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Grailknights, Zandelle, Dragonsfire   17.11.2009   Leipzig, Hellraiser
von rls

Schwieriges Zeitmanagement: 21 Uhr ist als Anstoßzeit auf der Hellraiser-Homepage verbrieft, aber als der Rezensent 20.50 Uhr den kleinen Raum hinter der Bar betritt, sind Dragonsfire (nächstes Problem: Die Hellraiser-Homepage kündigt sie als Dragonfire an, so daß eine praktische Vorbereitung des Interessenten auf den Gig unmöglich ist) schon mitten im Set. Das ist schade, denn das Quartett bietet eine durchaus unterhaltsame Show im traditionellen Metalbereich, die sich gerade durch ihre Einfachheit auszeichnet, ohne deshalb aber simpel oder gar primitiv zu werden. Kurioserweise besteht die Frontreihe auf der Bühne aus "Doppelgängern": links und rechts welche von Jeff Waters und Kai Hansen an den Gitarren, in der Mitte einer von Peavey Wagner an Baß und Vocals, wobei Torsten gegenüber Peavey den Vorteil hat, daß ihm dessen bäuerisch-hölzerner Faktor völlig abgeht. Stimmlich liegen beide durchaus in ähnlichen Gefilden, und auch die Instrumentalfraktion hat sicherlich schon mal was von Rage gehört, während Gamma Ray und Annihilator eher wenig Spuren im Schaffen der vier Hessebube hinterlassen haben. Dafür huldigen sie den Eisernen Jungfrauen in Gestalt einer sehr ordentlichen Version von "The Trooper", aber auch Eigenkompositionen wie "Shine On" wissen zweifellos zu überzeugen. Zudem überzeugen die Jungs durch basisnahes Verhalten, betonen immer wieder, wieviel Freude ihnen der Gig macht, ohne daß es aber aufgesetzt wirkt, und versprühen Krankenhausgroßpackungen voller Spielfreude samt einiger lustiger Ansagen. Für die zeichnet übrigens hälftig Drummer Jan verantwortlich, und er hält selbige in barbarischem Hessisch, so daß man ihm genau zuhören muß, um zu verstehen, was er einem denn mitteilen will. Nur der Gesamtsound ist gewissen Problemen unterworfen, nämlich wieder mal zu laut und damit etwas zu wandartig, so daß manche Feinheit gerade der Gitarrenarbeit etwas untergeht. Bei einem späteren Blick in die Encyclopaedia Metallum entpuppt sich die Truppe übrigens als Ableger von Dark Fortress, was man angesichts der doch beträchtlichen Unterschiede in der Musik wohl kaum vermutet hätte. "Burning For Metal" heißt einer ihrer Songs von der "Visions Of Fire"-CD, der auch im Liveset steht, und der bringt das Credo von Dragonsfire wohl am besten auf den Punkt.
Nach einer erfreulich kurzen Umbaupause (alle Bands spielen über die gleiche Technik) erklingt ein bombastisches Intro vom Band, dann steigen Zandelle auf die Bühne. Auch die haben zwei "Doppelgänger" in der Band: Der neue Bassist Andrew, der fast den ganzen Gig in einer gebückten Haltung verbringt, als wolle er den Zuschauer anspringen, sieht aus wie sein Kollege von Theocracy, und als Drummer haben Zandelle doch glatt den Bassisten und Sänger von Dragonsfire verpflichtet ... nein, doch nicht, aber Joe singt immerhin auch Backing Vocals und bringt seinen Leadsänger George nach dem Opener in die Verlegenheit, eine längere Reparaturpause am Bassdrumpedal überbrücken zu müssen. Als der Sänger mittlerweile die Leute im Publikum nach ihren Namen zu fragen beginnt, geht es dann doch weiter, und der Rest des Gigs funktioniert ohne technische Probleme. Von Zandelle besitzt der Rezensent zwar die 2002er "Twilight On Humanity"-CD, aber die liegt noch irgendwo auf dem großen Stapel der Ungehörten, und so stellt die Stunde Musik doch eine sehr positive Überraschung dar. Zandelle spielen leicht angeproggten Power Metal hoher Güteklasse, verfügen sowohl über erstklassige Instrumentalisten als auch über einen äußerst fähigen Sänger, und sie besitzen die Gabe, ihren Metal mittels kleiner Progzutaten interessanter zu gestalten, ohne die urwüchsige Power zu verwässern. Das weiß auch die fleißig bangende erste Fanreihe zu würdigen, auch wenn man bei den eigentümlichen Rhythmuswechseln im stampfenden "Dark Nemesis" beim Kopfschütteln leicht aus dem Takt zu kommen droht. Neben Material vom aktuellen Album "Flames Of Rage" gewähren Zandelle auch schon einen akustischen Ausblick auf ihr nächstes Albumprojekt, das unter dem Titel "Shadows From The Past" neu eingespielte Fassungen von Songs aus ihrer Embryonalzeit enthalten wird. Sie vergessen aber auch ihre noch nicht so weit zurückliegende Vergangenheit nicht, und so kommt etwa "The Champion" vom besagten "Twilight On Humanity"-Album ebenfalls zu Gehör, während sie "Dragon's Hoard" vom 2006er Album "Vengeance Rising" den Kollegen von Dragonsfire widmen. Die sympathischen Amis schließen den Gig mit "Warlords Of Steel", dem Opener von "Twilight On Humanity", ab und gönnen sich darin noch einen ganz besonderen Scherz: Als der zweite Refrain herannaht, schwenken die vier Instrumentalisten plötzlich in Iron Maidens Refrain von "Caught Somewhere In Time" (neben Joe singt auch Gitarrist Rudy Backing Vocals) über und verblüffen damit ihren Frontmann (oder sein Erstaunen ist zumindest gut gespielt), was die Altmetaller im Publikum derart zu Tränen rührt, daß man ganz vergißt, eine Zugabe von Zandelle einzufordern.
Erneut ist die Umbaupause erfreulich kurz, und dann kommen die Grailknights auf die Bühne geflogen. Das Quartett parodiert den ganzen Fantasymetal auf mal äußerst trashige, mal aber auch anspruchsvolle Art und Weise - das kann man mögen oder auch nicht, aber man sollte das originelle Konzept auf alle Fälle würdigen und dabei nicht vergessen, daß die Jungs auch sehr gute Musiker sind. Der Rezensent lacht sich jedenfalls scheckig über die verzweifelten Versuche der vier Warriors, den vom bösen Dr. Skull gestohlenen Heiligen Gral wiederzubekommen, mit dem dieser fröhlich durchs Publikum läuft und ein begehrtes Fotomotiv darstellt, ebenso wie sein gekrümmt gehender Helfer Morph (wenn da mal nicht der Bassist von Zandelle im Kostüm steckte ...), der Drache Urks, der eher an eine verunglückte Kreuzung aus Giraffe und Ochsenfrosch erinnert und in der Mitte der Show besiegt wird, und der einzige Helfer der vier Warriors, nämlich das Bierpferd, das dem Publikum ein Fäßchen Krombacher schenkt. Der einzige Helfer? Mitnichten, denn da ist ja noch der Grailknights Battlechoir, also das Publikum, das die hymnischeren Parts der Songs begeistert mitformuliert und dafür von Sänger/Gitarrist Sir Optimus Prime, der den überwiegenden Teil der Publikumskommunikation übernimmt und sich förmlich einen Ast freut, das erste Mal "im östlichen Königreich" spielen zu dürfen, Lobhuldigungen einfährt. Die Kostüme des Quartetts (und die erwähnten Nebenfiguren) schaue man sich am besten selber mal auf www.myspace.com/grailknights an (möchte nicht wissen, wie warm das auf der Bühne ist); nicht vergessen werden darf auf alle Fälle das Farbmanagement, das Sir Optimus Prime Grün, Sänger/Bassist Mac Death Rot, Gitarrist/Sänger Lord Lightbringer Blau und Drummer Duke Of Drumington Gelb zuweist, und zwar alle in leuchtend-satter Farbgebung. Neben dem ganzen Klamauk und den grenzwertigen Ansagen spielen die Grailknights aber wie erwähnt auch noch eine reizvolle Mixtur aus Power und Death Metal, wobei letztgenannter ausschließlich in den partiell grunzkreischenden Vocals von Mac Death zum Vorschein kommt; ansonsten sind die Grailknights treue Ritter des echten Stahls, auch wenn Sir Optimus Prime zwischendurch auch mal zu einer Geheimwaffe greift, nämlich einem Akkordeon, das man im recht guten Klangbild (ein solches hatten übrigens auch Zandelle schon) sogar halbwegs durchhören kann. Zudem machen sich die niedersächsischen Ritter um die Pflege des deutschen Volksliedgutes verdient, indem sie "Der König von Thule" in einer metallisierten Fassung darbieten, das sich prächtig neben Eigengewächsen wie "In For The Kill" macht. Zu den mittlerweile eingebürgerten Ritualen auf Grailknights-Gigs gehört auch, daß man, nachdem der Gral dann irgendwann mal wieder da und der reguläre Set vorbei ist, nicht mit schnöden "Zugabe"-Rufen nach Mehrleistung verlangt, sondern diese mit "Hail to the grail"-Mantras (das ist ein Songtitel vom "Return To Castle Grailskull"-Album) einfordert, und natürlich gibt es noch einen Song mehr, danach aber trotz weiterer Forderungen "nur" noch einen Gesangskurs mit Sir Optimus Prime, der das Publikum singend und hochgradig gut gelaunt in die Nacht oder zumindest Richtung Bar entläßt. Wie gesagt: Man muß die Sorte Humor der Grailknights schon mögen - aber wenn man das tut, dann ist das beste metallische Unterhaltung!



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