www.Crossover-agm.de
CENSUS OF HALLUCINATIONS: Nine Lives
von rls

CENSUS OF HALLUCINATIONS: Nine Lives   (Stone Premonitions)

Lustiges Coverversionenraten bei Census Of Hallucinations: Der Opener von "Nine Lives" heißt genauso wie die Scheibe und ist kein Cover von Aerosmith, statt dessen findet man ein paar überraschende sphärische Elemente, die eher an das "Purpurmond"-Intro der Münchener Freiheit erinnern. Fündig wird man dagegen an Position 2, denn da steht "The Green Manalishi/Oh Well" aus dem Fundus von Fleetwood Mac, der Metalfraktion erstteilig eher von Judas Priest bekannt; diese Fraktion versteht dank des via Priest veröffentlichten Subtitels "... With The Two-Pronged Crown" auch die Bookletwidmung an George Bush und Tony Bliar (sic!) - diese beiden werden nämlich als Kandidaten für die beiden Kronenzacken nominiert. Ihren Humor haben Census Of Hallucinations also offenbar ebensowenig verloren wie ihre erdverbundene Arbeitsweise und ihre Fähigkeit, aus abgedrehten Einfällen ein großes Ganzes zu spinnen. "Nine Lives" greift dabei die strukturelle Kleinteiligkeit von "The 8th Dwarf" auf, indem sich auch hier ein großer Anteil an bisweilen eher an ein erweitertes Zwischenspiel anmutenden Songs befindet, was zu 18 Tracks in 71 Minuten führt (nach Subtraktion der vier Longtracks bleiben für 14 Tracks nämlich nur noch 39 Minuten übrig, was eine entsprechende Beschränkung erforderlich macht, was Census Of Hallucinations allerdings in bekannter weise nicht etwa mit einer Reduktion der musikalischen Mittel und/oder Einfälle angehen, sondern diverse Ideen einfach nicht weiter ausarbeiten als unbedingt nötig (manche nicht einmal so weit). In dieser Herangehensweise gleichen die neun Leben eher dem achten Zwerg als dem straighteren siebenten Himmel oder der völlig abgedrehten vierten Dimension (mehr Vergleichsbeispiele besitze ich leider nicht). Nichtsdestotrotz grüßen Pink Floyd immer noch regelmäßig von Wolke X herab, wenngleich die "Hitdichte", ja die "Massenkompatibilität", die Floyd irgendwann mal anzusetzen gelernt hatten, bei Census nach wie vor verkümmert bleibt. Mit "Mock Honesty" gibt es gleich an dritter Setposition einen fast melodicrockenden Track, der beweist, daß die so etwas wie Hits schreiben könnten, wenn sie denn wollten. Aber sie wollen eben über weite Strecken nicht und geben sich lieber sechs Minuten outchillender Ambientschwelgerei mit gelegentlichen tiefergelegten Vocals im Hintergrund hin ("Integration II"). Das erfolgt dann wieder so ausgedehnt und mit "Into The Light (Take My Hand)" gleich noch um drei Minuten verlängert, daß man sich bisweilen doch mal wieder nach einem "richtigen" Song zu sehnen beginnt und des Klangwanderns irgendwann mal müde wird - eine Erscheinung, die schon auf den Vorgängern mal ganz vorsichtig um die Ecke lugte, auf "Nine Lives" aber manchmal den Kompletten Kopf um die Ecke reckt und dem Hörer die Zunge rausstreckt. Denn: "Into The Light" wird gefolgt vom siebeneinhalbminütigen "Magna Mater", und auch dort passiert außer ein paar verhaltenen ambienten Variationen eigentlich mehr oder weniger nichts. Es gibt ja zweifellos Menschen, die sowas lieben und in solchen Klangseen förmlich baden gehen, aber der Rezensent braucht zumindest nach einer gewissen Zeit dann doch mal wieder was Griffiges, und die Griffdichte ist auf "Nine Lives" streckenweise etwas arg dünn. Der nächste Anhaltspunkt folgt nämlich erst im pseudofolkigen "One Day At A Time", dessen Hauptthema man irgendwo schon mal gehört zu haben glaubt, was es aber nicht unbedingt schlechter macht. Und einen alten Volksgenossen können Census Of Hallucinations auch richtig gut imitieren, wie "In An Old Folk's Home" beweist. Aber Tims charakteristische Gitarrensprache und auch Terris typische Vocals leiden ein wenig unter dem sehr klangteppichorientierten Gestus vieler der Kompositionen, was "Nine Lives" irgendwie austauschbarer macht als seine Vorgänger, zumal auch das Humorlevel nicht mehr ganz so hoch liegt wie früher. Beispielsweise weiß ich nicht so richtig, was ich vom Zehnminüter "The Mental Minstrels" halten soll. Pink Floyd hätten die nicht uninteressante Flächenmalerei spätestens nach dreieinhalb Minuten abgebrochen und begonnen, einen "richtigen" Song aus all den verschiedenen Andeutungen und Möglichkeiten zu schmieden - Census Of Hallucinations denken gar nicht daran, sondern schweben weiter durch den Raum, entfernen sich dabei auch weiter als bisher gewohnt von Dice und Konsorten. Das muß jeder Hörer natürlich ganz individuell bewerten, aber wenn ich das aktiv hören soll, ohne dabei eine schöne Frau im Arm zu haben, mit der ich mich nebenbei noch beschäftigen kann, dann wird mir in Kürze langweilig, selbst wenn das asiatisch anmutende "Leadinstrument" (wenn man in diesem Zusammenhang diesen Begriff gebrauchen kann) ab Minute 7 noch einmal für kurzes Aufhorchen sorgt und für einen Moment tatsächlich so etwas wie einen Spannungsbogen aufbauen zu können scheint, was in realitam aber erst die Fanfarenstöße kurz vor Minute 9 schaffen, die den Weg für eine finale Blechbläserkakophonie bereiten, nach der jegliche Anwandlungen, mit einer schönen Frau zu träumen, erstmal wieder im Orkus verschwunden sind. Die kommen dafür im Anschluß bei "Now I Know" wieder zum Vorschein, das die eigentliche Sensation von "Nine Lives" darstellt. Wäre dieses wunderbare Instrumental von Mike Oldfield, es wäre längst ein Welthit - und es stellt Tims Gitarre dorthin, wo sie hingehört: ins Zentrum. Simpel, aber effektiv und einfach nur schön - und die Frage aufwerfend, warum es davon nicht noch ein klein wenig mehr auf die CD geschafft hat. Denn so bleibt "Nine Lives" in der Gesamtbetrachtung leider etwas hinter den anderen mir bekannten Census-Werken zurück.
Kontakt: Stone Premonitions, Arch House, Front Street, Alston, Cumbria, CA9 3QW, UK,
info@archhouse9.fsnet.co.uk, www.Aural-Innovations.com/stonepremonitions

Tracklist:
Nine Lives
The Green Manalishi/Oh Well
Mock Honesty
Brain Drain
The Charlatan Express (Cajun Version)
Integration II
Into The Light (Take My Hand)
Magna Mater
One Day At A Time
In An Old Folk's Home
The Mental Minstrels
Now I Know
Standing In Doorways To Synaptic Gaps
The Glodblug
My God, It's Full Of Stars
Loose Translation
Sensible People
Freedom Fighter





www.Crossover-agm.de
© by CrossOver