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von ta

MUSIC STATION: Shaping   (UBP International Ltd.)

Hinter einem Cover, auf dem ein menschliches Neugeborenes freudestrahlend aus dem Ei kriecht, während sich am Himmel der Storch noch einmal umdreht, kann schwerlich böse Musik stecken. Bingo. Aber Music Station sind mitnichten das bulgarische Pendant zu J.B.O., sondern, wenn man schon einen Vergleich herbeizitieren möchte, eine hardrocklastigere bis poppigere Variante der Türken Comma, welche mit "Elusive Dreams" vor ein paar Jährchen ein exorbitantes Stück Progressive Metal zurechtgezimmert haben. Music Stations "Shaping" kann aber durchaus ohne ständige Querverweise auf andere Combos beschrieben werden.
Böse Musik fällt also aus. Music Station sind eine Band, die sich aus christlichen Musikern rekrutiert (vielleicht auch jüdischen, so genau verrät die Dankesliste im Booklet das nicht). "Shaping" ist aber mitnichten Lobpreis der Heiligen Dreifaltigkeit, sondern legt eine empfindsame, suchende Seele frei, die sich durch die Täuschungen des Lebens von fremder und eigener Seite getroffen fühlt. Die Texte fallen samt und sonders privatim im Ansatz und vergleichsweise desillusionierend im Grundtenor aus, betören aber den mitfühlenden Rezensenten leicht dadurch, dass sie weitestgehend ohne poetische Verklärungen (nichts gegen diese) auskommen. Bonuspunkt.
Aber "Shaping" ist auch Musik. Nämlich sanfter Prog. Die Produktion fällt differenziert, aber auch poppig aus, die Songs fallen differenziert, aber auch poppig aus. Pavlin Manev versucht sich zwar auch mal an rauheren Passagen, gehört jedoch eindeutig ins zartbesaitete Melodic Rock-Milieu. Fette, harte Riffs oder schnelle Doppelfüße bringt auch die beste Lupe nicht ans Tageslicht. Ins Halb-Positive verkehrt: Music Station gehören sicher zu den für Nicht-Metaller leichtverdaulichsten Bands ihres Metiers. Ins Ganz-Positive manövriert: Music Station sind vertrackt, verspielt, versiert, auch mal richtig ausufernd, ausladend, ausfallend, dabei mal melodramatisch, mal melancholisch, immer melodiös, und schaffen es bei alledem spielend, soft zu bleiben.
Das Eingangstriple "Shaping I-III" verdeutlicht schon genug. Die Piano- und Keyboard-Läufe von Boris Zashev sind virtuos und abwechslungsreich und dominant, im Saitenbereich, der hier näher bestimmt wird durch die Namen Ventzi Velev (git), Jordan Donov (git) und Bobby (bass), jagt man ein Riff in der Grauzone zwischen Hard- und Prog Rock nach dem anderen aus den Boxen, vergisst das Pfriemeln auch nicht ganz, bleibt aber selbst dabei ausnahmelos melodieorientiert. Halbe Melodien spielt auch Schlagzeuger Radoslav Haralampiev, allerdings stets nur als Ergänzungspartie zu den anderen Instrumentalisten, niemals ausbrechend (was manchmal gar nicht schaden würde). "After Twilight (Shaping III)" kennt sogar Percussions im balladesken Phil Collins-Stil. Geschmackssache.
Der reinen Instrumentalparts gibt es Genre-gerecht überaus viele, die Bandbreite der beackerten Stilrichtungen hält sich aber in Grenzen. "Home" lässt latente Funk-Einflüsse erkennen, klassische Einflüsse kommen über das ganze Album verteilt gelegentlich auch mal an die Oberfläche, nur um schnell wieder unterzutauchen, ansonsten bleibt es beim beschriebenen Soft-Prog. Den hält Pavlin Manev mit seiner weichen, vibrierenden Stimme gut zusammen, welche auch in energischem Tonfall ("Past") ganz schmusig bleibt. Die omnipräsenten Chöre im Hintergrund - man lausche etwa "Painting Souls" - sind beinahe Gospel, gelegentliche verfremdet rauhe Gesangspassagen eines Gastsängers, etwa im beschaulichen Instrumental "Inside" oder in "Gamble Away", frappieren eher. Mit "Gamble Away" ist es ohnehin so eine Sache: Im überlangen Abschlussopus ist das Maximum an Spielfreude und kompositorischem Wagemut erreicht. Opulenz und Arrangementfindigkeit werden gekonnt und gelungen auf die Spitze getrieben. Dass diese Spitze nun so übermäßig hoch nicht ist, muss kein Makel sein. Nur mir persönlich wäre die eine oder andere schwerverdauliche Überraschung im Verlauf des ganzen Albums lieb, die eine oder andere Ecke und Kante teuer erschienen, aber das ist nicht wichtig.
Hier ließe sich noch einiges sagen, aber ich belasse es - entgegen meiner Vorankündigung - bei einem abschließenden Vergleich. Wer sich vorstellen kann, dass Dream Theater in ihrer mittleren Phase, Deep Purple in ihren soften und Sting in seinen flotteren Momenten eine Stunde zusammen gute Musik machen können, dem dürfte auch "Shaping" gut reinlaufen.
Kontakt: UBP International Ltd., P.O. Box 23, 1505 Sofia, Bulgaria
www.online.bg/ubp

Tracklist:
1. Intro (Shaping I)
2. Shaping (Shaping II)
3. After Twilight (Shaping III)
4. Home
5. Past
6. Alone
7. Painting Souls
8. Inside
9. Night Dreams
10. Gamble Away



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