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44 Leningrad   09.05.2012   Leipzig, Werk 2
von rls

Same procedure as every year? Nicht ganz. Seit dem letzten Leipzig-Konzert von 44 Leningrad im Februar 2010 (das im Frühjahr 2011 war abgesagt worden) ist kein neues Studioalbum erschienen, aber dafür eine 20-Jahres-Best-Of-CD mit der Kernaussage "Es regnet nie, wenn sie spielen". Das tut es an diesem angenehm milden Maiabend auch nicht, aber da das Konzert nicht open air stattfindet, wäre das nicht weiter relevant gewesen. In Halle D des Werkes II freilich herrschen nicht eben kühle Temperaturen, und da das Konzert zudem nicht auf der Haupt-, sondern auf einer Seitenbühne mit verhängtem Hallenteil zur Hauptbühne hin stattfindet, gibt es eigentlich keinen Grund für unterkühltes Verhalten. Kurioserweise legt das Publikum aber etliche Songs lang ein solches an den Tag und beginnt erst langsam mit dem, was man auf 44-Leningrad-Gigs sonst von der ersten bis zur letzten Minute des Liveteiles zu tun pflegt, also mit dem Schwingen des Tanzbeines. An diesem Abend dauert es etliche Songs, bis auch die vorderen drei Viertel des Publikums auftauen - bis dahin bietet sich das gleiche kuriose Bild wie einige Wochen zuvor bei der Amsterdam Klezmer Band an gleicher Stelle: vorne Stand, hinten Tanz. Die Setlist ähnelt dabei durchaus der von 2010, die Einleitung ist gar komplett identisch: Die sowjetische Nationalhymne kommt vom Band, gefolgt von "Swjaschtschennaja Woina" aus gleicher Quelle, bevor die Band mit dem Geburtstagslied des Krokodils Gena aus den Tscheburaschka-Filmen loslegt, das sich in den postsowjetischen Staaten noch heute großer Beliebtheit erfreut, wie der Rezensent im ansonsten weitgehend derussifizierten Georgien anno 2010 feststellen durfte. Auch sonst stellt das immer noch aktuelle "Don Kilianov"-Album einen guten Teil der Setlist, aber natürlich fehlen auch Klassiker wie "Sascha" nicht, bei dem man sich nur wundert, daß es nicht mit der riesigen Baßbalalaika umgesetzt wird, wenn sein Refrain schon "Eine große Balalaika gab er zum Abschied mir" lautet. Mit beispielsweise "Elektritschka" setzen 44 Leningrad an strategisch günstigen Stellen kleine Ruhepunkte, die einen anderen Tanzrhythmus erfordern als der speedfolkige Hauptteil des Sets oder das Tanzbein mal kurz komplett ausruhen lassen. Frisch aus dem Proberaum haben die Potsdamer zudem ein neues Stück mitgebracht - also arbeiten sie an neuem Material, und mit einem Stilbruch dürfte nicht zu rechnen sein. Ansonsten gibt's bei insgesamt guten Soundverhältnissen, die lediglich den Leadgesang bisweilen etwas zu weit in den Hintergrund stellen, aber ansonsten auch die häufigen Wechsel in der Instrumentenverteilung (neben der üblichen Rockbesetzung kommen standardmäßig oder einstreuhalber u.a. noch Akkordeon, Klarinette und verschiedene Balalaiken zum Einsatz) ohne größere klangliche Verluste meistern, eine bunte Best-Of-Sammlung des Quintetts (das die Planstelle des Trompeters immer noch nicht wieder besetzt hat - ein Zeichen dafür, daß das auch so bleiben wird?), die sich allerdings keineswegs mit der Tracklist der 20-Jahres-Best-Of deckt und mit den fröhlich-flotten "Julitschka" abgeschlossen wird. Das Publikum ist mittlerweile auch so weit aufgetaut und feierfreudig, daß es das Wort "Zugabe" buchstabieren kann, und so läßt sich die Band nicht lumpen und bringt im großen Medley aus den bekannten Zutaten (diesmal fehlt aber, wenn sich der Rezensent richtig erinnert, Dschinghis Khans "Moskau") dann auch die Baßbalalaika zum Einsatz, bevor die "Sandmännchen"-Adaption ein erneut sehr unterhaltsames Konzert beschließt.

Setlist (in der Schreibweise der Band, gegen Ende hin nicht ganz mit der Realität übereinstimmend):
Geburtstag
Kosak
Model
Von Dort
Der dritte Grieche
Über der Newa
Pizza
Sascha
Oh Russmaja
Liebe
Morjak
Wudi Wudi
Serce Bum Bum
Söhne
Country
Elektritschka
Heimat
Troika
Julitschka
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Kosakenpatrouille
Unruhevolle Jugend
Krieg



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