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Blizzen, Prowler, Booze Control, Q-Box   11.06.2016   Leipzig, Bandhaus
von rls

Wie schon im Herbst 2015 bekommt der Rezensent nur Bruchteile des Gigs von Q-Box mit - diesmal aber aus einem völlig anderen Grund: Er ist zu spät dran, die Band aber scheint früher angefangen zu haben als zur verbrieften Anstoßzeit um 20.30 Uhr. Um kurz nach 20.45 Uhr ist das Quartett jedenfalls schon mitten im letzten Song, und der erinnert wie bekannt an eine metallisierte Fassung von Alice In Chains oder eben an The New Black. Danach ist schon wieder Schluß, obwohl einige Enthusiasten noch eine Zugabe hören wollen, während das Gros der Besucher noch oder schon wieder draußen steht. "Ich hoffe, man sieht sich bald wieder" sind die letzten Worte des Sängers und meinen offenbar einen anderen Bandkontext, denn dem Vernehmen nach befinden sich Q-Box auf Abschiedstour.
Bei Booze Control füllt sich der Bandhauskeller schnell. Der Name des Quartetts ließe eigentlich punkige Klänge erwarten, aber dazu würden die Logogestaltung und die Optik der Bandmitglieder nur bedingt passen. Aber einen gewissen punkigen Zugriff auf ihren klassischen Metal mit starker NWoBHM-Schlagseite können die Braunschweiger nicht verhehlen und wollen das auch gar nicht - schließlich hatten auch Bands wie Raven damals latente Punkeinflüsse gebunkert, und an diese Truppe fühlt man sich an einigen wenigen Stellen auch erinnert. Ein Song wie "Strike The Earth" macht das komplette Spektrum der Truppe von Speed bis Doom hörbar, und die teilweise unkonventionelle Harmonik unterstreicht die Haltung der Band ebenso wie der frugale Soundcheck, der allerdings mit ein paar klanglichen Problemen bestraft wird, z.B. einer phasenweisen Häufung von Rückkopplungen, wohingegen der Senderausfall des einen der Gitarristen wohl auch dann unbehebbar gewesen wäre - also spielt er den Rest des Sets klassisch mit Kabel. Der Sänger, der zugleich die andere Gitarre bedient, artikuliert sich in einer Art halbhohem Shouten, kombiniert mit einigen spitzen, nicht immer treffsicheren Schreien, und auch das irgendwie im Nichts endende Arrangement des eigentlich als Quasi-Festivalhymne und Antwort auf Nummern wie "Let The Garden Burn" von Vicious Rumors gedachte "Metal Frenzy" dürfte noch nicht der Weisheit letzter Schluß sein. Dafür überzeugen Booze Control mit Spielfreude und Energie im Großpack, dazu einem Sympathiefaktor in den unprätentiösen Ansagen, der Quasi-Bandhymne "We Are Booze Control" (mit ausgedehntem und gar nicht so simpel gestricktem Mitsingteil), dem flotten Videotrack "Vile Temptress" und einem guten Geschmack bei der Wahl des Coversongs, nämlich "Child Of The Damned" von Warlord, der jüngeren Fangeneration eher durch die Fassung von HammerFall bekannt. Die Instrumentalabteilung liefert auch hier wie im ganzen Set Arbeit vom Feinsten ab, nur der Gesang macht gerade im Direktvergleich zu den Könnern in Warlord- bzw. HammerFall-Diensten deutlich, daß in dieser Hinsicht noch Steigerungspotential bei den jungen Braunschweigern vorhanden ist. Vielleicht sollte man mal versuchen, den Drummer hier die Leadvocals singen zu lassen, denn der liefert, soweit man sie durchhören kann, recht achtbare Backingvocals ab. Insgesamt ein starker Gig der Band, die die Zugabewünsche des überwiegend begeisterten Auditoriums aus Zeitgründen nicht erfüllen darf.
Im Falle von Prowler könnte man gute Teile des Reviews zum Releasegig der "Stallions Of Steel"-Debütplatte ein reichliches Jahr zuvor in der mb wiederholen - was ist also anders? Die Leipziger haben einen neuen Schlagzeuger, nämlich einen Gastarbeiter aus Dresden, der seinen Job prima verrichtet und bei dem der Rezensent hin und her überlegt, an wen er ihn optisch erinnert - die Erleuchtung kommt erst am nächsten Tag: Axel Ritt. Wenn wir grade bei optischen Erörterungen sind: Bassist Marvin war beim Friseur oder eben gerade nicht und trägt jetzt eine Wuschelkopffrisur. Mit "Judgement Day" hat auch ein neuer Song in die Setlist gefunden und macht nicht nur mit seinem klassischen Gitarrensoloduell deutlich, daß sich am traditionellen Metalzugriff des Quintetts nichts geändert hat, was in diesem Falle natürlich auch gut so ist. Einen guten Geschmack für die Auswahl von Coverversionen hatten Prowler auch schon immer, wobei der Song "Prowler" eine Eigenkomposition darstellt und nicht etwa ein Maiden-Cover - sonst hätten nämlich drei Coverversionen am Ende des regulären Sets gestanden, der in weiten Teilen natürlich mit dem 2015er übereinstimmt, aber etwas kürzer ausfällt, so daß von den beiden Epen "A Maiden's Funeral" weggefallen ist und auch "Hard Pounding Heart" von der ersten EP nicht erklingt. Dafür gibt es als Setcloser wieder "Princess Of The Night", während Prowler zwei Setpositionen zuvor, um nun endlich mal den Gedanken mit dem guten Geschmack bei der Coverauswahl zu Ende zu führen, einen Song ausgraben, der den Rezensenten im Dreieck springen läßt: "Der Edelrocker" von Formel Eins, eine der besten Metalnummern made in GDR und in der Prowler-Fassung nur durch zwei kleine Wermutstropfen getrübt. Zum einen erklingt nur der Song selber, nicht aber die brillante und hochspannende, schlicht "Intro" betitelte instrumentale Einleitung, die auf der "Live im Stahlwerk"-Scheibe kongenial zum Hauptteil hinführte - das Problem dürften Prowler, wenn sie das wollen, schnell beheben können, indem die vier Instrumentalisten, allesamt bekanntermaßen Könner ihres Faches, diese anderthalb Minuten auch noch einstudieren. Das andere Problem steht aber am Mikrofon: Ronnys Gesang wirkt nach wie vor limitiert, auch wenn er zumindest in der Publikumskommunikation ein wenig mehr Sicherheit gewonnen hat, ohne freilich der Souveränität aller drei anderen Frontleute des Abends auch nur nahezukommen. Das ist schade, denn es beraubt Prowler eines Teiles ihres reichlich vorhandenen Reizes, auch wenn das Heimpublikum das überwiegend nicht so kritisch sieht und die Stimmung in der Nähe des Siedepunktes hält, was auch auf die Temperaturen im Keller zutrifft. Nachdem Prowler übrigens rockstarlike den Setbeginn trotz engen Zeitplans um zehn Minuten verzögert hatten (da hätten Booze Control doch noch 'ne Zugabe spielen können ...), beenden sie ihren Set mit der Zugabe "Motorcycle Of Love".
Blizzen haben gerade ihre erste CD "Genesis Reversed" veröffentlicht, spielen aber trotzdem keineswegs nur Material von ihr, sondern auch solches von der zuvor herausgebrachten EP "Time Machine". Der CD-Titeltrack erweist sich mit seiner midtempolastigen Ausrichtung als nur bedingt repräsentativ für den Stil der Band: Die Hessen sind im klassischen melodischen Speed Metal zu Hause und musizieren zwar grundsätzlich ähnlich wie Booze Control, aber um das latente punkige Element reduziert und im Durchschnitt noch etwas flotter. Im Gegensatz zu den Braunschweigern haben sie allerdings auch einen erstklassigen Sänger in der Mannschaft, der nur am oberen Ende seines Stimmspektrums leichte Treffsicherheitsprobleme hat, ansonsten aber souverän agiert und in den Ansagen ähnliche Sympathiepunkte wie sein Booze-Control-Kollege sammeln kann, im Gegensatz zu diesem allerdings nicht Gitarre, sondern Baß spielt. Über weite Strecken hört man hier tatsächlich auch alles, was man hören soll: Blizzen haben das mit Abstand beste Soundgewand des ganzen Abends, und so kann man das große Können der Instrumentalisten prima verfolgen. Trotz Songtiteln wie "Master Of Lightning" hat das Quartett musikalisch übrigens praktisch nichts mit Metallica gemein. Spielfreude und gute Stimmung gibt es auch hier im großen Ausmaß, letztere auch im Publikum, wenngleich sich selbiges aufgrund der späten Stunde schon etwas ausgedünnt hat, was wiederum die Raumtemperatur in etwas erträglicherem Maß hält. Auch Blizzen werden nicht ohne eine Zugabe von der Bühne gelassen, und als finalen Gongschlag holen sie noch die Prowler-Kollegen auf die Bühne und intonieren eine instrumental trotz des Tohuwabohus erstaunlich saubere Fassung von Vipers "Rebel Maniac" (auch nicht gerade eine offensichtliche Coverwahl, aber eine prima Idee), die der großen Party das Sahnehäubchen aufsetzt.



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