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Heaven Shall Burn, Dark Tranquillity, Neaera, Swashbuckle, Deadlock   25.12.2009   Leipzig, Werk II
von rls

Dieses Tourpackage firmiert unter der alljährlichen Dachmarke "Darkness Over X-Mas", aber so dunkel ist die Zusammensetzung anno 2009 gar nicht ausgefallen - kein Black Metal weit und breit. Bereits 18.30 Uhr soll Beginn sein, ergo steht der Rezensent 18.30 Uhr vor der Halle - und am Ende einer Schlange, wie er sie in seinem Konzertgängerdasein viele, viele Jahre nicht erlebt hat. Drei Faktoren machen das Warten erträglich bis angenehm: die Tatsache, daß es 18 K wärmer ist als sechs Tage zuvor beim Schlangestehen vor dem Hellraiser (Arch Enemy, Destruction, Triosphere), die doch recht zügige Abarbeitung der Schlange am Einlaß und das gleichermaßen nette wie hübsche weibliche Wesen, das sich wenige Sekunden vor dem Rezensenten am Schlangenende angestellt hat. Noch während des Wartens hört man, wie drinnen die erste Band zu spielen beginnt, und bis man in der Halle angekommen ist, haben Deadlock ihren Set schon so gut wie beendet. Anderthalb Songs bekommt der Rezensent noch mit, von denen der erste, "Awakened By Sirens", seinen Titel völlig zu Recht trägt, da Sabine hier phasenweise wirklich schneidende sirenenhafte Gesänge intoniert, die eine ansehnliche Publikumsmasse vor die Bühne locken und betören. Das Finale des Songs bestreitet sie dann allein zu sphärischen Keyboardklängen. "End Begins" ist danach titelgemäß der perfekte Closer für den halbstündigen Set und ein typischer Song für die aktuelle Ausrichtung von Deadlock, den klassischen Metalcore mit technoartigen Breaks aufzulockern - das hinterläßt an diesem Abend freilich einen imperfekten Eindruck, da zwar der Gesamtsound der metallischen Komponente sich in der Nähe der Perfektion bewegt (nicht überlaut, aber druckvoll und vor allem den Gitarren ihre Feinheiten belassend), aber die technoziden Einspielungen zumindest an dieser Stelle nur undeutlich im Hintergrund vor sich hinklackern und man daher eher den Eindruck eines unmotivierten Abbruchs des Songs hat. Aber spätestens nach dem klassisch melodicdeathigen Hauptsolo ist die Welt wieder in Ordnung, die Spielfreude stimmt, die Stimmung im Publikum auch, und so kann die sächsisch-bayrische Fraktion den Gig sicherlich als Erfolg verbuchen. Für die Präzisionsarbeit des Sextetts spricht übrigens auch, daß sie einen eigenen Rider mit Hinweisen für den Lichtmann zusammengestellt haben - eine Mühe, die sich auch keineswegs jede Band macht.
Setlist Deadlock:
Intro
Martyr To Science
Code Of Honor
The Brave/Agony Applause
Awakened By Sirens
End Begins
Von solchen Feinheiten halten Swashbuckle, die nach angenehm kurzer Umbaupause die Bühne entern, wenig. Das Verb "entern" ist dabei bewußt gewählt, denn das Trio hat sich in historische Gewänder Marke Running Wild gehüllt, der Gitarrist trägt gar einen klassischen Dreispitz und behält diesen auch bis zum Setende auf, während es dem Drummer schnell zu warm wird und er sich daher großer Teile seines Kostüms entledigt. Zu tun hat er allerdings auch jede Menge, denn das Trio spielt einen wüsten Bastard aus Grindcore, klassischem Moshcore und etwas neuzeitlichem Metalcore, ohne aber in die momentan so beliebte Deathcoreabteilung eingeordnet werden zu müssen. Das Tempo wechselt dabei zwischen schnell und ganz schnell, nur einige Breakdowns finden sich, die gegen Setende hin übrigens zahlreicher werden. Der vorletzte Song ist dann auch der erste und einzige, in dem der Gitarrist ein traditionelles Gitarrensolo spielt. Das hört man auch gut heraus, während die Struktur der sonstigen Saitenarbeit wenig klar und durch den überlauten Sound auch nicht unterstützt wird. Der waldschratartige Bassist, der optisch was von einer Kreuzung aus Paul Speckmann und Mentors-Duce hat, intoniert die Leadvocals mit intensivem Gebrüll und bangt, nachdem er sich seiner historischen Kopfbedeckung entledigt hat, fleißig, während der Gitarrist für die geschrieenen Backings sorgt. Daß das Trio nicht alles so ganz ernst nimmt, zeigt die Praxis, "No Brain No Pain" als ultralangsamen Song anzukündigen, "langsamer als Black Sabbath, langsamer als Crowbar", wonach aber ein ultraschnelles Geknüppel losbricht - ein Fünkchen Wahrheit freilich steckt in der Ansage doch, denn das zentrale Breakdown ist tatsächlich das langsamste des ganzen halbstündigen Sets, in dem Swashbuckle locker doppelt so viele Songs unterkriegen wie die anderen Bands. Nach zehn Minuten rennt noch jemand in einem Vogelkostüm über die Bühne, verfolgt von jemandem in einem Haikostüm, was aber die einzige humoristische Einlage dieser Art bleibt.
Neaera spielen die Darkness-Tour nur an diesem ersten Abend mit, die weiteren Dates werden an ihrer Stelle von Caliban bestritten. Das Quintett spielt 40 Minuten lang einen sehr intensiven Set, in dem aber die Gitarren viel zu intransparent abgemischt sind - eine Parallele zum No Silent Backlands-Festival anderthalb Jahre zuvor. Soll heißen: Energie kommt viel rüber, aber die Feinheiten bleiben weitgehend auf der Strecke. Sänger Benny ist der Aktivposten der Band und wird, nachdem er etwas lockerer geworden ist und die Verkrampftheit bei der langwierigen Einforderung der Struktur für eine Wall Of Death gleich vor dem zweiten Song, die in krassem Widerspruch zu der unmittelbar zuvor getätigten Ansage steht, man habe nicht viel Zeit und wolle daher dauerhaft Vollgas geben, steht, abgelegt hat, auch noch zum Sympathikus, der die Aktivitäten im Publikum souveräner einfordert und reihenweise Props an die anderen Bands verteilt. Sein Gesang, oft in Kellertiefe angesiedelt, überzeugt auf ganzer Linie und ist im Gegensatz zu den Gitarren auch deutlich zu vernehmen. Humor hat er auch, als er "Let The Tempest Come" als Song "zum Ausruhen" ankündigt. "Synergy" rundet einen Set ab, der die Powerjünger eher zufriedengestellt haben dürfte als die Anhänger der Filigranität.
Die kommen dafür dann bei Dark Tranquillity auf ihre Kosten, denn die Schweden haben gemeinsam mit Deadlock den klarsten und transparentesten Sound des ganzen Abends, und bei ihnen kann man sogar die Keyboardeinspielungen (ein lebender Bediener dieses Instruments wird zumindest vom Standplatz des Rezensenten aus nicht gesichtet) klar und deutlich vernehmen - und das trotz im Vergleich zu Neaera kaum gedrosselter Lautstärke. Freilich leidet das Ende des Sets dann unter der alten Soundmenschkrankheit: Die Regler werden nochmal hochgezogen, und schon sinkt die Klangtransparenz in unerfreulicher Manier. Von der Setlist her packen die Schweden hauptsächlich Songs neueren Entstehungsdatums aus - sie gehen wohl nicht zu Unrecht davon aus, daß weite Teile des Publikums zu Zeiten von "The Gallery" noch im Grundschulalter waren, und verzichten daher zum Leidwesen der alten Säcke wie des Rezensenten auf "Punish My Heaven". Aber auch Songs wie "Lost To Apathy" sind bekanntlich nicht zu verachten, und zudem testen Mikael Stanne und seine Kameraden auch noch "Dream Oblivion" vom im Februar 2010 zu erwartenden neuen Album erstmals live an. Der Song beginnt als doomige Walze, um dann aber in für die jüngere Schaffensperiode der Band typischen, leicht modern wirkenden Göteborgdeath überzugehen; seine Strophenrhythmik hat sich anhand des einmaligen Hörens aber noch nicht so richtig erschlossen. Stanne bestreitet übrigens fast den kompletten Gig mit rauher Stimme, einzig im Videotrack "Misery Clown", der phasenweise an eine leicht gehärtete Version früher HIM erinnert, läßt er auch das klare Organ erschallen. Starker Auftritt!
Heaven Shall Burn spielen abschließend einen eher paradoxen Set. Fronter Marcus fragt das Publikum vor dem letzten Song, ob es eine alte Komposition hören wolle - das Publikum bejaht im zweiten Anlauf lautstark, dann intoniert die Band aber "Of No Avail" vom 2006er Album "Deaf To Our Prayers". Nimmt man freilich das Alter des Publikums als Maßstab, so ist "Of No Avail" tatsächlich ein alter Song - die tatsächlich ältesten im Set sind die schon erstaunlich früh plazierten "Voice Of The Voiceless" und "Architects Of The Apocalypse", wobei auch das relativ zu sehen ist, denn sie stammen vom 2004er "Antigone"-Album. Bereits mit "Counterweight", Opener des "Deaf ..."-Albums wie des Sets, haben Heaven Shall Burn die Fans aber in der Hand und konzentrieren sich materialseitig danach auf das immer noch aktuelle "Iconoclast"-Album - man ist zwar bereits für dessen Nachfolger im Studio, testet aber noch kein Material live an. Dazu kommt als kleine Überraschung "Unleash Enlightenment" von der zweiten Split-CD mit Caliban, denen Marcus das Stück im Nachgang auch widmet. Der Sänger bedankt sich auch noch bei seinem Chef, der ihn nach der Arbeit schnell nach Leipzig gefahren hat, und hinterläßt einen grundsympathischen Eindruck, der etwas im Gegensatz zu der problematischen Ansage von Gitarrist Maik vor dem Zugabenblock steht - natürlich sind Leute vom Rechtsaußenrand seitens HSB nicht erwünscht, das weiß man eigentlich, aber wie soll man sie von ganz normalen Jugendlichen unterscheiden, wenn die einen wie die anderen Rise Against-Shirts und Hatebreed-Kappen tragen (wie er korrekt feststellt)? Auch etwas problematisch ist der Sound, denn der liegt lautstärkeseitig nochmal deutlich höher als bei den Bands zuvor und damit im definitiv gefährlichen Bereich, wenngleich die Mischpultfraktion das Kunststück fertigbringt, trotz des immensen Pegels das Ganze immer noch recht transparent und durchhörbar zu gestalten. Der Zugabenblock fällt um einen Song kürzer aus, als die eigentlich geplante Setlist (siehe unten) ausweist, obwohl im Vergleich mit dem ausgedruckten Zeitmanagement durchaus noch Luft nach hinten gewesen wäre. Dafür freilich entschädigt das Edge Of Sanity-Cover "Black Tears" als krönender Abschluß - zwar keine neue Idee (Eternal Tears Of Sorrow hatten sie anno 2000 auch schon mal) und zudem eine paradoxe (Edge Of Sanity nun gerade mit einem Song zu covern, der recht untypisch für ihr Schaffen ist), aber das tut der Livewirkung dieser hervorragenden und auch vom Publikum begeistert mitgehouteten Umsetzung keinen Abbruch.
Setlist Heaven Shall Burn (die eigentlich geplante):
Counterweight
Murderer Of All Murderers
Voice Of The Voiceless
mybestfriend.com
Architects Of The Apocalypse
Endzeit
The Disease
Forlorn Skies
Unleash Enlightment
The Dream Is Dead
Of No Avail
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Ecowar
To Inherit The Guilt
Black Tears



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