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Ensiferum, Amoral, Profane Omen   13.10.2012   Glauchau, Alte Spinnerei
von rls

Im Zeitalter der metallischen Globalisierung ist es gang und gäbe, Touren mit Bands aus aller Herren Länder zusammenzustellen. Das ist an diesem Abend anders: Fünfzehn Finnen (eine Finnin eingerechnet) bevölkern, paritätisch aufgeteilt auf drei Bands, nacheinander die Bühne, und vom Balkon der gut gefüllten, allerdings bei weitem nicht ausverkauften Alten Spinnerei hängt sogar eine finnische Fahne herab. Am Ende des Konzertabends wird man konstatieren, daß die Theorie, in Finnland wüchsen die guten Musiker förmlich auf Bäumen, scheinbar ihre Berechtigung hat, und jede Band des Abends überzeugt auf ihre Weise.
Profane Omen beginnen offensichtlich pünktlich oder leicht überpünktlich, denn als der Rezensent um 21.01 Uhr in Hörweite der Halle kommt, arbeitet die Band schon an ihrem Opener "Base" und sorgt auch mit seinen sechs Nachfolgern für gute Stimmung. Manchem Besucher wird der Sänger aus einem anderen Kontext bekannt vorgekommen sein - es handelt sich um Jules Naveri, der auch in Waldemar Sorychtas Band Enemy Of The Sun singt. Und der Mann besitzt ein beeindruckend breites Stimmspektrum, von dem er bei Profane Omen (die er noch im letzten Jahrtausend mitgegründet hat) hauptsächlich leicht angerauhte Lagen nutzt, aber auch hohen Power-Metal-Gesang oder deathmetallisches Gebrüll ansatzlos einzuflechten in der Lage ist. In der Gesamtbetrachtung agieren Profane Omen allerdings ein wenig traditionsmetallischer als der Sonnenfeind, ohne aber deswegen reinen Traditionsmetal zu spielen - bisweilen erinnern sie an eine modernisierte Fassung von Morgana Lefay, allerdings ohne deren Angst vorm Durchtreten des Gaspedals im Non-Stakkato-Bereich, und angehörs der gelegentlichen Düsternis der Kompositionen sind auch Vergleiche zu Blaze Bayleys Soloalben oder zu Dark At Dawn nicht ganz von der Hand zu weisen. Neben der wandlungsfähigen Stimme des Sängers überzeugen aber auch die Instrumentalisten: Die beiden Gitarristen, auch schon ewig dabei, machen sowohl im Riffing als auch in den Soli eine exzellente Figur, der Bassist spielt ein optisch ungewöhnliches Instrument, das man eher in einer Surfcombo vermutet hätte, aber er fügt sich musikalisch problemlos ins Gesamtbild ein, und der langmähnige blonde Drummer klöppelt nicht nur präzise, sondern entpuppt sich nebenbei auch noch als Showtyp, der in diesem Kontext auch zu Mötley Crüe oder Kissin' Dynamite passen würde. Von den Songs her hinterläßt das ungewöhnlich strukturierte "Bound To Strive", das selbst vor leicht angefolkten Passagen nicht haltmacht, den stärksten Eindruck, aber auch die anderen Songs wie der mit einer großen Mitsingpassage ausgestattete Closer "Painbox" oder das vom gleichnamigen Schwarzenegger-Film inspirierte "Predator" mit seinem wild-kämpferischen Finale überzeugen das Publikum, das für einen ersten und trotz dreier Alben noch nicht sonderlich populär gewordenen Support schon sehr intensive Reaktionen zeigt.
Setlist Profane Omen:
Base
Wastehead
Predator
Pit Of My Thoughts
God In A Bottle
Bound To Strive
Painbox Der Kontakt des Rezensenten mit Amoral war bisher kurz, aber vielversprechend: Er beschränkte sich auf das Drei-Track-Demo "Other Flesh", das auch von Kollegin Janet wohlwollende Worte entgegengebracht bekam. Mittlerweile hat das Quintett fünf reguläre Alben herausgebracht, krebst aber immer noch im Untergrund herum und hat den großen Durchbruch bisher nicht geschafft. Ob der Gig dieses Abends was an der Situation ändern wird, darf auf den ersten Blick bezweifelt werden: Amoral hinterlassen einen guten, aber keinen umwerfenden Eindruck, und die Intensität der Publikumsreaktionen läßt im Vergleich zu Profane Omen ein wenig nach. Immerhin fordert Sänger Ari gleich nach dem Doppelsolo im Opener "Mute" einen Szenenapplaus für die beiden Gitarristen ein, und die bekommen den auch - verdientermaßen! Was sie spielen, das hat Hand und Fuß, und das kann man dank eines guten Klanggewandes (das schon bei Profane Omen zu konstatieren gewesen war) auch klar und deutlich nachvollziehen. Nach "Mute" ist dann auch die richtige Klangbalance für das Frontmikrofon gefunden, und man kann sich auch hier dem Analysieren der Fähigkeiten ungestört widmen. Kurioserweise kommt der Sänger im umgekehrten Basecap und mit zusammengebundenen Haaren auf die Bühne, womit er gar nicht so richtig in die traditionsmetallische Optik des Bandrestes passen will - das dämmert ihm nach "Exit" dann auch selbst, und fortan läßt er sein offenes und beeindruckend langes Haupthaar mützenlos kreisen und fliegen. Singen kann er jedenfalls, wobei er sich von den hohen Tönen allerdings konsequent fernhält, was Kopfstimmenhasser im Power Metal durchaus mal als Anreiz nehmen könnten, diese Band anzuchecken, die irgendwo in der Nähe von Thunderstone oder späten Tad Morose musiziert und mit ihren deathmetallischen Wurzeln heute nicht mehr so sehr viel am Hut hat, von der hörbar erhalten gebliebenen Fähigkeit, interessante düstere Passagen zu arrangieren, mal abgesehen. Gitarrist Ben singt gelegentlich eine zweite Stimme ebenfalls im Cleanbereich, Gitarrist Masi packt zwischendurch mal den Schenker-Kreisel aus - aber alle zusammen, so gut sie auch spielen, können eine gewisse Unauffälligkeit der Kompositionen nicht verhindern, womit Amoral wieder auf einer Linie mit den späten Tad Morose liegen. Den stärksten Eindruck hinterläßt hier der Closer "Beneath", zugleich Titeltrack des aktuellen Albums und ein großes vielschichtiges Epos, das sich mancher sicherlich nochmal in Ruhe zu Hause durchhören möchte, womit Amoral dann vielleicht doch den einen oder anderen Neuanhänger gefunden haben werden.
Setlist Amoral:
Mute
Hours Of Simplicity
Exit
Release
(Won't Go) Home
Wrapped In Barbwire
Same Difference
Beneath
Auch Ensiferum haben ein aktuelles Album draußen, das sie mit vier Songs vorstellen. Dem "Symbols"-Intro folgt allerdings überraschenderweise "In My Sword I Trust", ein für die Band eher ungewöhnlicher Midtempostampfer mit deutlich manowarlastigen Zügen und lediglich einem flinken Ausbruch in der Mitte der recht langen Komposition. Und überhaupt könnte den Hörer beim Lauschen des neuen Materials der Eindruck beschleichen, Ensiferum hätten den Speed ganz ad acta gelegt und wären (böse formuliert) kommerziell geworden. Aber selbst wenn das zuträfe: Wer solche gigantischen Hymnen wie "Unsung Heroes", den Titeltrack der neuen Scheibe, schreibt, der darf sich alle Freiheiten nehmen und hier und da auch mal wie leicht energischere mittelfrühe Amorphis klingen. Zudem wirkt sich die bisweilen niedrigere Schlagzahl positiv auf den Livesound aus: Die Blasts, die es natürlich immer noch reichlich gibt, gehen klanglich eher unter, und die Doublebass neigt dazu, mancherlei vom Klangrest zu verschlucken, worunter speziell Meijus Keyboards zu leiden haben, die im ersten Drittel des Sets nur sporadisch und auch später nicht in der wünschenswerten Dichte zu vernehmen sind. Dafür kommen speziell die Gitarren schön klar aus den Boxen, auch die Chorgesänge sitzen, und Petris rauhe Stimme bricht sich schon selber ihre Bahn. Nur am Kommunikationskonzept müssen die Finnen noch arbeiten: Wenn vier Leute ein Mikrofon vor sich haben, dürfen keine Lücken entstehen, nachdem der Applaus abgeebbt ist und das Publikum gespannt der nun folgenden Dinge harrt, und auch die Einbindung der Zwischenspiele in den jeweils folgenden Song weist noch Reserven auf. Freilich stört sich die feierfreudige Meute daran nicht sonderlich - man ist da, um gemeinsam mit der Band das virtuelle Trinkhorn zu erheben, ohne dabei zwingend Humppa tanzen zu müssen, obwohl das Quintett seine folkloristischen Wurzeln weder verleugnen kann noch will. Die Arrangements der nicht selten längeren Songs überzeugen jedenfalls, die Spielfreude wirkt ansteckend, und dank einer ausgewogenen Setlist mit Songs aus allen Schaffensperioden werden gleichermaßen Altfans wie jüngere Anhänger der Band zufriedengestellt. Natürlich gibt es bestimmte Standards, die nicht fehlen dürfen, so etwa das den regulären Set abschließende "Iron" oder das durch ein ausgedehntes ruhiges Intro eingeleitete "Lai Lai Hei" inmitten des Zugabenteils - einzig die Entscheidung, den ein wenig unauffälligen "Battle Song" als letzte Zugabe zu spielen, irritiert ein wenig, denn der Song ist zwar zweifellos nicht schlecht, aber da hätte die Band durchaus noch Kracher anderen Kalibers in der Hinterhand gehabt. Dafür bricht sich die Spielfreude im Finale dieses Songs nochmal Bahn: Gitarrist Markus spielt zunächst ein Solo mit hinter dem Kopf gehaltener Gitarre und leitet dann über in eine Metalversion von H.I.V. Stolters "Barrabam"-Chor aus dessen verschollener Matthäus-Passion (den meisten Musikliebhabern aus dem Kontext von Rossinis "Wilhelm Tell"-Ouvertüre geläufig), die wiederum mit einem Doppel aus den drei Eingangsakkorden von "Black Sabbath" aus der Feder der gleichnamigen Band abgeschlossen wird. Viva Suomi!
Setlist Ensiferum:
Symbols
In MySword I Trust
Guardians Of Fate
From Afar
Burning Leaves
Pohjola
Heathen Throne
Blood Is The Price Of Glory
One More Magic Potion
Hero In A Dream
Unsung Heroes
Iron
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Twilight Tavern
Lai Lai Hei
Battle Song
Finale der Ouvertüre von "Wilhelm Tell"



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