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Toxic Smile   02.05.2016   Leipzig, Tonelli's
von rls

Der Möglichkeiten, Toxic Smile live zu erleben, gab es in letzter Zeit nicht eben viele, und mancher mag gar befürchtet haben, die Truppe habe den Titel ihres jüngsten Albums, "Farewell", wörtlich genommen, zumal nach ebenjener Einspielung auch noch Gitarrist Uwe, eines der Mitglieder aus der Embryonalzeit der Band in den Mitt-/Spätneunzigern, seinen Hut nahm. Aber es konnte ein Ersatz gefunden werden: Stephan Pankow heißt der Neue und ist TS-Kennern von Divine X ein Begriff, welchselbige bereits mehrfach mit den giftig Lächelnden die Bühnenbretter geteilt haben, wobei Stephan beim 2007er Gig im Anker allerdings noch kein Bandmitglied bei Divine X war. Und obwohl die Probezeiten knapp bemessen waren, setzten Toxic Smile an einem lauen Maiabend einen Gig im Tonelli's zu Leipzig an, der mehr den Charakter einer öffentlichen Probe hatte und zugleich Stephans ersten bühnenwirksamen Auftritt mit seiner neuen Formation darstellte.
Hätte man diese Vorgeschichte nicht gekannt, so wäre einem vermutlich kaum aufgefallen, daß hier eine seltenst live spielende, seltenst probende und seit zwei, drei gemeinsamen Proben einen neuen Gitarristen besitzende Combo am Werke war - und was in anderen Genres keine große Herausforderung darstellt, das offenbart sich beim zwar nicht extrem vertrackten, aber doch schon ziemlich anspruchsvollen Progmetal Toxic Smiles in der Tat als Aufgabe der nicht leichten Art, die Stephan und die vier "Altmitglieder" allerdings prima meisterten. Klar, beim nächsten oder übernächsten Gig wird es Sänger Larry nicht mehr nötig haben, den in "Pyramid" eine Phrase zu früh einsetzenden Stephan zurückzupfeifen, weil dieser dann alles in der gleichen Sicherheit intus haben wird wie die anderen. Und das Unisono-Gefrickel im Finale von "Rayless Sun" kaum geprobt so tight hinzubekommen, dazu braucht es Könner, von denen Toxic Smile dankenswerterweise welche in ihren Reihen haben und auch immer wieder neue finden, wenn es denn nötig ist. Besagtes "Pyramid" stellte den "Oldie" des Abends dar, zwar nicht, wie von Larry in einer seiner gewohnt abstrusen Ansagen bekundet, aus dem Jahre 1877 stammend, aber immerhin schon von 2002 (und 2004 auf "Retrotox Forte", dem Zweitling, veröffentlicht, der für den Rezensenten trotz weiterer hochqualitativer Releases immer noch das Meisterwerk aus dem Hause Toxic Smile darstellt). Der Rest des Sets fokussierte sich auf die Alben "I'm Your Saviour" und "7" (mit je drei Beiträgen), wobei "The Abyss" (von ersterem) auch ohne die Nachrichtensprecherpassagen funktionierte, "Pride And Joy" (auch von ersterem) live noch einen Deut stärker nach Toto klang als auf Konserve und die Ballade "Love Without Creation" (von letzterem) den einzigen kleinen emotionalen Wermutstropfen in den Gigbecher warf, indem die ironische Brechung durch Larry am Songende (er intonierte noch die Melodie einer "klassischen" Schlußwirkung) dem Ganzen etwas seine Wirkung raubte. Daß der Mann gesanglich in prima Form war (und auch TS-Neulinge an Phil Collins erinnerte), steht hingegen außer Frage - und der familiäre Touch des Gigs zeigte sich nicht nur in der geringen Größe der Lokalität, sondern auch darin, daß der Fronter während der häufigen und längeren Instrumentalpassagen einen Platz an einem Tisch in der ersten Reihe einnahm oder später eintreffende Freunde oder Familienangehörige begrüßte. Ein reichlich zehnminütiges Exzerpt von "Farewell" (die Platte besteht nur aus einem Song) beendete den etwa einstündigen und mit einem weitgehend guten, nur in der ersten Sethälfte manche Keyboardpassagen etwas verschluckenden Soundgewand aufwartenden Gig, der vom Auditorium reichlich mit Applaus bedacht wurde, allerdings nicht mit einer Zugabe abgeschlossen wurde. Egal: Solche Bands sollte sich der Musikgourmet immer ansehen, wenn er die Möglichkeit geboten bekommt - man weiß nie, wann es die nächste gibt, denn wie so oft in der heutigen Musikwelt stehen auch bei Toxic Smile Leistung und Popularität in einem reziproken Verhältnis, und jeder, der auch nur ansatzweise ein Herz für Progrock und Progmetal zumeist hochmelodischen Zuschnitts besitzt, sei wieder einmal daran erinnert, daß er dieses Verhältnis zu verschieben mithelfen sollte.

Setlist:
Change
The Abyss
Barefooted Man
Pride And Joy
Pyramid
Love Without Creation
Rayless Sun
Farewell (Excerpt)



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