www.Crossover-agm.de ENSLAVED: Axioma Ethica Odini
von ta

ENSLAVED: Axioma Ethica Odini   (Indie Recordings)

Wie darf man eigentlich den Sound von Enslaved inzwischen nennen? Post Black Metal? Allein die Rhythmusarbeit dieses Albums ist sehr eigen für eine Band, die ursprünglich aus dem Black Metal kommt: Viel Drive, viel Groove, eine gewisse Rockigkeit, die auch vor einem klassischen Bumm-Tschak-Bumm-Tschak-4/4-Groove nicht halt macht. Dazu diese Gitarrenriffs: Ebenfalls rockig - krautrockig, indie-rockig, postrockig, um genau zu sein - aber diesmal offener als noch auf "Isa", "Ruun" und "Vertebrae"; so ist auch wieder etwas schwarzmetallisches Flimmern zu hören ("The Beacon"), Gevatter Doom hält Einzug ("Giants") und prinzipiell klingt die Riffarbeit öfter mal einfach nach Metal, ohne es jetzt genau auf einen Stil eingrenzen zu können (Präzedenzfall: "Singular"). Dazu passt, dass der Gitarrenverzerrer wieder auf eine etwas höhere Stufe gestellt wurde. Das Ergebnis: Während es auf den beiden Vorgängern das Phänomen gab, dass man sich nur den extremen Kreischgesang von Grutle wegzudenken brauchte, um mehr oder weniger ein Indie-Rock-Album vor sich liegen zu haben, ist "Axioma Ethica Odini" wieder mehr in Richtung Metal gepolt.
Aber Obacht: Ein zweites "Mardraum" liegt hier keineswegs vor. Die prinzipielle Marschroute ist die der Post-"Isa"-Enslaved geblieben. Was u.a. die genannten Rock-Lastigkeit, massive 70s-Einflüsse (höre etwa die Unglaublichkeit "Night Sight", die zu großen Teilen auch von Opeth stammen könnte) und den regelmäßig auftauchenden Klargesang von Herbrand Larsen einschließt. An dem kann man auch einen grundsätzlichen Unterschied im Flair der "alten" und "neuen" Enslaved ausmachen: Während der Klargesang auf einer Scheibe wie eben "Mardraum" noch heroisch und gewaltig wirkte, hat er heutzutage eher etwas Elegisches, Meditatives und Liedhaftes. Den Vogel schießt hierbei die erste Hälfte des Albumclosers "Lightening" ab, die mit konsequenter Selbstverständlichkeit von Larsens Gesang angeführt wird.
Zurück zum Vergleich mit den Post-"Isa"-Enslaved: "Axioma Ethica Odini" ist nicht nur metallischer auf der einen, sondern auch atmosphärischer auf der anderen Seite. Vom stimmungsvollen, melodiösen Eröffnungsriff des Openers "Ethica Odini" über hintergründige Gitarrenverträumtheiten in "Waruun" (Wahnsinnssong!) bis hin zu "Axioma", einem lupenreinem Ambient-Interlude, das nur auf Keyboard und Sprechsamples beruht, atmet dieses Album Atmosphäre - verträumter hier, melancholischer dort, lebensbejahender da.
Wenn man die bisher durchgegangenen Einzelkomponenten des Albums nun zusammenzählt, kommt man auf eine simple Formel:
Indie + Metal + Atmosphäre = Abwechslung
Im Klartext: "Axioma Ethica Odini" ist das mit Abstand vielfältigste und detailreichste Album der Post-"Isa"-Enslaved.
Wer derart gute Musik zurechtzimmert, gibt sich auch bei den Texten keine Blöße. Eine ehemalige Black-Metal-Band schreibt ein Album über Ethik bzw. angefüllt mit Ethik - das klingt vielleicht nach dem Treppenwitz des Jahres, ist es aber nicht. Das im Titel heraufbeschworene Axiom einer odinistischen Ethik habe ich jetzt so direkt jetzt nicht gefunden, allerdings viele seiner kleinen Brüder. Die lesen sich dann beispielsweise so: "Search beyond the blinded eyes/Listen before you preach/Don't leave yourself behind" aus "Ethica Odini", dem Programmtext des Albums. Oder: "No smile without pain/No grief without laughter" aus "Giants". Oder: "No-one steals what no-one owns/Disown and distance/Strong is she who realizes/Ethics built on sacrifice" aus "Singular". Zweifellos, düster bleibt das Gesamtbild: Beständig geht es darum, dass man in dieser Welt allein sei, dass Leben auch und besonders Kämpfen heiße. Aber das alles ist so gut in Sentenzen des Aufbruchs eingewebt, so kunstvoll an die Berufung auf Götter und Runen gekoppelt, dass dagegen der rein heldenanrufende Schmonz aus dem Viking-Metal-Lager ebenso einpacken kann wie die Fraktion der altklugen Nietzscheaner aus der sich intellektuell gebenden Black-Metal-Elite.
Was soll ich weiter noch sagen? "Axioma Ethica Odini" ist ein großes Album, ein Höhepunkt des Jahres 2010, beinhaltet keinen einzigen Aussetzer und ist der beste Enslaved-Output seit "Below The Lights". Über den Enslaved-Kosmos hinaus gedacht hat man hier eine Band, die visionär, progressiv, klug, spannend, aufregend, streckenweise brillant aufspielt und die aus all diesen Gründen nicht nur richtig gut, sondern auch richtig wichtig ist. Dafür meine Ehrerbietung.
Kontakt: www.myspace.com/enslaved, www.myspace.com/indierecordings

Tracklist:
1. Ethica Odini
2. Raidho
3. Waruun
4. The Beacon
5. Axioma
6. Giants
7. Singular
8. Night Sight
9. Lightening



www.Crossover-agm.de
© by CrossOver