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Phallax, Antyra, Sober Truth   30.09.2016   Leipzig, Bandhaus
von rls

Sober Truth passen gemäß ihrer Eigendefinition "Pro Groove Metal" eigentlich gar nicht so richtig in dieses eher traditionsmetallisch gepolte Package und werfen zugleich die Frage auf, was denn dann Contra Groove Metal sei - aber während letztere unbeantwortet bleibt, stellt sich ersterer Fakt nach dem Set als gar nicht mal so relevant heraus: Das Quartett erinnert bisweilen an Metallica zu "...And Justice For All"-Zeiten, garniert mit etwas Melodic Death, und in "Collapse" beispielsweise liegen sie durchaus sehr nahe am Traditionsmetal, auch wenn sie sich nicht endgültig darauf festnageln lassen und auch der vielschichtige Gesang einer eindeutigen Zuordnung eher zuwiderläuft: Mal hören wir Hetfield-Anklänge, aber auch Grunz- und Kreischgeräusche sind dem Sänger, der zugleich eine der Gitarren bedient, alles andere als fremd, wenngleich man sich bisweilen anstrengen muß, um das alles wahrzunehmen, da der etwas zu weit in den Hintergrund gemischte Gesang der einzige Schwachpunkt des ansonsten gut ausbalancierten und in angenehmer Lautstärke verbleibenden Sounds ist. Vielleicht klangen Sober Truth früher auch anders als heute - das müssen Kenner der Bandgeschichte beurteilen, denn das Gros des an diesem Abend gespielten Materials ist gemäß den Ansagen neuen Datums, während die Zugabe "Painless" mit 2011 das vermutlich älteste Stück darstellt, allerdings gar nicht so sehr weit vom "Rest" anzusiedeln ist. Teilweise reiht sich ein Break ans andere, aber Geradlinigkeit ist auch kein Fremdwort für die drei Herren plus baßspielende Dame, und in "Power Generator" verfällt der Drummer sogar mal in Blastbeats und zeigt sich auch sonst als ziemlicher Aktivposten. Weniger aktiv ist das auch kopfzahltechnisch eher schwache Publikum, aber das Quartett legt trotz der spärlichen Reaktionen eine engagierte Leistung auf die Bretter.
Die meisten Anwesenden, so zeigt sich, sind wegen des Heimspiels von Antyra anwesend. Die beschäftigen zwar die Rhythmusgruppe von Bitchhammer, sind musikalisch aber völlig anders gepolt, wie schon der Shirtindikator der Melodieinstrumentbediener ausweist: Mercyful Fate beim Basser, Avantasia beim Gitarristen/Sänger und schließlich Gamma Ray beim Keyboarder/Sänger. Das Quartett bringt in seinem Set gerade mal sieben Songs (plus Zugabe) unter und ist irgendwo im Epic-Metal-Sektor anzusiedeln, exportiert aber leider die alte Metalcore-Krankheit, in JEDEM Songs ALLE Facetten des eigenen Stilspektrums demonstrieren zu müssen und darüber die logische Nachvollziehbarkeit und die Entfaltungsmöglichkeiten der entwickelten Ideen aus dem Auge zu verlieren, in ihr Lager. Das ist schade, denn die besagten Ideen sind überwiegend nicht schlecht, nur "fehlt bei all dem vielen Klang der logische Zusammenhang", um mal leicht abgewandelt Knorkator zu zitieren. Vielleicht hülfe auch schon ein Rhythmusgitarrist beim besseren Nachvollziehen der Grundstrukturen - die Beiträge eines solchen fehlen hier in den häufigen Passagen, wenn Gitarrenleads zu spielen sind, nämlich deutlich, und die Keyboards können zumindest an diesem Abend kaum als Strukturelement dienen, da man sie nur gelegentlich hört. Spielfreude und -technik wissen freilich ohne Wenn und Aber zu überzeugen, und im Finale von "Hungry Lions" bekommen die beiden Sänger plus der für die Backings eingespannte Basser auch noch blitzsaubere Satzgesänge hin. Das gefällt den Anwesenden natürlich, und so fordern sie eine Zugabe ein, aber nicht etwa die geplante (es hätte ein neuer, düsterer, zehnminütiger Song gespielt werden sollen), sondern eine Wiederholung von "Von höchsten Sphären", einer Nummer, mit der es eine besondere Bewandtnis hat: Der Refrain enthält mehrfach ein geshoutetes "Fluch sei dir!", das von der Ex-Freundin des Drummers mal als "Flugsaurier!" mißverstanden wurde, was als Running Gag die Runde machte und seither für einen völlig ungeplanten humoristischen Touch dieser textlich eher düsteren Nummer sorgt. Apropos Humor: Hier noch ein Scan der Setlist (die handschriftlichen Songtitel wurden vom Keyboarder erst nach dem Gig für den Rezensenten hinzugefügt).
Die Setlist von Antyra in der um die Songtitel ergänzten Fassung

Humor haben Phallax auch. Sie schreiben Lieder über, nun ja, eher unglücklich agierende Wikinger, die komische Erfindungen machen - und dabei spielen sie gar keinen Viking Metal, sondern sind im puren Traditionsmetal an der Grenze zum klassischen Hardrock zu verorten. Allerdings haben sie optisch den alten Gassenhauer "Kaperfahrt" verinnerlicht (remember: "Alle, die mit uns auf Kaperfahrt fahren, müssen Männer mit Bärten sein"), haben u.a. schon mit W.A.S.P. die europäischen Bühnen heimgesucht und passen musikalisch auch gut zu Blackie Lawless und seinen Mannen; auch den einen oder anderen Saxon-Anklang meint man bisweilen festzustellen, und auch die zweite NWoBHM-Generation Marke Tokyo Blade oder diverser anderer Mittachtziger-Metal haben die eine oder andere Spur bei Phallax hinterlassen. Im Direktvergleich zu Antyra sind ihre Songs schon fast als Ausgeburten der Geradlinigkeit zu bezeichnen, wenngleich sich das Quintett durchaus auch nicht die Chance auf diverse Kabinettstückchen nehmen läßt und zudem einen erstklassigen Sänger im hohen Stimmfach in der Mannschaft hat. Selbiger entpuppt sich außerdem als sympathischer Scherzbold, der mit der schwäbischen Herkunft seiner Truppe kokettiert und, da das Publikum keine Einwände vorbringt, in den Ansagen bald komplett in ein schon relativ extremes Schwäbisch verfällt. Die wenigen im Raum Verbliebenen bekommen somit einen gleichermaßen musikalisch wie verbal unterhaltsamen Gig geliefert und dürfen sich zum Abschluß des Hauptsets noch über ein bisher unkonserviertes Stück namens "Rock Solution" freuen, das sich mit seiner zupackenden Art und Weise sicherlich einen festen Platz in den Setlisten des sympathischen Quintetts erobern wird. Auch hier fordern die Getreuen im Saal eine Zugabe ein, und den hat sich Bandhaus-Katja auch ganz explizit gewünscht: "Trollinger", eine munter heruntergeschrubbte Ode an die Rebkultur im südwestlichsten deutschen Bundesland, leitet nahtlos zur Aftershow-Party über.
Setlist Phallax:
Here We Stand
Scratch App
Hooray Harry
Jorn
Jorn Sack
One Fine Day
Little Things
For The Birds
Dead And His Driver
Rock Solution
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Trollinger



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