www.Crossover-agm.de ASCENSION THEORY: Answers
von ta

ASCENSION THEORY: Answers   (Nightmare Records)

Aufbruchsstimmung verbreiten Ascension Theory. Ein Subjekt, das bekannte Wege verlassen, neue Antworten finden, damit die Welt verändern will. Das heißt zuerst: Alte Antworten müssen verworfen werden. Diesen Verwerfungs- und Neufindungsprozess beschreibt "Answers". Klingt nach irgendeiner Prog-Querdenker-Band? Nein - in dem Sinne, als dass die Texte von "Answers" leicht konsumierbare Kost sind, die dem Anspruch, Antworten zu liefern (der sich auf seine Art und Weise auch durch die Textbildgestaltung zieht), nur bedingt gerecht werden. Ja - weil Ascension Theory Prog spielen, nämlich den der metallernen Art. Nun muss Progressive Metal bekanntermaßen überhaupt nicht progressiv sein, um so heißen zu dürfen, wie er heißt, und auch Ascension Theory machen mehr oder weniger das Gleiche, was Bands wie die türkischen Comma oder die Bulgaren von Music Station auch tun: Sie spielen melodiebetonten, wenig vertrackten, mit steten Keyboardflächen unterlegten Metal mit hohem Männergesang, der für Power Metal einfach zu langsam, zu episch und nicht hart genug ausfällt. Das ist nichts Schlechtes und so können auch Ascension Theory einiges auf der Haben-Seite verbuchen.
Dazu gehört der Opener "Passion Of My Mind". Das Ding kommt schnell auf den Punkt und offeriert einen echten Ohrwurmrefrain. Die Stimme von Leon Ozug beschwört in den Strophen, was im Refrain explizit gemacht wird, den alten Wunsch danach, nur dem eigenen Herzen folgen zu können und zu folgen. Passend wird der Refrain emotional und pathetisch dargeboten. Ozug ist ein guter Sänger, da gerät der Rest schnell in den Hintergrund. Gitarren und Keyboards spielen ausschließlich harmonietragende, nichts selbst anführende Rollen. Die kurzen Soli erfüllen lediglich Konventionen. Viel mehr gibt es auch zum zweiten Song "Lockstep" musikalisch nicht zu sagen; textlich ein Aufruf zu Aktion und Bewegungsmache in der weiten Welt, der allerdings primär dem erzählenden Subjekt gilt. Diese subjektivistische Note zieht sich übrigens durch alle Texte. Das nimmt die Zeigefingernote raus und berührt trotzdem eher den Hörer.
"Perfect Plan" ist dann schon etwas komplexer, dynamischer nämlich, leicht schwebend, mit breiten Gitarrenakkorden im Chorus und einem viel zu kurzen Mittelteil, in dem das Beieinander von Gitarrensoli, perkussivem Bass und Schlagzeug an Psychotic Waltz zu seligen "Mosquito"-Zeiten erinnert. Deibel, hier wäre noch viel mehr rauszuholen gewesen. Überhaupt wirken das Konventionelle in den Songstrukturen, die Zuspitzung jedes Songs auf einen leidenschaftlichen Refrain und die klare Zusagung der songtragenden Rolle an den Gesang wie unnötige Selbstbeschränkungen dieser kreativen Band. Das haben die erwähnten Comma geschickter, komplexer hinbekommen, ohne dabei gleich in Frickelgefilden zu landen.
"Saturn's Reign" ist ein Track, der von dieser Kritik genauso betroffen ist wie die - nichtsdestotrotz nicht gleich schwachen - Tracks davor. An vierter Stelle des Albums wird zum vierten Mal elegisch auf ein leicht stockendes Gitarrenriff die Strophe gepackt, die doch nur notwendiges Übel ist, um den Chorus bedeutsamer wirken zu lassen. Das ist, Entschuldigung, Pop-Methode. Der Chorus ist aber dann wirklich brillant und auch die verspielten und dezent vertrackten Klimpereien in der Mitte nehmen ein wenig die Plakativität und strukturelle Wiederholbarkeit raus. Das sich anschließende "To Be Content" ist die Quoten-Klavierballade, musikalisch und textlich dürr bis klischeebeladen. Mehr ist nicht. Und da plötzlich, am Tiefpunkt des Albums, überfallen einen Synthies und Gitarren, die an, man höre und staune, Rammstein erinnern. Und als ob es hiermit der Überraschungen nicht genug wäre, hat Ozug plötzlich das Geschlecht gewechselt, nennt sich jetzt Beverly Luse und verwandelt "The Way Of Death" in eine kleine Perle. Ein ganzer Song, der von einer Gastsängerin performt wird! Luse klingt nach ausgebildetem Gesang mit ganz leichtem Soul-Touch; ist irgendwie ein arger Kontrast zu dem harten, an Industrial-Sphären teilnehmenden Gitarren/Synthie-Riff, macht das Ergebnis aber sehr spannend. Und wie wenn das nun nicht wenigstens genügte, schieben Ascension Theory gleich den nächsten Brecher hinterher. "Decisions" ist etwas sperriger, im Chorus weniger eingängig als in den groovenden Strophen, mit schönem Mann-Frau-Duett-Gesang Ozug/Luse ausstaffiert - mal abgesehen davon, dass sich die Band endlich traut, längere Instrumentalpassagen zu integrieren (die noch etwas bieder, aber ausbaufähig sind). Noch immer nicht zufrieden? "End Game" wird direkt hinterhergeschoben und ist vermutlich der Höhepunkt des Albums. Was für geiler Gesang! Was für eine Stimmung! Fates Warning zu Zeiten des wunderbaren "A Pleasent Shade Of Gray"-Albums treffen auf die saucoolen PMM-Progger Mythologic und werden in den eher einfach gehaltenen Ascension Theory-Kontext, der an anderer Stelle dieser Rezension kritisiert wurde, perfekt eingepasst. So hätte man sich das ganze Album erträumt! So!
Das folgende, ruhige bis kitschige Instrumental "Refractions" ist eher als Ausklang des vorangegangenen Songs zu begreifen denn als autonomes Songgebilde. Der Titelsong "Answers" schließt daraufhin das Album ab, bündelt noch einmal der Band Stärken (Gesang, Refrains, Geradlinigkeit) und Schwächen (zu Plakativität gesteigerte Geradlinigkeit, strukturelle Einfachheit, Überbetonung von Einzelelementen zuungunsten von songinterner Ausgeglichenheit), schließt mit seinem freakigen Gitarrenriff und einem längeren Instrumentalpart aber eher an die zweite, nicht ganz so einfach konsumierbare Hälfte des Albums an. Konform damit geht der Text: Antworten werden nicht gegeben, sondern verlangt. Auch nicht ganz so einfach konsumierbar.
Fazit: Ascension Theory sind in der Gesamtbetrachtung noch nicht ausgereift genug, um tatsächlich durchweg fesselnde Musik zu machen. Massives Potenzial sowie eine konsequente Gutklassigkeit - nervig oder unhörbar ist kein einziger Song - machen "Answers" aber auch schon zu einem gefundenen ... nun, nicht Fressen, aber Zwischenmahlzeitchen für den geneigten Prog-Head. Der melde sich bei www.AscensionTheory.com oder www.Nightmare-Records.com und sehe, was sich wie machen lässt. Und an die Band: Traut euch ruhig ein wenig mehr Komplexität zu. Bis dahin ziehe ich persönlich noch Comma vor.

Tracklist:
1. Passion Of My Heart
2. Lockstep
3. Perfect Plan
4. Saturn's Reign
5. To Be Content
6. The Way Of Death
7. Decisions
8. End Game
9. Refractions
10. Answers



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