www.Crossover-agm.de JORN: Out To Every Nation
von rls

JORN: Out To Every Nation   (AFM Records)

Der Mann scheint seßhaft werden zu wollen. Jorn Lande hat seine unzähligen Sideprojects größtenteils ad acta gelegt, um sich hauptsächlich auf Masterplan (die auch am kühlschrankfüllendsten agiert haben dürften) und seine Solokarriere zu konzentrieren, und der Gedanke der Seßhaftigkeit drängt sich auch beim Direktvergleich des letzten Jorn-Albums "Worldchanger" (das Debüt "Starfire" ist mir nach wie vor nicht in die Sammlung geflattert) mit dem aktuellen Output "Out To Every Nation" auf, ist das neue Opus doch ein gewisses Stück geradliniger ausgefallen als der Vorgänger, der von Melodic Rock bis hin zu Blastbeats alles verrührte, was nicht bei drei vom Erdboden verschluckt war, der es aber nichtsdestotrotz schaffte, das Ganze trotzdem nicht wie zusammengewürfelt klingen zu lassen. Diesbezüglich hat's "Out To Every Nation" etwas einfacher, denn hier ist im Grunde fast "nur" noch Melodic Metal drauf, wenngleich sich auch dieser noch in genügendem Maße ausdifferenziert, um etwaige Gedanken an Eindimensionalität schon im Keime zu ersticken. Komischerweise sind einige der progressiven Anwandlungen verschwunden (wenn auch nicht komplett) - und das, obwohl sich im neuen Line-Up mit Gitarrist Jörn Viggo Lofstad und Drummer Stian Kristoffersen gleich zwei Mitglieder der proglastigen Pagan's Mind finden. Allerdings braucht ein Song wie der Opener "Young Forever" doch etliche Durchläufe, bis man sich an seine Wendungen gewöhnt hat. Der erste Teil des Hauptsolos erinnert nebenbei bemerkt etwas an Dokken, und zwar an Dokken in einer Livesituation, also tatsächlich nur mit einer Gitarre, während man hier im Studio wohl bewußt auf eine unterlegte Rhythmusgitarre verzichtet hat. Erst im vierten Song "Living With Wolves" stößt man in der Einleitung auf einen äußerst komplexen Rhythmus, der aber bald durch eine doomlastige Strophe ersetzt wird und im Refrain ganz plötzlich für wenige Sekuden das Tempo anzieht. Gerade zu diesem recht sperrigen Track hat die Band auch ein Video abgedreht, und zwar in der Schwerwasserfabrik in Rjukan, welche die Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg besetzte, um das seinerzeit nur dort produzierte Schwerwasser oder Deuterium abzuzweigen, welches eine Grundsubstanz für eine der beiden technischen Möglichkeiten zum Bau einer Atombombe darstellt (die Amerikaner setzten statt dessen auf Graphit und waren bekanntermaßen erfolgreicher als die Deutschen, die u.a. auch durch Sabotage der Norweger an der Schwerwasserproduktion gehindert wurden und denen durch den Kriegsverlauf irgendwann die Kapazitäten zur weiteren Atomforschung ausgingen). Die Norsk Hjudro-Fabrik in Rjukan ist heute ein Museum - daß Jorn Lande aus ebendieser Stadt stammt, war mir bisher nicht bewußt, macht die Themenwahl aber verständlich. Der progressivste Track der CD ist zugleich auch der längste, der mit dem längsten Titel und der beste: "One Day We Will Put Out The Sun" legt über sensenartig schwingende Rhythmusgitarren diverse Klangeffekte (nicht selten läßt Keyboarder Ronny Tegner beispielsweise ein virtuelles Streichorchester zupfen) und baut besonders im Mittelteil diverse intelligente Breaks ein. Diverse eher melodicrockige Tracks gibt's natürlich ebenfalls wieder, und auch diverse einflußtechnische Rückgriffe auf die Siebziger verleugnet der Sänger nicht (schön durchzuhören etwa in "Something Real" oder aber in "Rock Spirit", bei dem man sich eigentlich gewünscht hätte, daß der Song auf der ersten eindringlichen und drauflosgehenden Passage aufgebaut wird, und bei dem der Rockhistoriker nach Überschreitung der Vierminutengrenze noch ein bekanntes Riff entdecken wird), der erneut recht abwechslungsreich singt, aber dabei immer ausrechenbar bleibt. Den ersten Teil von "Behind The Clown" kann aber auch er nicht mehr retten - zu unscheinbar agieren sowohl er als auch seine Mitstreiter im balladesken Teil des Songs (trotz engagiert klingendem Text), finden erst im epischeren Schlußteil zu gewohnter Stärke und Ausdruckskraft zurück, die sie selbst in einem eher zum Mitgrölen angedachten Track wie "Rock Spirit" noch mit gehobenem Anspruch rüberzubringen in der Lage sind. Gute Leistung also erneut, und der ohrenscheinlich erneut interessant betextete schwere Groover "When Angel Wings Were White" (der fast auf ein Album von Rob Rock passen würde) schließt die reichliche Dreiviertelstunde gekonnt ab.
Kontakt: www.afm-records.de

Tracklist:
Young Forever
Out To Every Nation
Something Real
Living With Wolves
Vision Eyes
One Day We Will Put Out The Sun
Behind The Clown
Rock Spirit
Through Day And Night
When Angel Wings Were White




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