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Joel McIver: Extreme Metal. Das Lexikon der neuen Metal-Szene
von rls anno 2007

Joel McIver: Extreme Metal. Das Lexikon der neuen Metal-Szene

Von außen her macht dieses Buch ja erstmal einen recht einladenden Eindruck, zumal mit seinem geprägten Silberdruck auf dem Cover. Aber man beginnt auch schnell zu rätseln: Ein Lexikon des Extreme Metal mit nur 180 Seiten? Schauen wir erstmal, wie der Autor Extreme Metal definiert: Er subsumiert darunter Thrash, Death und Black Metal sowie Grindcore; in der ersten Auflage aus dem Jahre 2000, so heißt es, habe er noch ein paar Grenzgänger mehr mit dringehabt, u.a. neben diversen Doombands selbst Stratovarius und die Queens Of The Stone Age, die ja nun alles andere als extremen Metal spielen, wenn man nicht alles, was härter zu Werke geht als Bob Dylan, als extremen Metal empfindet, und dieser Personenkreis sollte hoffentlich im Aussterben befindlich sein. Dafür ist die zweite Auflage, deren englisches Original aus dem Jahre 2005 stammt, von 260 auf 400 Bands aufgestockt worden, die auf insgesamt reichlich 160 Seiten gepfercht wurden. Nun ist das Buchformat zwar nicht ganz klein, aber dafür kommt eine recht reichhaltige Bebilderung als weiterer platzlimitierender Faktor hinzu, so daß man sich ungefähr ausrechnen kann, was für ein Umfang pro Band noch übrigbleibt. Und hier liegt dann der Hase im Pfeffer, der die Sinnhaftigkeit der kompletten Publikation torpediert. An ein Lexikon stellt man ja allgemein die Anforderung zwar knapper, aber dennoch "runder" und halbwegs vollständiger Information - und diese Forderung kann das Buch vorn und hinten nicht erfüllen. Komplette Diskographien mit Songlisten, wie man sie in anderen Metallexika findet, fehlen hier, nicht mal für eine komplette Nennung aller Alben im Text reicht es, und an Besetzungsangaben, die über sporadische Schlaglichter hinausgehen, darf man auch gar nicht erst denken. Hingegen ist die Idee, unter jedem Text ein "Empfohlenes Album" zu nennen, wenigstens nicht ganz überflüssig, selbst wenn man außer Albumtitel, Labelname und Veröffentlichungsjahr auch keine weiteren Informationen dazu bekommt. Positiverweise werden, wo erreichbar, wenigstens noch die URLs der Bandpages angeführt, aber diese Nennung unterstreicht den überflüssigen Charakter des Buches eigentlich noch, denn da kann man auch gleich auf den Pages nachschauen und findet dort zumeist größere Mengen von Informationen. Über all diese Schwächen könnte man aber noch hinwegsehen, wenn denn wenigstens die im Text mit mal sachlicher, mal etwas gestelzt-humoristischer Schreibe transportierten Informationen korrekt wären. Aber ach, da wird alles noch viel schlimmer. Ein derart mit Fehlern durchsetztes "Lexikon" habe ich selten in den Händen gehalten. Kann man über die Angabe, daß Afflicted "zwei klassische Black Metal-Alben" veröffentlicht hätten, noch eher schmunzeln ("Prodigal Son" enthielt technischen Death Metal, "Dawn Of Glory" rauhen Power Metal), so wird das Cannibal Corpse-Kapitel durch das Weglassen der Information, daß ein gewisser Chris Barnes die ersten vier Alben einsang, schlicht inkorrekt. Daß Oscar Dronjak und Jesper Strömblad Ceremonial Oath verließen, "um bei den überaus erfolgreichen Bands Hammerfall und In Flames einzusteigen", ist riesengroßer Unsinn (beide genannten Bands waren damals tiefster Underground, und die beiden genannten Musiker sind Gründungsmitglieder der Bands), Crown Of Thorns (die Jean Beauvoir-Variante) als White Metal einzustufen, ebenso, und wenn man dann irgendwann zu der Stelle kommt, wo Morbid Angel und Deicide als Speerspitze des kalifornischen Death Metals bezeichnet werden (bekanntlich stammen beide Bands aus Florida), hört man frustriert mit der Fehlersuche auf. Immerhin hat es zwischendurch zwei Gelegenheiten der Fehlereliminierung gegeben, nämlich die 2005er englische Zweitauflage und deren 2007er deutsche Übersetzung, die übrigens laut Rücktitel nochmal aktualisiert wurde - das trifft aber nur punktuell zu, so daß beispielsweise die Amon Amarth-Geschichte mit "Fate Of Norns" als aktuellem Album endet, obwohl seit 2006 "With Oden On Our Side" draußen ist. Richten wir abschließend den Blick nochmals auf die Bandauswahl, so fallen auch da genügend Fallbeile herunter. Das 2004er Atrocity-Album "Atlantis" bewußt außer acht zu lassen, da es nichts mehr mit Extreme Metal zu tun habe (schon mal "Reich Of Phenomena" gehört?), einige Seiten zuvor aber die neuen Alben von Angel Dust, die melodischen Power Metal enthalten, zu behandeln, wirft jedenfalls ein arg komisches Licht aufs Auswahlprinzip (ähnliche Fälle finden sich noch zur Genüge), und Living Sacrifice zu behandeln, aber Mortification zu vergessen ist auch als zumindest eigentümliche Gewichtung zu werten (immerhin sind letztgenannte eine der albenreichsten Death Metal-Bands überhaupt).
Es bleibt nur ein mögliches Fazit: Dieses Buch ist ein Ärgernis, das nichts, aber auch gar nichts mit kompetenter Wissensvermittlung über Extreme Metal zu tun hat.

Joel McIver: Extreme Metal. Das Lexikon der neuen Metal-Szene. Hamburg: Grosser + Stein 2007. ISBN 978-3-8635-292-3. 180 Seiten. 19,95 Euro
 






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