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Party.San Open Air 2011   11.-13.08.2011   Schlotheim-Obermehler
von ta

Was war das Party.San 2010 doch für ein Wetterschlamassel! Drei Tage Dauerregen sorgten für Dauerschlamm auf Camping- und Konzertgelände. Schön war's natürlich, schöner wäre es unter einfacheren Bedingungen gewesen. Die wurden nun im Jahr 2011 hergestellt. Ich muss zugeben, als die Veranstalter in ihrer Stellungnahme kurz nach dem letztjährigen Festival andeuteten, dass sie über einen Geländewechsel nachdenken würden, hielt ich das für eine reine Beruhigungsgeste. Mea culpa! Das Party.San 2011 ist in Thüringen geblieben, aber von der Kuhweide bei Bad Berka auf den Flughafen von Schlotheim gezogen und der Umzug ist aus wettertechnischer Perspektive die absolut richtige Entscheidung gewesen. Die Campingwiese ist fest und kiesig, die Wege sind breit und asphaltiert, auch vor der Bühne steht man auf Asphalt.
Die Ortschaft ist 3 km vom Campinggelände entfernt und die Einkaufsmärkte liegen weit im Ort, da waren die Wege in Bad Berka etwas kürzer; aber der Shuttlebus fährt regelmäßig zwischen Mühlhausen und dem Campingplatz hin und her. Mühlhausen ist noch nicht ganz so gut auf den Metalwahnsinn eingestellt wie Bad Berka - manches Café wird den Bestand an belegten Brötchen nächstes Jahr sicher aufstocken, einige Schilder, die den Weg zum Festivalgelände weisen, werden im Ort aufgestellt werden und die Deutsche Bahn wird (hoffentlich) mehr als nur eine völlig überforderte Mitarbeiterin an den Schalter setzen, um die sonntägliche Abreisewelle zu koordinieren.

Donnerstag, 11.08.

Als wir am anreisen, weht ein heftiges Lüftchen. Das wehte schon eine Weile, so dass es das Dach der Hauptbühne bereits entschärft hat. Die Donnerstagsbands müssen deshalb kurzerhand ins Zelt verlegt werden - Erinnerungen an frühe Party.San-Feiern werden wach. BYFROST verpassen wir wegen Geländeerkundens und Schlangestehens, so dass das Party.San 2011 für uns mit DEW-SCENTED eingeleitet wird. Die bollern ihren High-Class-Thrash gewohnt tight raus und sind damit der perfekte Einstand für ein geiles Festival: Straight, nicht unnötig kompliziert, aber auch nicht anspruchslos. Leif kommt natürlich und sympathisch rüber, die neue Besetzung an den Gitarren sehe ich heute zum ersten Mal - spieltechnisch gibt es nichts zu meckern, aber das Stageacting ist nicht ganz so energisch wie gewohnt. Trotzdem ein guter Gig und songtechnisch natürlich erste Sahne: "Arise From Decay", "Cities Of The Dead", "Rituals Of Time", das unvermeidliche "Soul Poison" und mein persönliches Highlight "Never To Return" gehen einfach voll auf die Zwölf und nach dem Closer "Acts Of Rage" ist der Nacken schon mal warm.
Muss er auch, denn ABORTED haben Lust auf Prügeln. Die Belgier blasten und grooven wie Hölle und hätten bei besserem Sound das Zelt in Schutt und Asche gelegt. So bleibt immerhin noch ein ordentliches Pit, viel Schweiß, eine perfekt eingespielte, bewegungsfreudige Band und brutaler Death Metal deluxe, bei dem unvermeidbare Metzelklassiker wie "Meticulous Invagination", "Dead Wreckoning", "The Saw And The Carnage Done" und "Gestated Rabidity" sich mit Songs der neuen EP ebenso gut paaren wie mit einem der besseren Tracks der "Strychnine.213"-Enttäuschung - welcher es genau war, habe ich allerdings pflichtbewusst verdrängt.
Gerade noch ICE-Gedonner, schon sphärische Alphornklänge - der Bruch könnte nicht größer sein. Der warme Ethno-Black-Metal von NEGURA BUNGET ist auf Platte ein Genuss, kommt live heute nicht ganz so gut. Die Zeltbühne ist für sechs Musiker plus eines ganzen Arsenals an exotischen Instrumenten etwas zu klein, dementsprechend gehemmt wirkt die Performance. Andererseits ist die Musik von NEGURA BUNGET für sich genommen bereits so entdeckenswürdig, dass der introvertierte Auftritt, in dessen Verlauf nicht eine Ansage fällt, nicht übermäßig stört. Da auch der Sound überraschend gut ist, lassen sich die wunderbaren Melodien und markanten Percussions der letzten beiden Alben bei geschlossenen Augen genießen. Das vielschichtige "Inarborat" eröffnet den Gig kraftvoll. Etwas gehetzt wird "Pamînt", der dunkel-folkige Opener des jüngsten Albums "Vîrstele Pamîntului", intoniert und geht nahtlos in den Siebenminüter "Cunoasterea Tacuta" von "OM" über. Das Percussion-Intermezzo "Norilor", zu dem fast die ganze Band an Hackbrettern, Klanghölzern und dergleichen mehr steht, überrascht zumindest mich und dürfte in Sachen Extravaganz den Höhepunkt des diesjährigen Party.San-Festivals darstellen. "Dacia Hiperboreana" beendet stimmungsvoll den Gig. Nicht der beste Auftritt, aber eine der besten Bands dieses Festivals.
Auf DARKENED NOCTURN SLAUGHTERCULT habe ich keinen Bock und kehre deshalb erst für DECAPITATED wieder ins Zelt zurück. DECAPITATED sind ein Phänomen. Sie fingen als blutjunge Bubis mit dem Musizieren an, waren bereits auf ihrem zweiten Album "Nihility" spiel- und songtechnisch den meisten anderen Death-Metal-Bands der Gegenwart überlegen, und legten mit "The Negation" und der innovativen, klugen "Organic Hallucinosis"-Scheibe zwei echte Brecher nach. Man wünschte der Band den Durchbruch wie kaum einer anderen, doch es folgten Schock und Koma. Am 28. Oktober 2007 kollidierte der DECAPITATED-Tourbus im weißrussischen Homel mit einem Holztransporter. Sänger Adrian "Covan" Kowanek und Schlagzeuger Witold "Vitek" Kieltyka wurden schwerverletzt ins Krankenhaus transportiert, wo der 23jährige Vitek am 2. November seinen Schädelverletzungen erlag. Ende April 2008 konnte Covan das Krankenhaus verlassen, hatte jedoch zu diesem Zeitpunkt bereits seinen Ausstieg aus der Band verkündet.
Danach Stille. Im Jahr 2011, nach drei Jahren Schaffenspause und Verarbeitung, melden sich DECAPITATED wieder zurück: Der Auftritt auf dem Party.San 2011 präsentiert eine nicht rundherum, aber doch merklich erneuerte Band. Der Schlagzeugposten ist mit Kerim "Krimh" Lechner kompetent besetzt und auch der neue Sänger Rafal Piotrowski überzeugt mit energischem Stageacting und einer vielfältigen Death-Metal-Stimme, die nahtlos an das heisere Gebrüll von "Organic Hallucinosis" anschließt. Der Einstieg mit der brillanten Single dieses Albums, "Day 69", täuscht und die Setlist wird deutlich dominiert von Tracks des gerade erst veröffentlichten neuen Albums, nämlich "Pest", "United", "Homo Sum", "404", "A View From A Whole" und "The Knife". Lediglich "Mother War" von "Nihility" wird in der Setmitte als Happen für die Altfans präsentiert und knüppelt alles in Grund und Boden. Ein mutiger Schritt, der zeigt, dass Decapitated nach vorne und nicht zurück schauen. Der absolute Hammer des Auftritts ist Gitarrist Waclaw "Vogg" Kieltyka. Sein Riffing ist originell, hochtechnisch und dabei megabrachial. Sein Gitarrensound schneidet die Ohrläppchen in feinste Scheibchen und klingt dabei fett wie drei Äxte. Und der Mann spielt wie eine Maschine, absolut präzise und fehlerfrei. Beide Daumen hoch und willkommen zurück!
Doom ist für mich so ziemlich das Höchste, was im Metal-Bereich geht, aber TRIPTYKON konnten mich bis jetzt nicht recht begeistern und wirkten immer etwas affektiert auf mich. Celtic-Frost-Mastermind Tom Gabriel Warrior steht nach dem unfreiwilligen Umzug ins Zelt kurz davor, den Gig seiner neuen Kapelle zu canceln, entscheidet sich dann aber doch noch für den Auftritt und düstert den Frost-Classic "Procreation (Of The Wicked)" einigermaßen überzeugt in die Nacht. Eine Lichtshow gibt es ebenso wenig wie Licht oder Show überhaupt, so dass alles an der monotonen Musik der Schweizer bleibt, die mir wie gesagt nicht soviel gibt. Abgesehen vom zweiten Frost-Classic "Circle Of The Tyrants", der in einer ordentlich schwerfälligen Fassung kredenzt wird, bleibt deshalb nicht viel hängen. Geschmackssache.

Freitag, 12.08.
Der Freitag beginnt mit Schwedentod, der rifftechnisch hier und da etwas an Black Metal angelehnt ist. PUTERAEON sind nicht schlecht, aber auch nicht wirklich gut. Solide.
TRUPPENSTURM dagegen sind wirklich schlecht. Sie spielen schnellen, Venom- und Motörhead-beeinflussten Old-School-Death/Black-Metal, sind ultrastumpf und langweilen bereits mit dem zweiten Song, der wie der erste klingt, der wiederum wie der dritte und vierte klingt. Die Band besteht aus drei rotbemalten Figuren, strahlt nichts aus und verlässt nach 30 Minuten bereits wieder die Bühne. Danke.
URGHEAL sind für Black-Metaller ziemlich cool drauf. Der Gitarrist hat eine Pinhead-Mütze, der Sänger trägt seinen breiten Hintern in einer blauen 80er-Jeans spazieren und lallt Weisheiten wie "Piss your pants and shit your faces" in den Nachmittag, der Drummer überrascht mit Irokesenfrisur und post, als ob er bei Bon Jovi spielt. Musikalisch gibt es dagegen midtempolastigen, schnörkellosen Norwegen-Black-Metal: Urig, rau und mit einer ordentlichen Portion Rock drin. Nicht übel. Highlight: das überraschende Autopsy-Cover "Twisted Mass Of Burnt Decay".
Bei SKELETONWITCH habe ich nichts erwartet - weit gefehlt! Die Black-Thrasher aus Ohio spielen ultratight, haben sauviel Spaß am Auftritt und werden gnadenlos abgefeiert. Die Songs sind angenehm kurz und knackig, der Auftritt vergeht wie im Flug.
Vor DESULTORY verschwinden wir kurz ins Zelt, es beginnt zu regnen, und wir bleiben gleich dort. Pünktlich zu ABSU finde ich mich vor der Bühne wieder. Die Texaner sind spielstark und bewundernswert. Musikalisch ein außergewöhnlicher Extrem-Metal mit starkem Black- und Thrash-Einschlag, langen Instrumental-Parts und schrillem Gesang von Schlagzeuger Proscriptor McGovern, der mit der Doppelbelastung problemlos klar kommt. Optisch ein etwas verloren wirkendes, aber in seiner Musik aufgehendes Trio, abermals angeführt von einem hoppelnden Proscriptor. Die Setlist reicht von Jüngerem wie "Night Fire Canonization" bis hin zum uralten "Never Blow Out The Eastern Candle" von der 1998er "In The Eyes Of Ioldánach"-EP. Sehr extravagant, sehr bemerkenswert, sehr gut. Tolle Idee, diese Band endlich mal aufs Party.San zu locken.
"We are PRIMORDIAL from the Federal Republic of Ireland" leitet Alan A. Nemtheanga den Auftritt seiner Band markig ein, um anschließend ganz in seiner Musik aufzugehen: Dramatische Gesten, verlorene Blicke, eine Riesenportion Charisma machen bereits die Hälfte des Reizes eines PRIMORDIAL-Auftritts aus. Die andere Hälfte kommt von der Musik, die heute wieder mal über alle Zweifel erhaben ist: Die Neulinge "No Grave Is Deep Enough" und "Bloodied Yet Unbowed" werden ergänzt um das epische "As Rome Burns" und die Trauerballade "The Coffin Ships", die aus dem Publikum mit einem Meer von gereckten Händen bedacht wird; als Rauswerfer dient das treibende "Empire Falls". Welch Pathos! Welch Tragik! Nur die Technik spielt heute verrückt, was der Sänger süffisant mit "Too much bitterness even for the microphone to take" kommentiert. Nuff said!
Dann gibt es Black Metal mal ganz unschwarz. MELECHESH mischen pentatonische Skalen und orientalische Rhythmen zu einem ganz eigenen Gebräu, sind völlig unböse, dafür originell. Schlagzeuger Xul liefert eine umwerfende Leistung, Sänger/Gitarrist Ashmedi hat eine sehr sympathische Ausstrahlung (auch wenn sein quäkiges Gekreische meine Sache nicht ist) und der Rest macht einfach einen guten Job. Musikalisch wird querbeet durch die Discographie gemorgenlandet, von "Grand Gathas Of Baal Sin" aus der neuen Scheibe "The Epigenesis" über "Triangular Tattvic Fire" von "Sphinx" bis zum abschließenden "Emmissaires"-Hit "Birth Of The Nemesis". Zum Zungeschnalzen.
Anschließend die Vollasis aus Österreich. Helmuth von BELPHEGOR liefert die inhaltsärmsten Ansagen des Festivals, die sich irgendwo zwischen "PartySan, you fuckers", "Fuck you, Germania", "Hail, Hail" und "Deutschland, Deutschland, Party.San" einpegeln - sehr cool, das Ganze, sehr straight, wie auch die Mucke der Vorzeige Black/Deather. Die ist im Laufe der letzten Jahre immer langsamer und zuckriger geworden, womit ich mich nicht so recht anfreunden kann, bollert live aber nach wie vor alles in Grund und Boden. Die Tracks "Impaled Upon The Tongue Of Sathan" oder "Justine: Soaked In Blood" bspw. finde ich auf Platte eher bescheiden, sie rocken live aber wie Hölle. "Luzifer Incestus" ist der erwartete Tempohöhepunkt des Sets - was für ein Wahnsinnsgeballer! "Shred For Satan" und "Hell's Ambassador": Auch suppi. Beim abschließenden "Bondage Goat Zombie" räkelt sich eine wenig bekleidete Tänzerin auf der Bühne, beinahe albern, aber irgendwie passt hier eins zum anderen. Showtechnisch hat sich die Band ohnehin in den letzten Jahren gesteigert - inzwischen wird sogar richtig gebangt. Und ums Bangen geht's doch bei Belphegor irgendwie.
Das Grande Finale des Freitags wird von 1349 eingeleitet. Die bemühen sich, passend zum aktuellen Album, um Atmosphäre: Jeder Song erhält seine eigene, einfarbige Beleuchtung, auf Ansagen wird nahezu gänzlich verzichtet, und zwischen die Stücke werden konsequent Dark-Ambient-Intermezzi geschoben, ähnlich wie die "Seth"-Teile des aktuellen Albums. Die Songs kommen wie Gewitterschläge in einen dunklen Sommerabend, unbarmherzig, düster und größtenteils rasend schnell. Der neue Drummer hämmert "I Am Abomination", "When I Was Flesh", "Riders Of The Apocalypse" und "Chasing Dragons" absolut beeindruckend runter. Überraschend wird "Serpentine Sibilance" von der wenig geliebten "Revelations Of A Black Flame"-Scheibe gespielt und fügt sich in seiner Dunkelheit und Langsamkeit gut als Ruhepunkt ins Set ein. Den Abschluss markiert das brillante "Atomic Chapel", das den 1349-Kosmos perfekt bündelt, norwegisch-böse anhebend und in rasendes Geknüppel mündend. Exzellent. M.E. eine der besten Black-Metal-Bands der Gegenwart.
Zu ENSIFERUM renne ich schnell weg und kehre erst für MORBID ANGEL wieder. Deren neues Album "Illud Divinum Insanus" wird seiner Industrial-Schlagseite wegen von vielen Altfans gehasst. Und als wollten sie sich mit eben diesen Altfans wieder versöhnen, eröffnen MORBID ANGEL ihr Set mit den Urgesteinen "Immortal Rites" und "Fall From Grace". Der Einstieg bleibt kein leeres Versprechen, im Laufe des Gigs ertönen etliche Klassiker der Bandgeschichte: "Rapture", "Chapel Of Ghouls", "Angel Of Disease", "Where The Slime Live", "God Of Emptiness", "Pain Divine", "Maze Of Torment" - ein wahres Fest für Freunde des Florida-Todesmörtels. Neualtsänger David Vincent wird seinem Ruf als Egozentriker einmal mehr gerecht und steht von mehreren Spots beleuchtet in der Mitte der Bühne, während der Rest der Band im Dunkel verschwindet. Trey Azagthoth an der Leadgitarre wirkt aber ohnehin versunken in sein unnachahmliches Lava-Riffing, während Tim Yeung hinter den Kesseln ein Feuerwerk an tighten Blastbeats abfackelt. Und vom neuen Album schaffen es schlussendlich doch noch einige Songs ins Set, nämlich das knüppelige "Nevermore" und das ebenso knüppelige "Existo Vulgoré", welches sich als echte Live-Granate entpuppt. Eben diese beiden Songs nutzen dennoch viele Fans, um den Ort des Geschehens vorzeitig zu verlassen, denn inzwischen regnet es wieder wie aus Kübeln. Was wäre das in Bad Berka wieder für eine Schlammschlacht geworden!

Samstag, 13.08.

DAWN OF DISEASE eröffnen den dritten Festivaltag mit Death Metal, der hier in Richtung Schweden und dort in Richtung USA schielt. Die ziemlich jung aussehende Band ist gut in Bewegung, der Sound ist exzellent und an Songtiteln habe ich mir "Above The Gods" und "den Titelsong des neuen Albums", der dann laut Internetrecherche wohl "Legends Of Brutality" geheißen haben wird, gemerkt. Nicht übel.
Auf jedem Party.San rennen etliche Leute in CLITEATER-Shirts rum, die werden sich 2011 gefreut haben. Die Niederländer covern den S.O.D.-Classic "Speak English Or Die" als "Eat Clit Or Die" und rumpeln ihren Porn-/Goregrind gekonnt primitiv ins friedlichste Grind-Pit aller Zeiten. Joost Silvrants hinter dem Mikro grinst ununterbrochen und rattert fast alle Ansagen in niedlichem Deutsch runter. Eine Gummipuppe crowdsurft.
Zu WITCHBURNER pausiere ich. PANZERCHRIST eröffnen ihren Gig mit einem ellenlangen Intro aus Alarmsirenen, Panzerketten, Bombenabwürfen, MG-Geballer und Granatschlägen. Die Dänen sehen aus wie ein absoluter Chaotentrupp, prügeln aber in überaus amtlichem Tempo ein souveränes Set raus. Ein paar niedliche Leads hier, etwas Black Metal dort, ansonsten brutaler, tiefgestimmter Death mit Bergen an Blastbeats. Die kommen von KONKHRA-Trommler Mads Lauridsen, der Donnerkönig Reno Killerich gekonnt ersetzt. Ebenfalls erst seit kurzer Zeit im Dänencamp ist Sänger Magnus Jørgensen, dem man seine Vergangenheit in diversen dänischen Black-Metal-Bands anmerkt. Der Mann kreischt ziemlich viel rum, sieht mit weißem Unterhemd und Jeansjacke einigermaßen verboten aus und macht den Eindruck, locker 15 Jahre jünger als der Rest der Band zu sein. Rasmus Henriksen an der Rhythmusgitarre sieht aus, als käme er gerade vom Campen, der massige Lasse Bak an der Leadgitarre grinst bekifft rum. Irgendwie schrullig, das Ganze. Zum Abschluss gibt es eine grausame Verstümmelung des US-Metal-Klassikers "Metal Church" und noch mal minutenlanges Geschützfeuer.
HEIDEVOLK hätte ich mir freiwillig nie angesehen, darf aber zwecks Reviewschreiben nicht zuviel aussetzen. Die Band spielt Pagan Metal mit klarem Gesang und ist das Softeste, was der Party.San-Besucher dieses Jahr vorgesetzt bekommt. "Saksenland" scheint den Publikumsreaktionen nach ihr Hit zu sein und mal ganz neutral betrachtet machen die Gelderländer das, was sie machen, gut, nämlich hymnisch, folkig und gut gelaunt. Aber scheiß auf Neutralität, es war das Grauen. Dieser Musikstil gehört verboten.
"Danke schön, Dreckschwein" bedankt sich Ørjan Stedjeberg aka Hoest nach dem ersten Song artig auf Deutsch. Kann dem Mann mal jemand was zu essen geben, der ist ja nur noch ein Hautständer in Jeansweste?! TAAKE scheinen den Auftritt zu genießen, machen für eine Black-Metal-Kapelle erstaunlich viel gute Laune und covern in der Setmitte den 1988er Punk-Aso "Die When You Die" von GG Allin. Mir persönlich gibt diese Art Black Metal mit Hang zum Black'n'Roll zwar nicht viel, aber im Publikum fliegen etliche Matten.
EXHUMED sorgen für Gelächter noch vor ihrem Auftritt, denn sie müssen im Billing nach hinten geschoben werden, da sie ihren Tourbus nach Bad Berka fuhren, um dort vor einer leeren Weide zu stehen wie das sprichwörtliche Rind beim Ertönen des Donners. Die legendären Deathgrinder sehen aus wie der Metaller von nebenan, in abgewetzten Shirts und Kutten, mit ordentlich Matte und Wampe und einfach ursympathisch. Matt Connell ist ein krasser Drummer, der tight, schnell und kraftvoll spielt. Generell haben EXHUMED ein gutes Grundtempo. Und alles fühlt sich schön nach Old School an und man wundert sich, wie man dieses Gefühlt entwickelt, obwohl man zur Young School gehört. Guter Gig.
Mit NACHTMYSTIUM betritt eine Band die Bühne, die man hierzulande nur selten bewundern kann - auch dafür ist das Party.San bekannt. NACHTMYSTIUM fingen mal als reine Black-Metal-Band an - davon zeugt an diesem Tag lediglich "Ashes To Ashes", der vorletzte Song des Sets, ursprünglich vom 2004er-Album "Demise" stammend. In schleppendem Tempo gehalten und mit breiten Gitarrenakkorden verbreitet dieser Song tatsächlich schwedisch-melancholisches Flair und steht damit im Kontrast zum rockigen Rest des Sets, das von Stücken der letzten zwei Alben dominiert wird: "Your True Enemy", "Addicts", "One Of These Nights" und "Assasins" ertönen in teilweise etwas wackligen, aber voller Elan vorgetragenen Versionen. Der Mix aus Krautrock, Psychedelic, Black Metal und Heavy Metal klingt auf dem Papier wild, live aber sehr organisch und straight. Blake Judd bangt sich die Rübe ab und lässt sich auch nicht aus dem Konzept bringen, als während "Hellish Overdose" das Schlagzeug den Geist aufgibt und die Band eine Zwangspause einlegen muss. Mit "Ghosts Of Grace" endet ein unterhaltsames Konzert.
Dass HAIL OF BULLETS die Menge zum Kochen bringen würden, war vorprogrammiert. Zu sehr lädt der groovige, einfach gehaltene Old School Death Metal der Niederländer zum Matteschwingen ein. Die Band geht live ab wie ein Newcomer mit Hummeln unterm Arsch, besteht aber aus alteingesessenen Todesmörtlern mit jahrzehntelanger Erfahrung. Martin von Drunen altert jedes Jahr um ein Jahrzehnt, überzeugt aber nach wie vor mit bärbeißigem Keuchen, viel Bewegung und sympathisch-liebevollen Ansagen. Das Set pendelt bei besten Soundbedingungen gleichberechtigt zwischen Songs von "Of Frost And War" und "On Divine Winds" hin und her und ist heute genau nach meinem Geschmack, da nach dem Eröffnungsdoppel aus "Operation Z" und "Full Scale War" die langsamen Songs bevorzugt behandelt werden: "Full Scale War" und "Berlin" schleppen schon gut, aber die doomige erste Hälfte von "General Winter" drückt wirklich alles in Grund und Boden. Die pure, zermürbende Macht. "Kamikaze" lockert das Geschehen mit etwas Speed wieder auf, ehe das schwermütige "Tokyo Napalm Holocaust" sich wieder zwischen Midtempo und purem Doom einpendelt. Geil, einfach geil. Nach dem Rausschmeißer "Ordered Eastward" mosern einige Fans, dass ein, zwei schnelle Songs gut getan hätten, doch dieses Set war genau so super, wie es gespielt wurde. Diese Band ist live einfach ein Qualitätsgarant.
Da GORGUTS ihre anfängliche Zusage wieder zurückzogen, mussten WATAIN einspringen. Die haben 2010 bereits das Party.San beehrt und seitdem kein neues Album veröffentlicht, so dass einem Angst werden musste, eine bloße Wiederholung des Vorjahres anschauen zu dürfen. Doch die Band nutzt die Chance und spielt heute ein Set, das ausschließlich aus Stücken der ersten zwei Alben "Rabid Death's Curse" und "Casus Luciferi" besteht: "This night will be a celebration of the dark past", kündigt Erik Danielsson an, und die ersten Töne von "The Limb Crucifix" werden in den Abend gedunkelt, gefolgt von "Black Salvation", "Rabid Death's Curse", "I Am The Earth", "The Devil's Blood" und "From The Pulpits Of Abomination". Die alten WATAIN sind noch etwas simpler, nicht ganz so breaklastig und abwechslungsreich, und darin wie geschaffen für ein atmosphärisches Live-Konzert. Die ganze Optik des Auftritts wird, wie auch im letzten Jahr, von Feuersäulen, Funkenregen und rotem Licht dominiert, was zum roheren Material gut passt. Zum Abschluss gibt es das obligatorische Cover - fiel die Wahl letztes Jahr auf Dissection, sind es diesmal Bathory. "A Fine Day To Die" erklingt in einer exzellenten Fassung und WATAIN lassen noch mal alles in die Luft fliegen, was da ist. Erste Sahne.
Anschließend MORGOTH. Die haben sich für ihre Reunion den ehemaligen Destruction-Drummer Marc "Speedy" Reign ins Boot geholt - stopp, das war der zweite Schritt vor dem ersten. Erster Schritt: MORGOTH, das deutsche Death-Metal-Flagschiff der 90er, hat sich für einige Shows im Sommer 2011 wieder zusammengefunden. Bedeutet das was? Folgt man Sänger Marc Grewe, scheint es beinahe so. "Wir sind Morgoth und wir sind zurück!" brüllt Grewe gefühlte 30 Mal in die Nacht. Folgt man dem Rezensenten, war es eine reine Nostalgieveranstaltung und wird mit Sicherheit eine bleiben. Die neuen Elemente braucht kein Mensch: Grün leuchtende Kontaktlinsen, kürzere Haare, etwas schwächerer Gesang, verwirrte Ansagen ("Wir sind MORGOTH, und wer seid ihr?") und Gastgegrunze von Purgatorys Dreier in "Pits Of Utumno". Die sichtlich gealterte Band wirkt einigermaßen engagiert, aber sämtlichen Mitgliedern abgesehen vielleicht von Grewe sieht man m.E. an, dass das hier ein reines Spaßding ist, das sie nebenher halt mal kurz laufen lassen. Die alten Elemente sind bekannt, gut, aber eben auch: alt. Die Songs sind exzellenter Frühneunziger-Death - vom Songwriting her wirken die immer gleich strukturierten Songs etwas hölzern, aber der Groove, das Riffing, das heisere Brüllen stimmen. "Body Count", "Exit To Temptation", "Resistance", "Suffer Life", "Unreal Imagination" und "Burnt Identity" machen auch anderthalb Jahrzehnte später Spaß und zum nach wie vor fürchterlich geilen "Isolated" schraube ich mir beinahe die Rübe ab. Dennoch: So richtig sprang bei mir der Funke nicht über - vielleicht bin ich noch zu jung für soviel Nostalgie. Etliche andere Leute begeistert's.
ENSLAVED spielen ein Hammerset, das einige Überraschungen parat hält. Mit "Allfadr Odin" von "Hordanes Land" wird die Uraltfraktion abgespeist, ansonsten werden die 90er komplett ausgespart. "As Fire Swept Clean The Earth" von "Below The Lights" (Wahnsinn!) und "The Voices" vom hochexperimentellen "Monumension"-Album loten die Grenzen der Progressivität im eigenen Kosmos der Band aus - exzellente Wahl! Daneben gibt es ausschließlich Tracks der neuen, Indie-lastigen ENSLAVED: "Fusion Of Sense And Earth" sowie den Titeltrack von "Ruun", "Ground" von "Vertebrae", "Ethica Odini" und "Raidho" vom neuen, hervorragenden "Axioma Ethica Odini"-Output und als Rauswerfer "Isa" aus dem gleichnamigen Album. Das Zusammenspiel sitzt, Grutle Kjellson und Herbrand Larsen sind super bei Stimme, Arve Isdal post mal wieder ohne Ende (auf einem eigenen Podest) und die ganze Band hat sichtlich Freude und ist permanent in Bewegung. Die Lightshow und das stimmige, an das Cover des aktuellen Albums angelehnte Backdrop passen wunderbar zur Musik. Enslaved wechseln spielend zwischen urwüchsiger Rauheit, Melancholie, zarten Spielereien, harschen Attacken und das alles wirkt, als würde es schon immer zusammengehören. Perfekt, einfach perfekt. Was kann jetzt noch kommen?
Für mich nichts, aber da bin ich offenbar allein. Das Party.San wird nach und nach zu einem Reunion-Festival alter Hasen. ASPHYX, AUTOPSY, MORGOTH und jetzt AT THE GATES. Es ist schweinevoll vor der Bühne, als die Gottvatis des Melodic-Death auf die Bühne hüpfen und ein Aufschrei geht mit den ersten Tönen von "Slaughter Of The Soul" durch die Menge. Was folgt, ist eine Vollbedienung, die auch der wieder einsetzende Regen nicht schmälern kann. Die Best-Of-Setlist umfasste "Under A Serpent Sun", "Cold", "Suicide Nation", "Nausea", "The Burning Darkness", "World Of Lies", "Terminal Spirit Disease" und natürlich "Blinded By Fear". Die ganze Band, allen voran Tompa Lindberg, zeigte sich energisch und die unverwechselbare Kratzbürstenstimme des Fronters kam im exzellenten Sound ebensogut zur Geltung wie das melodische Dauerfeuerwerk des Gitarrenduos Björler/Larsson. Eine Lehrstunde in Sachen Schwedentod! Egal, wen man nach dem Rausschmeißer "Kingdom Come" fragt, AT THE GATES sind für alle der verdiente Schluss- und für viele der Höhepunkt des diesjährigen Party.San-Festivals. Ersterem schließe ich mich gerne an.

Fazit: Nach wie vor das beste Festival wo gibt, mit dem besten Billing, dem besten Sound und der besten Atmosphäre. Der Umzug nach Schlotheim hat sich bewährt - nächstes Jahr wieder, keine Frage.



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