www.Crossover-agm.de ATROCITY: Atlantis
von ta

ATROCITY: Atlantis   (Napalm Records)

Über die musikalisch-textliche Entwicklung dieser Band will ich hier nicht weiter berichten. Nur soviel: "Atlantis" ist zweifellos das vielschichtigste Album, das Atrocity jemals produziert haben und offeriert Anklänge an alle Schaffensperioden, die die Discographie des Quintetts (mit gelegentlicher Zweitsängerin) zieren. Das mag ein wenig gewollt und kopflastig klingen, doch dagegen ist ja per se nichts zu sagen. So findet man also von poppigen Melodien im Gothic Rock-Gewand ("Cold Black Days", "Ichor") über Korn-artige Grooves ("Gods Of Nations") bis hin zu harschen Doublebass- und Blastknattereien ("Reich Of Phenomena", "Lost Eden") beinahe die ganze Atrocity-Palette, nur auf deutsche Texte wurde verzichtet (sieht man von dieser einen einzigen Zeile einmal ab, die "Atlantis" abrundet) und Herr Alexander Krull, den ich so vielgestaltig gar nicht mehr in Erinnerung hatte, lernt das kontrollierte Singen auch immer mehr, brüllröchelt aber auch und vorrangig amtliche Death Metal-Vocals durch die Botanik bzw. die polis, die von mörderischen Six Feet Under-Riffs und Trommelfeuerbassdrums unterwalzt werden ("Apokalypse"), dabei aber stets mit atmosphärespendenden Keyboards für die Epik sorgen, die ein solches Unternehmen verlangt, denn "Atlantis" ist - wer errät's? - ein Konzeptalbum über eben jene Kleinstaatinsel, die, abtrünnig geworden, dem Zorn des Zeus zum Opfer fiel und im Meer versenkt wurde. Leider lagen meinem Promo-Exemplar von "Atlantis" keine Texte bei, aber ein Blick in das Booklet der schon in den örtlichen Musik-Erwerbsbuden ausliegenden CD verriet mir einen liebevollen Umgang mit dem Thema, welches ja mit mythologischen Zügen gespickt ist, die kompetent aufgearbeitet und kunstvoll umgesetzt wurden.
Alles paletti also? Nicht ganz. Denn dem Anspruch, dem sich Atrocity stellen, kann die Band m.E., trotz allem Wohlgefallens im Allgemeinen des Albums, streckenweise nicht vollständig gerecht werden. Denn: In dem Moment, in dem ein komplexes Thema aufgegriffen und ein möglichst weitgefächertes, dabei homogenes musikalisches Bild entworfen werden soll, gerät ein solch ambitioniertes Projekt leicht ins Stocken, wenn im Songwriting nicht die entsprechenden Anpassungen bzw. Ausweitungen stattfinden. Und hier machen mir Atrocity bisweilen den etwas schmälernden Eindruck, den auch ihre letzten Alben mir bereiteten und der im Wesentlichen in einem Zug des Simplen besteht, welcher sich durch verschiedene Songs zieht und sich besonders im (je momentanem Zustand) etwas drögen bis mit-, aber nicht wegreißenden mittleren Teil von "Atlantis", unnötigen Wiederholungen (schon im Opener "Reich Of Phenomena"), sehr konventionellen Songstrukturen und einigen Leerlaufmomenten der Gitarrenarbeit, die aber durch das energische und permanent antreibende Drumming von Martin Schmidt gut kompensiert werden, manifestiert. Das soll keine absolute Kritik sein - Anderen mögen Atrocity gerade darum gefallen, weil sie sich auch im Rahmen eines solchen "Großprojekts" nicht um zwanghafte Erhöhung etwa des Komplexitätsgrads ihrer Songs scheren -, kann aber hier gesagt sein, weil ich die Möglichkeit verfehlt sehe, die Exorbitanz eines Albums zu potenzieren. Ansonsten ist "Atlantis" ein Album, das gleichsam ins Bein wie in den Nacken geht, sich dabei als leicht zugänglich erweist und trotz aller Weitläufigkeit jegliche Schwammigkeit und Undefiniertheit außen vor lässt, dabei gemacht ist für ein Publikum, das aus allen Sparten des Metal kommen darf und meinetwegen auch von anderswoher. Wer zumindest wenigstens Therion zu "Lepaca Kliffoth"-Zeiten verehrt, kommt hieran schwer vorbei. Ich für meinen Teil meinte, dieses Album von vorneherein auslassen zu können, doch bin positiv überrascht und nicht-bestätigt worden. Kurz: Eine runde Sache. Ob man angesichts des Faktums, dass Atrocity sich auf ihren vergangenen Alben aber eben dadurch definierten, dass keine runden Sachen, sondern solche mit Ecken und Kanten an der Tagesordnung standen (woraus die enorme Polarisierung in Hörerkreisen resultierte), dabei nicht eher ein wenig unwohl fühlen könnte, einer Quasi-Konsens-CD zu lauschen, sei vom Rezensenten polemisch nur so dahinorakelt, um nachher sagen zu können: Ich habe es schon geahnt, gewusst, prophezeit usf. Bis dahin aber versüßt "Atlantis" noch wohl so manch bittere Stunde.
Kontakt: www.napalmrecords.com

Tracklist:
1. Reich Of Phenomena
2. Superior Race
3. Gods Of Nations
4. Ichor
5. Enigma
6. Morbid Mind
7. Omen
8. Cold Black Days
9. Atlantean Empire
10. Clash Of The Titans
11. Apokalypse
12. Lost Eden
13. The Sunken Paradise
14. Aeon
15. Ein Volk



www.Crossover-agm.de
© by CrossOver