www.Crossover-agm.de ASPERA: Ripples
von rls

ASPERA: Ripples   (InsideOut)

Nahm man im letzten Jahrtausend die Termini "Norwegen" und "Progressive Metal" gemeinsam in den Mund, so meinte man damit im Regelfall Black Metaller, die sich aus dem Korsett der sogenannten reinen musikalischen Lehre zu befreien trachteten und Werke einspielten, die eine mehr oder weniger große Nähe zur neuzeitlichen klassischen Musik aufwiesen, oder aber, wenn sie so weit nicht gehen wollten, zumindest ihren Black Metal um 70er-Progrock oder andere mehr oder weniger obskure Zutaten bereicherten. Aber an "traditionellen Progressive Metal" (über die scheinbare Widersinnigkeit dieses Begriffes kann man in Kollege Tobias' Buchreview zu Jeff Wagners "Mean Deviation" einiges nachlesen) pflegte man kaum zu denken. Das hat sich mittlerweile geändert: Zwar blieben Spiral Architect ein Liebhaberthema, aber Pagan's Mind brachten es im neuen Jahrtausend zu einiger Bekanntheit und zogen in ihrem Windschatten junge Talente nach, etwa die formidablen Leprous oder eben Aspera, die offenbar so etwas wie Patenkinder von Pagan's Mind darstellen, wenn man die Thankslist im Booklet des Aspera-Debüts "Ripples" so anschaut. Geholfen hat's definitiv: Alle fünf Bandmitglieder waren beim Einspielen dieses Albums noch unter der 20-Jahre-Marke, trotzdem konnten sie schon auf drei Tonträger verweisen, die sie mit ihrer Vorgängerband Illusion eingespielt hatten, den ersten dabei im zarten Alter von 14 bis 15 Jahren. Und die Erfahrung hört man "Ripples" an, denn wie ein Debütalbum von Grünschnäbeln klingt das hier keineswegs. Klar, die großen Vorbilder Pagan's Mind hört man an allen Ecken und Enden durch (und deren Sänger Nils K. Rue steuerte neben dem Bookletlayout auch noch Backgroundgesänge bei), aber Aspera vermitteln zweifellos den Eindruck, sie wüßten, was sie tun, und bisweilen tun sie durchaus auch was, was man bei den Vorbildern so nicht findet. Da bauen sie etwa gleich in den dem Intro folgenden Titeltrack einen Refrain mit unverkennbarer Schlagseite gen Melodic Rock ein, den Jorn Viggo Lofstad, wenn er sich entscheiden müßte, wo er diesen kompositorischen Einfall einsortiert, wohl weniger bei Pagan's Mind, sondern eher bei Jorn Lande unterzubringen versucht hätte. Überhaupt ist Aspera die nachvollziehbare Gestaltung der Songs sehr wichtig, und da helfen beim Einarbeiten griffige Refrains natürlich enorm. In "Remorse" gibt's auch so einen, und in den wird man förmlich hineingestoßen, denn jeweils vor ihm stoppt die Band den vorherigen Midtempopart unvermittelt ab und schaltet ohne weitere Vorbereitung ins Hymnentempo herunter - ein gewagtes Stilmittel, aber nach einigen Hördurchläufen durchaus liebzugewinnen. Selbst der kurze Blastspeedpart in diesem Song fügt sich nach einer gewissen Gewöhnungsphase problemlos ein, zumal er von einer drumseitig sehr interessanten Auflösungspassage gefolgt wird; Drummer Joachim Strom Ekelund macht optisch sowieso den Eindruck, als sei er irgendeiner Wikingerhorde entsprungen, würde sonst wesentlich härteren Metal spielen und sei nur versehentlich in einer Band von Asperas Ausrichtung gelandet. Technisch lassen sich die Jungs auf alle Fälle nichts vormachen, das Niveau liegt für ihr Alter enorm hoch, und auch die Balanceherstellung zwischen Gitarre und Keyboards spricht für die nötige Reife, sich einerseits von den "Keyboard ist untrue!"-Rufern nicht ins Bockshorn jagen zu lassen, aber andererseits Nickolas Main Henriksen auch keinen Freibrief zu verleihen, alles mit einer süßlichen, klebrigen oder auch kalten Schicht zu überziehen. Nein, die beiden Instrumente ergänzen sich hervorragend, und der Keyboarder kann auch mit seiner Soundauswahl überzeugen, die nicht selten die gute alte Hammond wieder hervorzaubert und damit den rückwärtsgewandten Charakter des Progressive Metal (da ist er wieder, der scheinbare Widerspruch) Asperas noch um eine weitere Komponente zu ergänzen. Auch in puncto Stimmungserzeugung punktet das Quintett schon hoch, wenngleich noch mit Steigerungsmöglichkeiten: So verzaubernd der ruhige Part kurz vor Ende von "Between Black & White", mit reichlich acht Minuten der längste Song der Scheibe, auch ausgefallen sein mag, es hätte von seiner Sorte noch den einen oder anderen mehr geben dürfen, und auch das letzte Quentchen emotionalen Zugriffs darf auf dem nächsten Album noch zugesetzt werden. Selbiges nächstes Album wird allerdings nicht mehr unter dem Bandnamen Aspera erscheinen: Eine weitere Umbenennung hat sich notwendig gemacht, und so wurde "Ripples" zwischenzeitlich nochmal unter dem Bandnamen Above Symmetry wiederveröffentlicht. Positiverweise hat man das sinnige Coverartwork beibehalten und zur besseren Unterscheidung lediglich die Hintergrundfarbe von Blau in Rot geändert, was an Gustavo Sazes' tiefschürfender Aussage nichts ändert: Eine Friedenstaube taucht auf dem Cover in einen Ölsee und entsteigt diesem auf dem Backcover wieder als Kadaver. Da darf sich dann jeder seine Gedanken drüber machen, und der alte Slogan "Thinking Man's Metal" findet ein weiteres Mal seine Anwendung. Aber auch allein aus musikalischen Gründen kann man "Ripples" mögen, zumal Aspera ausgerechnet am Albumende mit "Traces Inside" (mit intelligent arrangierten Kanonpassagen), dem zweiminütigen Interludium "Reflections" (an den seltsamen Gesang gewöhnt man sich langsam, aber stetig) und dem riffseitig bisweilen ein wenig an härtere "Awake"-Exemplare Dream Theaters erinnernden und zu allem Überfluß noch eine Sitar auspackenden, aber sich später deutlich emanzipierenden "The Purpose" (was für ein Doompart ab Minute viereinhalb!) noch drei feine Stücke versteckt haben, die für die Zukunft die eine oder andere richtige Großtat erhoffen lassen - "Ripples" zeigt auf jeden Fall mehr als nur hoffnungsvolle Ansätze und ist für Genrefreunde definitiv einen Test wert. Wer eine spätere Rarität in die Sammlung holen möchte, kann sich auf die Suche begeben, ob er die unter Aspera erschienene Version noch irgendwo bekommt, wohingegen die unter Above Symmetry veröffentlichte Variante mit drei Bonustracks lockt.
Kontakt: www.insideout.de

Tracklist:
Intro
Ripples
Do I Dare?
Remorse
Between Black & White
Catatonic Coma
Torn Apart
Traces Inside
Reflections
The Purpose
 




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