die Melodielinien zu sehr im klanglichen Abseits stehen und sich auch die harmonischen Einfälle in Verbindung mit den gelegentlichen Cleaneinwürfen nur unter Schwierigkeiten erschließen lassen. Das kompensieren The Sorrow allerdings mit einer immensen Portion Power, einer unbändigen Spielfreude und einem sicht- wie hörbaren Enthusiasmus, sich notfalls auch jeden Fan einzeln zu erspielen. Da die Tour schon einige Tage läuft, hinterlassen sie zudem einen perfekt eingespielten Eindruck, obwohl sie mit einem Ersatztrommler antreten müssen, da der etatmäßige Stelleninhaber Dominik verhindert ist: Der Ersatz heißt Nick Wachsmuth, spielt sonst bei Maroon und erledigt einen erstklassigen Job, obwohl das wendungsreiche Material beileibe nicht mal eben über Nacht einzustudieren ist. Auch musikstilistisch muß man vor The Sorrow den imaginären Hut ziehen, denn obwohl Metalcore mittlerweile längst ein Schimpfwort ist, halten die Österreicher trotz brettharter Metalkante und wenig Coreanteil in diesem Segment aus und stellen dort sogar eine Art Konsensband dar, die ungefähr mittig im Genre liegt, auf die sich also die verschiedenen Metalcoreströmungen am ehesten einigen können müßten. Den Anspruch der Band verkörpert "Where Is The Sun" wohl am besten - der Opener der neuen CD "Origins Of The Storm" eröffnet auch den Liveset und ist etlichen offensichtlich schon durch den letzten Metal Hammer-Sampler bekannt: Die ersten paar Sekunden mähen den Hörer mit Stakkatospeed förmlich nieder, bevor sich ein interessant strukturierter Track entspinnt, der nur wie gesagt aufgrund der Soundprobleme live einiges von seiner melodischen Komponente einbüßt. In der Folge mixen The Sorrow einige neue Songs (das neue Album erscheint erst zwei Wochen nach dem Gig) mit den Highlights ihres Debütalbums, setzen den Mini-Hit "Death From A Lovers Hand" ganz ans Ende der Setlist, toben über die Bühne, als gäbe es kein Morgen, und beherrschen die gängigen Metalposen aus dem Effeff, spielen trotzdem auf den Punkt und machen klar, daß das immer wieder gern, vor allem von selbsternannten Szenewächtern und Neidern, geäußerte Vorurteil einer Kapelle, bei denen Hypefaktor und Fähigkeiten im reziproken Verhältnis zueinander stünden, tatsächlich nur ein Vorurteil ist - mit ähnlichen Vorwürfen müssen sich auch Trivium immer wieder herumschlagen und geben genau wie The Sorrow die richtige Antwort darauf, indem sie sich einfach aufs Schreiben und Performen starker Songs konzentrieren.
Was konnte man im Vorfeld von Sepultura erwarten? Die stilprägenden Glanzzeiten der Band liegen mehr als zehn Jahre zurück (ergo läßt auch der Zuschauerzuspruch durchaus noch Platz für einige weitere Hundertschaften in der Halle), und daß die Frage, ob bzw. wann Max Cavalera denn nun zur Band zurückkehren würde, nicht selten interessierter diskutiert wurde als neue Alben der Band, kann auch nicht als gutes Zeichen gewertet werden. Sepultura selbst scheren sich nicht um derlei Gerede (zumal mittlerweile ja auch Igor Cavalera nicht mehr in der Band ist, sich aber dafür wieder mit Max zu The Cavalera Conspiracy zusammengetan hat), arbeiten unbeirrt weiter - und werden an diesem Abend belohnt, indem sie einen knüppelharten Set spielen und dafür frenetische Reaktionen seitens der Fans einheimsen. Selbst nach den neuen Songs vom "A-Lex"-Album (die erstens noch nicht in jedermanns Ohr angekommen sein dürften und zweitens in den Studiofassungen bisweilen immer noch einen zu orientierungslosen Eindruck hinterlassen) ertönen häufig "Sepultura"-Sprechchöre, und von diesen neuen Songs gibt es eine ganze Anzahl vor allem in der ersten Sethälfte. Und die machen live überwiegend richtig Spaß! Knüppelhart heruntergespielt, setzen sie das Maß der Experimentalität auf einem Level an, das noch zur Steigerung des Interessenfaktors dient, ohne aber die Songs zuzukleistern bzw. zu verwässern; passenderweise dazu stellt die einzige "exotische" Zutat im Sound neben einigen eingespielten Intros eine große, gelegentlich von Sänger Derrick bediente Trommel dar. Nicht unschuldig an der harten Linie, auch an der von der Bühne sprühenden Spielfreude dürfte der neue und augenscheinlich noch recht junge Trommler Jean sein, der die Band offensichtlich in einen Jungbrunnen geworfen hat. Sepultura loten an diesem Abend in den neueren Songs Extreme aus: Wenn sie schnell spielen, dann endlich wieder richtig schnell, und wenn sie das Tempo rausnehmen, dann landen sie (wie in "We've Lost U") nicht selten sogar an der Doomgrenze. Und sie machen das, was sie machen, an diesem Abend mit größtmöglicher Intensität - natürlich pflegen sie auch ihren selbst mitentwickelten Groovethrash der Mittneunziger, aber selbst ein auf Platte etwas experimentellerer Song neueren Datums wie "Sepulnation" (übrigens der einzige Song von einem der zwischen "Roots" und "Dante XXI" angesiedelten Alben, also der kompletten Greene-Frühphase) gerät in der Liveumsetzung zum Thrash-Brecher. An der Livetauglichkeit der älteren Tracks braucht man eh nicht zu zweifeln - man ist allenfalls überrascht, daß Derrick keine zweite Gitarre spielt und unter Andreas' gelegentlichen Soli daher kein Riffing liegt, aber das wirkt sich nicht als Störfaktor aus, denn Jeans Drums sind laut genug (und übrigens nicht überlaut!), um keine Löcher aufkommen zu lassen. Der Livefaktor wird in der ersten Sethälfte allenfalls durch die Pausen zwischen den Songs bis zur Einspielung des jeweils nächsten Intros leicht beeinträchtigt, und die Band macht bis zum Oldie "Troops Of Doom" an Setposition 10 auch keinerlei Ansagen, was mancher als Arroganz mißdeutet haben mag, aber wohl zum geschlossenen Songblock gehörte, denn etwaiges Eis bricht in der zweiten Sethälfte, und die Jungs quasseln und scherzen auf der Bühne, geben sogar über "Danke" und "Wie geht's?" hinausreichende Deutschkenntnisse zum Besten. Zudem haben sie auf ihrer Homepage ein Voting durchgeführt, um die Fans aus einer gewissen Auswahl einige Songs der Setlist bestimmen zu lassen, und so kommt das Publikum in den Genuß etwa von "Nomad" vom "Chaos A.D."-Album, das aber auch sonst logischerweise einen recht breiten Raum in der Setlist einnimmt. Mit "Refuse/Resist", "Territory" und "Arise" gerät der Schluß des Hauptsets zum Fest für alle Altfans, bevor die Brasilianer mit ihrem auch nicht mehr so neuen amerikanischen Fronthünen (Derrick ist immerhin auch schon wieder über zehn Jahre in der Band und liefert an diesem Abend eine erstklassige Vorstellung ab, sowohl als Sänger als auch in der Frontmannrolle) für vier Zugabesongs zurückkehren, wobei sie den ersten noch ohne Derrick bestreiten: "Kayowas Jam" sorgt für einen Instrumentendialog, wie man ihn sonst eher aus dem klassischen Hardrock her kennt, bevor noch einmal die Thrash-Post mit zwei neuen "A-Lex"-Songs abgeht und an Setposition 23 endlich das erklingt, worauf alle warten: Die Walze "Roots Bloody Roots" entläßt die Anhängerschaft nach einem langen und mitreißenden Gig in die Nacht.
Setlist Sepultura:
Intro: Alex IV
A-Lex I/Moloko
Intro/Filthy Rot
What I Do!
Mass Hypnosis
Convicted In Life
Intro/We've Lost U
Alex II/Treatment
False
Intro/D.E.C.
Troops Of Doom
Forceful Behaviour
Alex III/The Experiment
Manifest
Amen
Nomad
Sepulnation
Refuse/Resist
Territory
Arise
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Kayowas Jam
Enough Said
Conform
Roots



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